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Studieren mit Kind

«Kinder sind ein Ansporn»

Studium, Job und Privates unter einen Hut zu bringen, ist schwierig. Und wenn Kinder dazu kommen, wird es umso komplizierter. Alles sei eine Sache der Organisation, sagen die Studenten Miriam Lenz und Theo Känzig. Ein Gespräch.

Miriam Lenz und Theo Känzig mit Nino: Beide haben Kinder – dennoch absolvieren sie ein Studium. copyright: tanja lander/bieler tagblatt

Interview: Rahel Staudenmann

Sie beide haben Kinder. Dennoch befinden Sie sich mitten im Studium. Wie machen Sie das?
Miriam Lenz (ML): Während des Semesters werden meine Kinder tageweise betreut. Im Moment sind es drei Tage. In diesen Tagen muss ich mein Pensum an der Uni und in meinem Job als Kulturredaktorin erfüllen. Es geht aber nie ganz auf, so dass ich meist am Abend arbeite.
Theo Känzig (TK): Meine Freundin ist freischaffende Tänzerin. So können wir es einrichten, dass unsere Pläne meistens aneinander vorbei gehen. Zudem haben wir ein super Umfeld mit Grosseltern, Paten und unseren Schwestern, die alle in Bern wohnen. Und wir leben mit zwei Familien zusammen in einer Wohngemeinschaft.
Die sich mit dem Hüten abwechseln.
TK: Ja. Eine Kita kommt für uns nicht in Frage. Auch weil meine Freundin und ich oft am Wochenende oder abends arbeiten.
Eine grosse Herausforderung.
ML: Klar ist immer Druck da. Sei es von der Uni oder vom Job her. Ich habe es aber immer irgendwie geschafft. Darum kann ich auch nicht sagen, dass es für mich die pure Überforderung ist, alles unter einen Hut zu bringen. Man muss das Leben strukturieren.
TK: Der Anfang meines Studiums war definitiv zeitintensiver als jetzt der Abschluss. So wie jetzt wäre es damals nicht gegangen. Aber da war mein Sohn noch nicht auf der Welt.
Geplant war aber schon, dass Sie als Vater weiterstudieren werden?
TK: Ich habe die Anmeldung zum Masterstudium mit meiner Partnerin besprochen und wir kamen zum Entschluss, es zu versuchen. Wenn es nicht funktioniert hätte, so wäre meine Priorität klar bei der Familie gelegen.
Wie war es bei Ihnen, Frau Lenz?
ML: Ich habe erst zu studieren begonnen, als ich schon Kinder hatte. Mir hat das «Kinderhaben» die Fähigkeit gegeben, den Alltag besser zu strukturieren. Man muss sich aber auch eingestehen, wenn es nicht mehr geht. Wenn ich es nicht schaffen würde, so würde ich das Studium abbrechen.
Und den Job?
ML: Der hat für mich nebst der Familie Priorität. Das Studium mache ich rein aus persönlichem Interesse. Natürlich möchte ich den Bachelor machen, ich bin aber nicht zwingend darauf angewiesen. Ich habe ja meinen Beruf.
Wie sieht es bei Ihnen als Musiker und Gitarrenlehrer aus, Herr Känzig?
TK: Mir hat das Studium zu vielen Kontakten verholfen. Auch ist es eine finanzielle Motivation, den Master zu machen. An der Musikschule werde ich zwischen 30 und 40 Prozent mehr verdienen.
Sie sprechen das Finanzielle an. Ein wichtiger Punkt.
ML: Ja. Ich habe meine vorherige Stelle aufgegeben, um den Fokus auf das Studium zu legen. Ein Jahr lang habe ich von den Reserven leben können und natürlich haben wir unser Haushaltsbudget angepasst. Längerfristig war es so aber nicht mehr tragbar, ausser ich hätte mich komplett von meinem Partner finanzieren lassen. Das ist aber nicht mein Ding.
Und heute?
ML: Er übernimmt wohl einen grösseren Teil der Miete und Kita. Für mich kommt es aber nicht in Frage, dass ich meinen Beitrag nicht auch leiste.
TK: Miriams Kinder sind älter und kosten somit mehr. Bei unserem jungen Sohn ist das momentan noch anders. Einzig können wir uns weniger Zeit für die Arbeit nehmen. Demnach verdienen wir etwas weniger. Ich darf aber sagen, dass wir keine Geldprobleme haben. Nicht zuletzt, weil wir in einer WG wohnen, kein Auto haben und eher günstig leben.
Müssen Sie auf persönliche Wünsche verzichten?
ML: Ich kann gut zurückstecken. In meinem harzigen Jahr, als die Reserven so gut wie weg waren und ich als freie Journalistin nur wenig verdiente, blieb aber wirklich nichts mehr für mich übrig.
War das schwierig für Sie?
ML: Für die Familie habe ich gerne auf vieles verzichtet. Jetzt bin ich aber schon entspannter, dass wieder Lohn reinkommt.
Können Sie zum Lernen die Ruhe und Konzentration aufbringen?
