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Freundschaft

«Meister der Versöhnung»

Erste Kameradschaften entwickeln sich im Kindergartenalter, doch sie verändern sich mit zunehmendem Alter. Im Erwachsenenalter schrumpft die Anzahl der Freunde, wie Studien zeigen.

Kleine Kinder pflegen Freundschaften, die sehr flexibel sind: Sie streiten zwar oft, versöhnen sich aber auch rasch wieder. Keystone

Rahel Mösch

Im Kindergartenalter entstehen erste Freundschaften: Max findet David toll, weil dieser auch so gerne Türme baut, und Sophie spielt gerne mit Marie, weil sie nebeneinander wohnen. Kinder bevorzugen bestimmte Spielkameraden und ziehen zum ersten Mal am gleichen Strick. Dauerhafte Verbindungen entstehen dabei aber selten.

 

«Immer noch befreundet»

Doch es gibt sie, die Sandkastenfreundschaften, die auch Jahrzehnte später noch halten - wie bei der 35-jährigen Anna Quinche aus Biel. Sie und ihre Freundin wohnten im selben Nidauer Quartier und besuchten den gleichen Kindergarten. Die gesamte Schulzeit bis zur Matura erlebten sie zusammen, erst dann trennten sich ihre Wege - aber nur beruflich. «Auch heute, fast 30 Jahre später, sind wir immer noch befreundet, sogar enger denn je. Und ich habe das Gefühl, unsere Freundschaft wächst stetig und entwickelt sich weiter», erzählt sie. Die Freundinnen sehen sich mehrmals pro Woche und verbringen ab und zu auch die Ferien miteinander.

Die deutsche Psychologin Maria von Salisch erforscht Kinderfreundschaften und sagt, dass Kinder den Begriff schon relativ früh, etwa mit drei bis vier Jahren, verwenden würden. Freundschaft bedeute aber zunächst einmal Nähe, nicht im psychologischen Sinne, sondern im Sinne von nahe wohnen und oft spielen. Freunde seien nett. Und wenn jemand mal nicht nett sei, dann könne er logischerweise kein Freund sein. Aber das ändere sich schnell wieder. Gerade junge Kinder seien «Meister der Versöhnung».

 

Jugendliche: sieben Freunde

Ab etwa der 2. Klasse können Mädchen und Knaben immer besser auf Kollegen eingehen. Etwas später vertrauen sie ihnen auch ihre Gedanken und Gefühle an. Die Bindungen werden enger und beständiger: Im Jugendalter werden aus Spielkameraden Vertrauenspersonen.

Sieben Freunde haben Jugendliche im Schnitt, drei davon bezeichnen sie als sehr gute Freunde (solchen, denen man ein Geheimnis anvertrauen würde). Dies das Ergebnis einer Umfrage unter 12- bis 19-jährigen Schülerinnen und Schülern in der Schweiz (James-Studie 2012; Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften).

96 Prozent kennen ihre Gefährten aus der Schule, 65 Prozent durch andere Freunde. Je 54 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie ihre Freunde über einen Verein oder Sportklub kennengelernt haben bzw. aus der Nachbarschaft kennen. Bei der Freizeitbeschäftigung (ohne Medien) steht bei den Schweizer Jugendlichen das Treffen mit Freunden an erster Stelle, vor Sport treiben. Ältere Jugendliche treffen sich viel häufiger mit ihren Freunden als jüngere, unternehmen dafür weniger mit der Familie.

Während kleine Kinder zwar oft streiten, sich aber rasch wieder versöhnen, gibt es im Schul- und Jugendalter manchmal Unausgesprochenes, das zu Missverständnissen führt. Und je länger darüber nicht gesprochen wird, desto weniger Kontakt hat man. Auch bei Anna Quinche gab es eine Phase, in der ihre Freundschaft auf Eis gelegt wurde: Im Gymer herrschte während etwa eines Jahres fast Funkstille zwischen den beiden - obwohl sie in die gleiche Klasse gingen. Diese Zeit war sehr belastend für die 35-Jährige, es habe eine Spannung geherrscht und beide hätten lange nicht darüber gesprochen - bis zu dem Moment, als die ganze Klasse bei einer Lehrerin zum Essen eingeladen war: «Ich kann mich noch gut an unsere Aussprache erinnern, es war wie ein Knoten, der sich löste - ich war sehr erleichtert.»

 

Freundschaft auf Probe

Verändert sich etwas im Leben, verändert sich oft auch der Bekanntenkreis: Durch einen Umzug in eine andere Stadt, eine neue Liebe, eine Heirat oder Scheidung, Kinder kriegen oder einen neuen Job zerbrechen alte Freundschaften und neue kommen hinzu. Nicht aber bei Anna Quinche: Ihre Freundin zog für ein paar Jahre ins Ausland, die Freundschaft zerbrach nicht: «Es war wie früher, als sie wieder zurück kam.»

Psychologin Cornelia Wrzus von der Universität Mainz hat mit ihren Forschungskollegen in der Studie über Freundschaft (befragt wurden Menschen aus rund 30 Ländern) folgende Erkenntnis gemacht: Obwohl wir immer wieder neue Menschen kennenlernen und dabei auch neue Freunde finden, schrumpft mit den Jahren der Freundeskreis.

 

Freunde werden weniger

Ab durchschnittlich 25 Jahren verlieren Menschen Freundschaften. Übrig bleiben im Alter nur noch wirklich nahestehende Menschen, oft sind das Familienangehörige oder sehr enge Freunde.

Neue, langjährige Freundschaften sind aber auch nach 30 nicht ausgeschlossen. So erzählt ein Ipsacher, dass er einen sehr guten Freund erst mit 37 Jahren kennengelernt hätte. Denn wie heisst ein bekanntes Sprichwort: «Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein» (Ralph Waldo Emerso).

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