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Gemüse

5000 temporäre Seeländer

Mehrere tausend Kurzarbeiter reisen jeden Frühling ins Seeland, um den Gemüseproduzenten bei der Pflege der Kulturen zu helfen. Wohnraum für die Erntehelfer zu finden, wird immer schwieriger.

Spargeln ernten, Karottenfelder jäten, Kohl anpflanzen: Ohne die gut 5000 Erntehelfer hätten Seeländer Bauern ein Problem. Bild: Adrian Streun/a

Lotti Teuscher

Seit vielen Jahren reisen sie im April in die Schweiz: die Kurzaufenthalter, die den Gemüseproduzenten helfen. Beim Säen, bei der Pflege der Kulturen und schliesslich beim Ernten. Sie kommen aus Portugal, Spanien oder Polen, aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, aus Rumänien, Tschechien oder Ungarn. Früher nannte man sie Saisonniers, heute sind sie Kurzaufenthalter.

Rund 10 000 Personen haben die Seeländer Landwirte angestellt, gut 5000 von ihnen sind Kurzaufenthalter. Manche Landwirte brauchen nur einen Helfer, Grossbetriebe stellen bis zu 60 Kurzaufenthalter ein. Die kleine Gemeinde Brüttelen etwa, mit nur 560 Einwohnern, beherbergt während der warmen Jahreszeit 50 bis 60 Kurzaufenthalter.

Doch wo leben die Saisonniers, die zu tausenden ins Seeland reisen? «Viele Landwirte haben auf ihren Höfen Wohnraum geschaffen», sagt Niklaus Martin, Gemeindepräsident von Brüttelen.

Dies bestätigt Thomas Wyssa, Gemüseproduzent aus Galmiz und deren informeller Sprecher. Die Landwirte bauen ihre Remisen um zu Wohnungen mit mehreren Zimmern, Küche und Bad. Denn anders als beispielsweise in Spanien werden Saisonniers in der Schweiz gut untergebracht.

Doch es wird immer schwieriger, Wohnraum für sie bereitzustellen. Grund ist das Raumplanungsgesetz, das seit seit etlichen Jahren vorschreibt, wie viel Wohnraum es auf einem Hof in der Landwirtschaftszone geben darf.

Angst vor Nachbarn

Von der Gesetzgebung betroffen ist das Landwirtehepaar Marcel und Monika Meier*. Zwar hat es ein Baugesuch gestellt, um in der Remise Wohnraum zu schaffen, das Gesuch ist aber vorsichtig und zurückhaltend formuliert: Das Paar hofft, dass dies die Chance für eine Bewilligung steigert.

«Die Bauernhöfe im Kanton Bern haben ein riesiges Volumen, dennoch dürfen wir nicht selber entscheiden, wie viel Wohnraum wir möchten», ärgert sich Monika Meier. Meiers befinden sich in einem Dilemma: Zwar könnten sie beantragen, dass die Landwirtschaftszone, in der ihr Hof steht, in eine Wohnzone umgewandelt wird; die Gemeinde wäre daran interessiert. Die Remise in eine Wohnung umzubauen, wäre in diesem Fall kein Problem.

Doch das Paar befürchtet, dadurch vom Regen in die Traufe zu kommen. «Wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft Wohnhäuser gebaut werden, beschweren sich die neuen Nachbarn wegen der Emissionen unseres Hofs», sagt Monika Meier. Über den lauten Traktor, die Gerüche aus dem Stall, über den krähenden Hahn. Streit mit den potenziellen Nachbarn will das Paar unbedingt vermeiden.

Viel Handarbeit fällt auf dem Hof Biogemüse Maurer + Co. in Diessbach an, entsprechend hoch ist der Personalbedarf während der Hauptsaison. Karottenfelder zum Beispiel werden von Hand gejätet statt mit Herbizid besprüht. Momentan arbeiten elf Personen auf dem Hof, im Sommer werden es bis zu 20 sein. Das Ehepaar Maurer stellt Bulgaren, Rumänen und Slowaken ein, denn: «Mit diesen Leuten haben wir gute Erfahrungen gemacht», sagt Lucy Maurer.

Wohnungen mieten

Die Kurzaufenthalter leben auf dem Hof und werden dort auch von einer eigens dafür eingestellen Köchin verpflegt. Zusätzlichen Wohnraum zu schaffen war für das Ehepaar im Gegensatz zu Meiers nie ein Problem: Der Hof befindet sich nicht in einer Landwirtschaftszone.

Wiederum anderen Landwirten bleibt gemäss Wyssa nichts anderes übrig, als Wohnungen für ihre Kurzaufenthalter zu mieten. Da aber kaum Wohnungen für drei bis sechs Monaten vermietet werden, bezahlen sie während des ganzen Jahres Miete – selbst wenn die Wohnungen leer sind. Die Kosten dafür können sie nicht auf die Käufer überwälzen. Entgegen kommt den Bauern hingegen, dass sie vermehrt auch von August bis März Saisonniers brauchen, zum Beispiel, um den Feldsalat in den Treibhäusern zu schneiden. Dies hilft, die Wohnungen etwas besser besser auszulasten.

* Namen geändert

Ausweis L

• Kurzaufenthalter sind Ausländer, die sich befristet, in der Regel für weniger als ein Jahr, für einen bestimmten Aufenthaltszweck mit oder ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz aufhalten.

• EU-25/EFTA-Angehörige haben einen Anspruch auf Erteilung dieser Bewilligung, sofern sie in der Schweiz ein Arbeitsverhältnis zwischen drei Monaten und einem Jahr nachweisen können.

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