TK: Mit unserem Kind ist vieles professioneller geworden. Vor allem die Konzertproben. Aus Zeitgründen ist manchmal halt nur eine Probe möglich, die dafür strukturierter ist.
Ihr Sohn beeinflusst Sie positiv.
TK: Ja, auf jeden Fall.
ML: Ich kann nur zustimmen. Die Steigerung der Effizienz ist riesig. Ich glaube nicht, dass meine kinderlosen Mitstudenten viel konzentrierter bei der Sache sind.
Wie kann man dies vergleichen?
ML: Gerade weil ich weniger Zeit habe, bin ich speditiver. Da eben noch andere Sachen in einem gewissen Zeitraum erledigt sein müssen. Aber eben, man muss das wollen, sonst geht es nicht.
Und auch Chaos akzeptieren...
TK: (lacht) Ja, man lernt auf einem untergehenden Schiff zu lachen.
ML: Das kann ich auch gut. Es stört mich nicht, wenn nicht alles bis ins Äusserste perfekt ist. Viel wichtiger ist mir, meine Aufgaben so unter einen Hut zu bringen, dass ich zuverlässig bleibe und meine Sache gut mache.
So leiden die Leistungen nicht.
ML: Nein, überhaupt nicht.
TK: Man muss halt flexibel sein. Auf unserer Tour habe ich die Reisezeiten genutzt, indem ich diverse Arbeiten geschrieben habe.
ML: Schwierig wird es, wenn ein Kind krank ist und man unbedingt eine Vorlesung besuchen sollte...
Und was machen Sie dann?
TK: Wir haben bis anhin immer jemanden zum Hüten gefunden. Auch wenn der Plan der Hochschule mal kurzfristig geändert hat.
Oder das Kind mitnehmen.
TK: Hmm, an der Musikschule ist das eher schwierig.
ML: Ich war schon mal an einer Vorlesung, wo eine Studentin ihr Kind dabei hatte. Im äussersten Notfall bliebe ich wohl eher zu Hause als das Kind mitzunehmen.
Leiden Eure Partnerschaften?
TK: Die Gefahr besteht. Auch dass wir uns Nino gegenseitig in die Hände drücken und uns mit dem Hüten ablösen. Darum fixieren wir jeweils Tage, in denen wir uns nur für uns Zeit nehmen.
Das braucht es sicherlich.
TK: Ja. Wir haben auch schon extra jemanden zum Hüten engagiert, damit wir die Zweisamkeit geniessen und auch mal fein essen gehen können.
ML: Auch wir schieben uns unter der Woche, salopp gesagt, die Kinder hin und her. Dafür verbringen wir das Wochenende in der Regel als Familie zusammen.
Wo liegt konkret der Unterschied zwischen Mann und Frau beim «Studieren mit Kind»?
TK: Das ist zu Beginn, wenn das Kind auf der Welt ist. Da braucht es die Mutter mehr als den Vater. Meine Freundin arbeitet zur Zeit aber 60 Prozent und das nicht in Bern, da braucht es mich genau so.
ML: Ja, im ersten halben Jahr ist eine studierende Frau mit Kind eingeschränkter. Und eine Auszeit erforderlich, was bei Nicht-Studentinnen und berufstätigen Müttern aber nicht anders ist.
Kamen Sie mal an den Punkt, wo Ihnen alles zu viel war?
ML: Ja, das habe ich schon erlebt. Ich weiss aber nicht mehr genau, was der Auslöser dafür war. Am Ende spielt es auch keine Rolle. Äussern tut sich der Stress leider immer zu Hause bei der Familie.
TK: Ja. Ich wollte das Studium auch schon hinschmeissen.
Wie fängt man sich wieder?
TK: Versuchen, die Gedanken zu verdrängen und weiterzumachen.
ML: (lacht) schlafen...
Haben Sie Tipps für andere?
TK: Probieren. Und wenn es nicht geht, dann nichts erzwingen.
ML: Ja, auf jeden Fall probieren. Sofern es nicht gerade ein Medizinstudium ist (grinst).
TK: Schliesslich sollte man einfach Freude am Studieren haben und davon überzeugt sein...
ML: ...und wer Lust hat, kann im Leben so vieles machen. Kinder sind kein Hindernis, sondern ein Ansporn.

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Miriam Lenz
• Miriam Lenz ist 34-jährig.
• Gemeinsam mit ihrem Partner, Tochter Yan (9-jährig) und Sohn Béla (2-jährig) wohnt sie in Bern.
• Miriam Lenz erwartet im September ihr drittes Kind.
• Sie studiert in Luzern Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Soziologie.
• Nebst dem Studium arbeitet Miriam Lenz zu 50 Prozent als Kulturredaktorin.
• Sie ist die Patin von Theo Känzigs Sohn Nino.

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Theo Känzig
• Theo Känzig ist 34-jährig.
• Er wohnt mit Freundin und Sohn Nino (8 Monate) in Bern.
• Theo Känzig schliesst seinen Master in Musikpädagogik an der Hochschule der Künste Bern ab.
• Zu 30 Prozent arbeitet er als Gitarrenlehrer an der Musikschule Region Wohlen b. Bern.
• Theo Känzig spielt aktiv in verschiedenen Bands (u.a. Klischée).
• Seine Freundin ist die Patin von Miriam Lenz’ Sohn Béla.

 

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