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Dampfmaschine

Erfunden hat er sie nicht

Am Sonntag jährt sich der Tod von James Watt zum 200. Mal. Zudem ist es heuer 250 Jahre her, dass der Schotte das Patent für seine Weiterentwicklung der Dampfmaschine erhielt, die erst deren industrielle Nutzung möglich machte.

James Watt im Jahr 1806, als er 70 Jahre alt wurde und längst ein berühmter Mann war. Wikipedia/National Portrait Gallery

Von Beat Kuhn

Auf die Frage, wer James Watt (1736-1819) war, würden viele im Brustton der Überzeugung sagen: «Das war der Erfinder der Dampfmaschine.» Einige hätten gar noch die schöne Anekdote auf Lager, wonach der Ausgangspunkt zu der Erfindung gewesen sei, dass ihn als Bub der Anblick eines kochenden Teekessels beziehungsweise die Frage, warum es dessen Deckel immer wieder lüpfe, dazu inspiriert habe. Die Sache hat nur einen Haken: Es stimmt nicht. James Watt ist nicht der Erfinder der Dampfmaschine, sondern hat diese lediglich weiterentwickelt. Ruhm gebührt ihm aber dennoch, denn erst sein Modell hat die industrielle Nutzung dieser Energie ermöglicht. Erst sie hatte genügend Power, eine Fabrikmaschine, eine Dampflokomotive oder ein Dampfschiff anzutreiben.

Das Patent für «seine» Dampfmaschine hat Watt am 5. Januar 1769 erhalten, also vor 250 Jahren. Und am 25. August 1819, morgen vor 200 Jahren, ist er gestorben. Gelegentlich wird zwar der 19. August als Todesdatum genannt, doch es sprechen massiv mehr Indizien für den 25. 2019 ist also ein doppeltes Gedenkjahr für James Watt.

Vorläufer des Dampfkochtopfs
Der Dampf, der aus erhitztem Wasser entsteht, braucht mehr Volumen als die entsprechende Menge Wasser. Darum kann es bei einem Teekessel den Deckel lüpfen: Dann entweicht jenes Volumen an Dampf, das im Teekessel keinen Platz mehr hat. Der Erste, der die grossen Kräfte entdeckte, die frei werden, wenn das Entweichen des Dampfes verhindert wird, war der Franzose Denis Papin (1647-1712). 1690 stellte er die erste Dampfmaschine vor, er ist deren wahrer Erfinder. Schon bei seinem Modell wurde durch Erhitzen von Wasser Dampf in einen Zylinder gepresst, wodurch ein Kolben bewegt wurde, der wiederum ein Rad drehte.

Übrigens hat Papin auch 1679 einen Vorgänger des Schnellkochtopfs erfunden: Beim sogenannten Papin’schen Topf konnte durch die Erzeugung unterschiedlicher Drücke die Siedetemperatur von Wasser beeinflusst werden. In einem heutigem Schnell- oder Dampfkochtopf können Lebensmittel bei höheren Temperaturen als der Normalsiedetemperatur – bei Wasser auf Meereshöhe 100 Grad Celsius – gegart werden. Dadurch verkürzt sich die Kochzeit. Die Erhöhung des Siedepunkts wird dadurch ermöglicht, dass sich im druckfest verschlossenen Topf ein erhöhter Druck aufbauen kann.

1698 fertigte der britische Ingenieur Thomas Savery (1650-1715) auf der Basis der Erfindung von Papin eine dampfbetriebene Vorrichtung, die das Abpumpen von Grundwasser in Bergwerken unterstützen sollte. Der praktische Einsatz war zwar noch nicht allzu rentabel, das Prinzip aber schon ausgeklügelt. 1712 perfektionierte der Konstrukteur Thomas Newcomen (1663-1729) dieses Prinzip und entwickelte die sogenannte atmosphärische Dampfmaschine, die schon sehr viel effizienter als jene von Savery war.

