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Jugendliche und das liebe Geld

Kaufreizen zu widerstehen ist schwierig in einer Welt, in der sich alles um Konsum zu drehen scheint. Gerade auch Jugendliche können sich aber gut fühlen, wenn sie bewusst auf etwas verzichten.

Prominente wie der kanadische Sänger Justin Bieber, aber auch Werbung, prägen oft die Konsumwünsche der Jugendlichen. Bild: Keystone

von Vera Sohmer

Der zwölfjährige Jonas betrachtet es heute nüchtern. «Die 130 Franken hätte ich besser gespart», sagt er. Stattdessen wollte er unbedingt diese Converse-Turnschuhe, die klassischen «Chucks» in schwarz. Er hatte sie im Internet an Justin Bieber gesehen. Als er das Paar im Laden probierte, fühlte er sich toll.

Aber schon nach kurzer Zeit fand er die Turnschuhe affig. Seine Füsse sahen darin so gross aus, wenn er sie zu seinen schmalen Lieblingsjeans trug. Ihm war unwohl, «diese Latschen» länger anzuziehen. Er bat seinen Vater, sie im Internet anzupreisen. Bislang hat aber kein Interessent angebissen, obwohl Jonas den Preis schon zweimal nach unten korrigierte. «Ich muss das wohl als Verlust verbuchen», sagt er zähneknirschend. Er weiss, dass er ein paar Monate brauchen wird, bis der Geldbetrag wieder beisammen ist.

 

Zeichen gegen den Zwang

Trösten mag es Jonas kaum, aber: Fehl- und Spontankäufe können auch heilsam sein. Manchmal zeigen sie, dass der Artikel, den man um alles in der Welt haben musste, gar nicht so toll ist. Und Fehlkäufe und ihre Folgen machen resistenter gegen Anschaffungen, von denen man selber gar nie richtig überzeugt war.

Tipps für den Umgang mit Geld

Mehrere Portale bieten Jugendlichen und Eltern Tipps und notfalls Hilfe beim Umgang mit Geld.
www.heschnocash.ch : Das Projekt der Schuldenberatung Aargau-Solothurn bietet Modellbudgets und Antworten auf rechtliche Fragen.
www.asb-budget.ch : Eine kostenlose App hilft, das persönliche Budget zu planen.
www.kinder-cash.ch und www.potz-tuusig.ch : Unterlagen von Pro Juventute zum Erlernen der Finanzkompetenz.

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Die elfjährige Elina kann das bestätigen: «Als alle in meiner Klasse ein iPhone hatten, wollte ich unbedingt auch eines.» Aus lauter Sorge, sonst nicht mehr mitreden zu können. Also quengelte sie bei ihren Eltern so lange, bis diese einwilligten - unter der Voraussetzung, dass sie ein gebrauchtes Gerät kauft und die Hälfte dafür selbst bezahlt.

Inzwischen nutzt Elina das Ding selten und lässt es oft zu Hause liegen. Weil sie es «krank» findet, in jeder freien Minute fieberhaft und wie süchtig auf dem Gerät herumzutippen. Deutlich zu machen, dass sie das nicht braucht, findet sie «cool, irgendwie». Und ihre beiden besten Freundinnen machen es inzwischen auch so.

 

Ein Viertel macht Schulden

Sich dem Gruppendruck zu widersetzen, braucht Mut. Viele schaffen das auch im höheren Alter nicht. Es ist verführerisch, etwas zu kaufen und damit zu zeigen: Seht her, was ich Tolles habe. Denn es stabilisiert das Ego und erhöht den Sozialstatus. Die Schuldenberatung Schweiz bezeichnet diesen «demonstrativen Konsum» als eine der Hauptursachen dafür, dass Junge über ihre Verhältnisse leben. Ein Viertel der 16- bis 25-Jährigen macht hohe Schulden.

Ein weiterer Grund ist fehlende Finanzkompetenz. Wie mit Geld umzugehen ist, sollten Kinder so früh wie möglich lernen - diesen Ansatz verfolgen diverse Projekte und Online-Portale (siehe Infobox). Schon ab fünf Jahren könne man Kindern beibringen, wie sie echte Wünsche von suggerierten Wünschen der Werbung unterscheiden, sagt Pro-Juventute-Mitarbeiter Daniel Jenal (siehe Interview). In weiteren Schritten lernen Mädchen und Jungen dann, Geld einzuteilen, Prioritäten zu setzen, Ziele zu definieren sowie Reserven zu bilden.

Vernünftig mit Geld haushalten heisst auch: selektiv zu konsumieren. Sich aus dem schwindelerregenden Überangebot bewusst diejenigen Sachen herauszu fischen, die nützlich sind und über den schnellen Kaufkick hinaus Freude machen.

