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Auch Farben machen Leute

Farben wirken sich nicht nur auf das Äussere einer Person aus, sie können auch unsere Denk- und Handlungsweisen wesentlich beeinflussen.

Wer orange Kleidung trägt, wirkt automatisch dynamisch und strahlt Optimismus aus. Bild: Manor

Christine Micheloud
Wem kommt diese Situation nicht bekannt vor – man sitzt beim Coiffeur vor dem Spiegel und denkt, «ich sehe schrecklich blass aus» und fragt sich, warum man dort immer einen dunklen Umhang tragen muss. Umgekehrt verhält es sich bei Kleidungsstücken, die man besonders gerne trägt, da man sich darin wohl und gutaussehend fühlt. Der Teint sieht automatisch frischer aus, kleine Fältchen oder ein Pickel sind kaum mehr zu sehen. «Das liegt nicht an der Form, am Schnitt oder Stoff des Kleidungsstücks, sondern vor allem an seiner Farbe», sagt Brigitte Jakob, diplomierte Farbtherapeutin und Farbberaterin (siehe Infobox).

Tatsächlich machen nicht nur Kleider Leute, sondern auch Farben. Farben haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Aussehen und damit auf unser Wohlbefinden. Und wenn wir uns wohlfühlen, strahlen wir das auch gegen aussen aus und werden von unseren Mitmenschen positiver wahrgenommen. Eine Farbberatung hilft, die richtigen Farben für seinen Typ zu finden. Um den Farbtyp zu bestimmen, spielt der Hautunterton eine entscheidende Rolle. Obwohl die menschlichen Hautfarben sehr unterschiedlich sind, gibt es beim Unterton nur zwei Haupt-Varianten, warm oder kalt, je nach Blaugehalt.

Farbe nach Gefühl wählen
Es werden vier Grundtypen unterschieden: der Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintertyp. Dabei gilt: Die Farben, die uns gut stehen, sind nicht zwingend unsere Lieblingsfarben. «Es geht einfach darum, die typgerechte Nuance der jeweiligen Farbe zu finden. Denn jede Farbe hat eine ganze Reihe kühler und warmer Schattierungen», sagt Grob. Würden die Menschen beim Kleiderkauf auf ihre Gefühle hören, wählten die meisten die richtige, also die zu ihrem Typ passende Farbe, ist Brigitte Jakob überzeugt. Doch oft liessen sich gerade Frauen vom Diktat der Mode verleiten.
Begründer der Farbtypenlehre ist der Schweizer Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten (1888–1967). Seine Studenten sollten ihre individuelle Vorstellung von harmonischen Farben malen. Die Arbeiten verglich er später mit Aussehen, Hautton, Haarfarbe und Augenfarbe der Schüler. Ohne zu wissen, von wem welche Arbeit stammte, ordnete er die jeweiligen Farbakkorde den entsprechenden Studenten richtig zu. Daraufhin begann er, die unterschiedlichen Auswirkungen von Farben auf die Gesichtszüge der Menschen zu untersuchen. Auf seinen Ergebnissen aufbauend, wurde später an den Kunstakademien in den USA eine Farbtypenlehre entwickelt, die besagt, dass jeder Mensch einen Hautunterton hat, der von Geburt an besteht und sich im Lauf des Lebens nicht ändert.

Inzwischen zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass sich Farben auch auf unsere Stimmung und unser Verhalten auswirken. Und sie beeinflussen unser Urteil über andere Menschen und umgekehrt. Farben können positive, aber auch negative, unerwünschte Gefühle auslösen. Brigitte Jakob macht ein Beispiel: «Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einem roten Kleid oder Pullover zu einem Vorstellungsgespräch, und der Vorgesetzte hat etwas gegen Rot oder er ist ein energiegeladener, nervöser Mensch – dann stellen Sie ein Zuviel an Power dar und er sieht rot.» Sie empfiehlt deshalb, für ein Vorstellungsgespräch gedämpfte Farben wie Blau oder Grün zu tragen. Und Frauen, die unter Hitzewallungen leiden, sollten, so Jakob, nicht gerade zu Rot greifen, das stimulierend, aktivierend und aufregend wirkt und Unruhe verursachen kann. «Diese Farbsymbolik ist fest im Menschen verankert und lässt sich nicht einfach ausschalten», sagt sie.

Rosa beruhigt
Trotzdem nehmen wir tagtäglich unendlich viele verschiedene Farben wahr, ohne uns auch nur im Geringsten über ihre Wirkung Gedanken zu machen. Psychologen, Unternehmen, Inneneinrichter, Hotelketten oder Supermärkte jedoch nützen diese aus. «Das Orange im Firmenlogo von Coop oder Migros signalisiert Bewegung, Dynamik, die apricotfarbene Fassade des Restaurants regt schon auf dem Parkplatz den Appetit an, die blaue Polizeiuniform vermittelt Kompetenz und Seriosität, Passagierräume von Airbussen werden mit farbigem Licht bestrahlt, um den Jetlag zu vermindern», erklärt Brigitte Jakob. Dass Rosa eine beruhigende Wirkung hat, wissen die meisten spätestens seit 2010, als vier Arrestzellen im Bieler Polizeigebäude versuchsweise einen pinkfarbenenen Anstrich erhielten und sich die hitzigen Gemüter von eingesperrten Schlägern tatsächlich beruhigten, da Rosa einen besänftigenden Einfluss auf den Muskeltonus hat und die Muskelkraft in «kaugummifarbener» Umgebung deutlich abnimmt.

«1998 strich das Fussballteam der Universität von Iowa die Umkleidekabinen ihrer Gegner rosa, um deren Leistung negativ zu beeinflussen. Und es wirkte, denn kurz darauf wurde ein Gesetz erlassen, dass besagte, dass alle Umkleidekabinen in Sportarealen im gleichen Farbton gestrichen sein müssen», sagt Brigitte Jakob. Eine Erkenntnis, die sie und ihr Partner Claude Neuhaus, diplomierter Heimleiter und Coach, bereits 2003 an die Schweizer Gefängnisdirektoren vermitteln wollten, doch «damals hatte man nur ein müdes Lächeln für uns übrig.»
 

Buchtipps
  • Ingrid Kraaz Rohr: Farbtherapie. Nympenburger Verlag 2008, 10 Franken, ISBN: 978-3-485-01200-3.
  • Dagnar van Straten: Die geheimnisvollen Kräfte der Farben. Windpferd Verlagsgesellschaft 2003, 26 Franken, ISBN: 978-3-89385-343-4.
  • Eva Heller: Die wahre Geschichte von allen Farben. Lappan Verlag 1994, 26 Franken, ISBN: 978-3-89082-129-0 (Kinderbuch).

LINK: www.querberatung.ch
 

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