Als Handwerker an der Universität
James Watt wurde am 19. Januar 1736 als Sohn eines Konstrukteurs und Zimmermanns in Greenock, einer etwa 40 Kilometer von Glasgow entfernten Hafenstadt im Westen Schottlands, geboren. Da James in seiner Kindheit immer wieder kränkelte, wurde er die meiste Zeit von seinen Eltern unterrichtet. Bildung galt im Hause Watt generell als hohes Gut. Schon als Kind zeigte Watt ein starkes Interesse an der Funktionsweise von Geräten sowie an der Natur, und er soll auch eine ausgeprägte Fantasie gehabt haben. Eigentlich hätte er gerne Medizin studiert, doch eine Hochschulausbildung konnten sich die Eltern für ihn nicht leisten. Eine Mechanikerlehre brach er ab, weil sie ihn langweilte.

1757 erhielt Watt eine Anstellung als Handwerker an der Universität Glasgow. In einem kleinen Labor fertigte er verschiedene, vom wissenschaftlichen Personal gebrauchte Instrumente und Gegenstände an, zum Beispiel Kompasse. Durch sein umgängliches Wesen schloss der als bescheiden und liebenswürdig geschilderte Watt an der Universität viele Freundschaften mit Akademikern. Auch wurde sein Labor zu einem Anziehungspunkt für die Studenten. 1760 heiratete er seine Cousine und Jugendliebe, die wie er 1736 geborene Margaret Miller.

1764 erhielt Watt von der Universität den Auftrag, den damals vorhandenen Typus Dampfmaschine anhand eines Labormodells zu optimieren. Die Entwässerung der Stollen in Kohlebergwerken, die damals die Hauptanwendung der Maschine war, sollte noch effizienter geschehen können. Im Zuge der damaligen Arbeiten sowie später als selbstständiger Landvermesser und Erfinder vermochte Watt den Wirkungsgrad der Dampfmaschine durch verschiedene Änderungen markant zu steigern.

Erst er hat die Dampfmaschine so leistungsfähig gemacht, dass sie im grossen Stil genutzt werden konnte. Durch seine Optimierung wurde im 19. Jahrhundert die Industrialisierung möglich, für die kraftvolle Maschinen benötigt wurden. Schon zu seinen Lebzeiten waren fast 100 Textilfabriken in Grossbritannien und auf dem europäischen Kontinent mit Dampfmaschinen à la Watt ausgestattet. Dessen technischen Errungenschaften führten zu grossen Veränderungen in der Art der Produktion von Gütern und brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen ein. So wurde er unter anderem Ehrendoktor der Universität Glasgow und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris.

Erfinder des PS, Namensgeber des Watt
Überschattet wurde Watts berufliches Glück durch Todesfälle in seiner Familie: 1773 starb seine Frau Margaret bei der Geburt des sechsten Kindes, und von den gemeinsamen Kindern überlebte nur der 1769 geborene Sohn James. 1775 heiratete Watt Anne Macgregor. Als James Watt am 25. August 1819 in Birmingham starb, wurde er in der Saint Mary’s Church etwas ausserhalb der Stadt beigesetzt. Mit der Erfindung des Benzinmotors hat die Dampfmaschine später zwar an Bedeutung verloren. Aber für die Entwicklung der Zivilisation war Watts Schöpfung ähnlich wichtig wie das Rad oder der Buchdruck.

Um eine anschauliche Masseinheit für die Leistung von Dampfmaschinen zu haben, schuf Watt übrigens die Einheit Pferdestärke (PS), die ja bis heute Bestand hat. Sie sollte angeben, wie viele Pferde eine Dampfmaschine ersetzen kann. Es ist eine Ironie der Technikgeschichte, dass im internationalen Einheitensystem für die Leistung – den Energieumsatz pro Zeitspanne – heute aber eigentlich jene Masseinheit gilt, die nach dem grossen Schotten benannt ist: das Watt.
 

Stichwörter: James Watt, Dampfmaschine

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