Jonas hat sich fest vorgenommen, für ein Notebook zu sparen. Mit seinen Eltern hat er abgemacht, dass er 250 Franken des Kaufpreises übernimmt. Ohne den Ausrutscher mit den Turnschuhen wäre er fast so weit gewesen.

 

Wie mit Kaufwünschen umgehen?

1. Argumentieren statt verbieten: Klamotten, Musikanlage, Spielkonsole - Mädchen und Jungen haben viele Wünsche, Eltern können und sollen nicht alle erfüllen. Aber: Nehmen Sie die Wünsche ernst, setzen Sie sich damit auseinander. Ab dem Schulalter sollte man mit Kindern über Anschaffungen diskutieren: Wozu wird das Handy gebraucht? Wäre kostenloses Telefonieren am PC eine Alternative? Welchen Geldbetrag kann das Kind selbst beisteuern? 2. Erklären Sie, warum Sie gegen bestimmte Artikel sind, zum Beispiel dass gegen Kriegsspielzeug ethische Gründe sprechen und gegen Zungenpiercing gesundheitliche.

3. Alternativen zeigen: Die ganz Kleinen können mit Argumenten noch nicht viel anfangen - ein zweijähriges Kind will etwas einfach haben, und zwar sofort. Hier können Eltern viel erreichen, indem sie Alternativen anbieten: «Das hier ist nichts für dich, aber schau mal das da, damit kann man...»

4. Widerstand aushalten: Zu glauben, dass Kinder Grenzen einfach akzeptieren, ist eine Illusion. Bei Interessenkonflikten schwingen heftige Gefühle mit: Ärger, Enttäuschung, Trotz und Wut, manchmal sogar Hass. Wichtig ist, den Widerstand auszuhalten, ruhig und sachlich zu bleiben.

5. Bedürfnisse spüren: Konsum ist oft ein Ersatz für Langeweile, fehlendes Selbstvertrauen oder innere Leere. Ist das Kind noch klein, braucht es viel Zeit mit seiner Bezugsperson: kuscheln, spielen, vorlesen. Im Schulalter werden bestimmte Artikel wichtig, etwa Markenkleider, weil Mädchen und Jungen dazugehören wollen. Das Gemeinschaftsgefühl können Kinder aber auch ohne Labels erleben, zum Beispiel im Mannschaftssport oder beim Musizieren.

 



Konsum: «Die Jungen entscheiden, was in ist»

Interview: Vera Sohmer

Daniel Jenal leitet bei Pro Juventute den Bereich Finanzkompetenz. Eigene Werte zu entwickeln, sei für Junge wichtig, um dem Gruppendruck zu entgehen.

Gibt es in der Schweiz immer mehr kaufsüchtige Junge?

Daniel Jenal: Das kann ich nicht bestätigen. Es sind nicht sehr viele Junge hoch verschuldet. Aber wir beobachten, dass sich die Situation durch kurzlebige Trends und deren Verbreitung über Soziale Medien verschärft hat.

Wie sehr lassen sich schon Kinder von Werbung beeinflussen?

Ab der Mittelstufe nimmt dieser Einfluss zu. Von Fernsehen und Zeitschriften verlagert er sich vermehrt auf das Internet und andere Massenmedien. Schliesslich bestimmen aber die Jungen selber, was in ist und setzen die Trends in ihrem direkten Umfeld.

Inwieweit spielt die Gruppe Gleichaltriger eine Rolle?

Diese Peer Groups waren schon früher beim Konsumdruck bedeutend und haben auch heute noch grossen Einfluss auf Junge. Sie entscheiden, ob jemand dazugehört oder Aussenseiter ist.

Wie können Junge sich diesen Einflüssen entziehen?

Indem sie Selbstbewusstsein entwickeln, herausfinden, was ihnen wichtig ist und lernen, zu ihren eigenen Werten zu stehen. Auch wenn das gerade unter Gruppendruck nicht immer einfach ist. Eltern können sie aber darin unterstützen, ihre Interessen zu entdecken. Zudem ist es wichtig, Kindern Zeit und Anerkennung zu schenken. Damit wird das Selbstvertrauen gestärkt. Fehlende Zeit mit Geschenken kompensieren zu wollen, ist hinsichtlich des Konsumverhaltens das falsche Signal.

Wieso ist es wichtig, Finanzkompetenz bereits im Schulalter zu lernen?

Weil man Verzicht oder die Fähigkeit, Belohnungen aufzuschieben, nicht von heute auf morgen lernt. Dahinter steckt ein Prozess, ein Erfahren und Erleben. Und natürlich gehört auch das Fehlermachen dazu.

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