Sie sind hier

Abo

Island

Im eisernen Griff der Naturgewalten

Spätestens seit dem Ausbruch des Gletschervulkans Eyafjallajökull im Jahr 2010 wissen wir, welche Kräfte auf Island schlummern. Wer das Land aus Feuer und Eis bereist, wähnt sich zuweilen auf einem anderen Planeten.

  • 1/20
  • 2/20
  • 3/20
  • 4/20
  • 5/20
  • 6/20
  • 7/20
  • 8/20
  • 9/20
  • 10/20
  • 11/20
  • 12/20
  • 13/20
  • 14/20
  • 15/20
  • 16/20
  • 17/20
  • 18/20
  • 19/20
  • 20/20
zurück

Sarah Zurbuchen

Der Pilot fliegt beim Landeanflug eine Extra-Schleife, die Island-Reisenden schauen gespannt nach unten. Zu sehen ist eine schwarze Steinwüste, so weit das Auge reicht. Mehr ist da nicht. Auch rund um den Flughafen Keflavik - in der Nähe der Hauptstadt Reykjavik - sehen wir nichts als bröckelige Ödnis. Eine leise Enttäuschung macht sich breit. Wo sind die Vulkane, wo die grandiosen Landschaften, die Island nachgesagt werden?

 

Es schwefelt

Was zu Beginn der Reise ins Auge und in die Nase sticht: Die meisten Häuser sind in Island rundum mit farbigem Wellblech ausgekleidet. Ausserdem riecht das warme Wasser aus dem Wasserhahn nach Schwefel. Ersteres sorgt für eine fröhlich-bunte Ansicht der beiden Städte Reykjavik und Akureyri. Und an die Schwefeldüfte sollte man sich rasch gewöhnen: Sie treten, je nach geografischer Lage und geologischen Besonderheiten, immer mal wieder aus Boden und Wasserleitungen.

Bereist werden hauptsächlich die Küstenregionen auf der Ringstrasse. Das Landesinnere ist bergig, von Gletschern bedeckt und bedingt ein geländetaugliches Fahrzeug. Beim Umrunden der Insel mit dem Mietauto begeben sich Touristen auf eine abwechslungsreiche Reise. Und um es vorweg- zunehmen: Wer grandiose Land-schaften erwartet, wird reichlich belohnt. Die Umgebung ist geprägt von Feuer, Eis, Wasser und den davon gezeichneten Landschaf-ten.

 

Mächtiges Gletschersystem

Die ungezähmten Naturgewalten zeigen sich am deutlichsten an der Südostküste Islands. Dieses Gebiet wird vom Vatnajökull be-herrscht, einem mächtigen Gletschersystem mit intensiver vulkanischer Tätigkeit und unberechenbaren Gletscherläufen. Der Gletscher bedeckt 8100 Quadratkilometer und ist damit fast so gross wie Korsika. Seine Zungen reichen zum Teil bis an die Ringstrasse hinunter, entsprechend kühl ist das Klima hier. In der Gletscherlagune Jökulsarlon schwimmen grosse Eisberge, die von der dahinterliegenden Gletscherzunge abgebrochen sind. Sie schimmern je nach Tageslicht hellblau oder rosa. Dunkle Streifen im Eis sind Zeichen früherer Vulkanausbrüche, es handelt sich um Ascheablagerungen.

Zwei Kraterseen unter dem Eis des gewaltigen Vatnajökull, Graenalon und Grimsvötn, zeigen von Zeit zu Zeit, wozu sie in der Lage sind: Die Seen füllen sich unter dem Einfluss der subglazial schwelenden Vulkane mit Wasser und sprengen die Eisdämme. 1996 brausten nach heftiger vulkanischer Tätigkeit 3000 Milliarden Kubikliter Wasser Richtung Meer und schwemmten sieben Kilometer der Ringstrasse weg.

 

Warme Bäder

Island liegt genau über der Naht-stelle zweier Kontinentalplattten, die auseinanderdriften. Dies erklärt den stetigen Aufruhr der Erde: Geschmolzenes Gestein aus dem Erdinnern wird durch Vulkane nach aussen geschleudert, kochendes Wasser sprudelt aus Geysiren und Thermalquellen. Die warmen Quellen sorgen im eher kühlen Island regelmässig für eine willkommene Abwechslung: In der blauen Lagune nahe dem Flughafen Keflavik, im Thermalbad bei Myvatn, in Naturquellen oder in vielen «Hot Tubs» der Hotels lässt es sich wunderbar entspannen.

 

Troll-Stadtpläne

Kälte und Hitze, Eis und brodelndes Wasser, Gletscher und Lava: Die Stimmung, die diese Gegensätze erzeugen, hat etwas Mystisches. In kaum einem anderen europäischen Land spielen Märchen und Sagen eine so grosse Rolle wie hier. Die Sagas, in denen historische Figuren mit Trollen und Riesen kämpfen, sind das Fundament der Kultur Islands. Elfen-Guides und Troll-Stadtpläne zeigen Touristen die Orte, an denen die Kobolde hausen. Es gibt sogar eine offizielle Elfenbeauftragte.

An versteinerte Trolle und Elfen erinnern die einzigartigen Lavaformationen in der Region Myvatn, die unbedingt einen Be- such wert ist. Die Dimmuborgir («dunkle Burgen») sind die Überreste eines Lavasees, dessen Damm nach der teilweisen Erkaltung brach, so dass die bereits erstarrten Teile als bizarre Formen zurückblieben. In der Nähe liegt auch das Solfatarengebiet Namaskard mit Erdspalten, aus denen Dämpfe austreten. Solfataren sind 100 bis zu 250 Grad Celsius heisse postvulkanische Austritte von Gasen. Die Schlamm- und Heissdampfquellen brodeln, der Schwefel hinterlässt seine Spuren - farb-lich und geruchlich.

Zu empfehlen ist eine Wanderung in den nahegelegenen aktiven Vulkanzonen Krafla und Leirnhnjukur. Abgesteckte Wege führen über erkaltete Lavafelder, welche sich bis zum Horizont erstrecken. Dampfende Erdspalten und schwarzer, aufgebrochener Boden so weit das Auge reicht: Ein extraterrestrisch anmutendes Erlebnis.

Wer sich nach dem irdisch-saftigen Grün von Bäumen sehnt (denn es gibt hier praktisch keine), dem sei der Botanische Garten von Akureyri empfohlen. Es ist der nördlichste Botanische Garten der Welt. Der 1912 eröffnete Park ist Balsam für solche, denen das Schroffe der Insel manchmal an der Seele kratzt.

 

Zurück beim Flughafen

Nach einer Woche ist das Auge für die Besonderheiten Islands sensibilisiert. Die Reise kommt einer Weiterbildung in Geologie gleich, etwa was die verschiedenen Arten von Lavafeldern betrifft. Und solche treffen Reisende auf Island immer wieder an, in den unterschiedlichsten Formen und Farben.

Die teils bis zum Horizont reichenden Flächen erinnern an garstige Mondlandschaften, scharfkantig und aufgeworfen. Bei anderen Lavafeldern denkt man an Schafe, die Kanten der erkalteten Lava durch dichten Moosbewuchs lieblich abgerundet. Und bei der Rückfahrt zum Flughafen realisieren wir: Der schwarze Geröllhaufen, der uns zu Beginn irritierte, ist nichts anderes als ein riesiges, erkaltetes Lavafeld.

 

Link: www.islandprotravel.ch

Nachrichten zu Vermischtes »