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Protektionismus

Am Schluss profitiert doch bloss China

Ein visionärer US-Präsident wäre für Chinas Regierung weit gefährlicher als Donald Trump, schreibt eine chinesische Ökonomin. Es reiche, sein Ego zu befriedigen und ihm Scheinerfolge zuzubilligen.

Handelsgespräche mit China: Die Strategie der USA könnte nach hinten losgehen. Bild: Keystone

Markus Diem Meier

Im Handelskrieg zwischen China und den USA zeichnet sich eine Entspannung ab. Weil sich die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern im Interesse der USA entwickelt hätten, habe er die zuvor verhängte Gnadenfrist verlängert, teilte US-Präsident Donald Trump per Twitter mit. Auf den 1. März hat er zuvor eine Erhöhung der Zölle auf 25 Prozent auf Importe aus China im Umfang von 250 Milliarden Dollar angekündigt, sollten sich die Verhandlungen nicht in seinem Sinn entwickeln. Aktuell belasten die USA diese Importe mit Zöllen von 10 bis 25 Prozent.

Doch zeichnet sich tatsächlich ein US-Sieg ab? Die an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessorin Keyu Jin ist vom Gegenteil überzeugt: «Der Handelskrieg mit Amerika ist ein strategisches Geschenk an China» lautete der Titel einer Kolumne, welche die Chinesin für die britische «Financial Times» verfasst hat. In einem Interview mit dem Weltwirtschaftsforum von letzter Woche untermauert sie ihre Einschätzung.

Jin, die an der renommierten US-Universität Harvard studiert hat und auch im Verwaltungsrat des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont sitzt, schreibt von einer raffinierten Vorgehensweise der Chinesen: «Indem China seine Position etwas anpasst und einige Konzessionen gegenüber den USA eingeht, verhindert das Land einen schlimmeren Konflikt», schreibt Jin.

Billige Kompromisse
Über die Verhandlungen ist durchgesickert, dass China etwa beim Schutz des geistigen Eigentums den USA entgegenkommen wird. Auf seiner fortgeschrittenen Entwicklungsstufe sei China selbst immer mehr daran interessiert, Wissen zu schützen, erklärt Keyu Jin: «Die Kompromisse sind täuschend, weil sie mit der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung Chinas vereinbar sind.» Bekannt geworden ist auch, dass China offenbar seine Währung zum Dollar stabil halten soll. Auch das ist im Interesse von China. Und wenn das nicht mehr der Fall sein sollte, wird sich das Land kaum daran halten, sonst würde es seine unabhängige Geldpolitik opfern und sich von jener der US-Notenbank abhängig machen.

Weiter wird China sich wohl auf Importe von US-Gütern etwa aus der Landwirtschaft verpflichten, doch das von den USA beklagte Handelsbilanzdefizit gegenüber China wird das nicht beseitigen, denn das hat weniger mit China zu tun, als mit dem Umstand, dass die USA das Kapital aus der ganzen Welt anziehen. Insgesamt hat China laut Keyu Jin im ersten Halbjahr 2018 zum ersten Mal seit Jahrzehnten mehr aus der Welt eingekauft, als in diese exportiert. Die aggressive US-Politik gegenüber China hat gemäss der Ökonomin den umgekehrten Effekt des Angestrebten: Das Land werde dadurch nur stärker, auch weil es sich sehr viel stärker auf die eigene Wirtschaft und auf die eigenen Technologien und Innovationen abstützt. «Manchmal ist es besser, in Handelsverhandlungen zu verlieren als zu gewinnen», schreibt Jin. China nütze überdies, dass der Streit über die Handelspraktiken und das geistige Eigentum die Aufmerksamkeit vom tieferen und weniger lösbaren Konflikt zwischen den beiden Mächten ablenkt: «Dieser Konflikt betrifft das Machtstreben von China, sein Entwicklungsmodell und das Herausfordern der amerikanischen Vorherrschaft.»

Ganz generell profitiere China von der Präsidentschaft Donald Trumps, schreibt die Professorin. «Er ist ein Deal-Macher, der zufrieden ist, wenn es so scheint, als ob er gewonnen hätte.» Der grösste Albtraum für China wäre ein starker, visionärer US-Präsident mit Überzeugungsmacht, der auf die moralischen Prinzipien des Westens pochen würde, schreibt sie. Indem Trump den bisherigen Alliierten mit offener Verachtung begegnet, erschwert er neue Allianzen und Handelsabkommen im westlichen Lager.

Deshalb sei es im Interesse Chinas, dafür zu sorgen, dass Trumps Ego befriedigt wird. Die einzige Herausforderung für das Land besteht laut der Ökonomin darin, auf die eigene Bevölkerung nicht als zu schwach im Umgang mit dem Rivalen USA zu wirken. Das Auftreten der USA habe bereits den Nationalismus in China befeuert, und das sei ein sehr gefährlicher Trend.

Ernüchterung in den USA
Keyu Jin steht mit ihrer Einschätzung nicht alleine da. Amerikanische Interessenvertreter kommen zu ähnlichen Schlüssen: In einem Blogbeitrag schreibt die Lobbyistin und Beraterin der US-Landwirtschaft, Michelle Klieger: «Um es mit China aufzunehmen, muss man seine Hausaufgaben machen, denn China ist immer vorbereitet und wird nicht handeln, bis es das beste Geschäft für sich herausholen kann.»

Das Vorgehen des US-Präsidenten sei jenem der Chinesen deutlich unterlegen. Die Konzessionen der Chinesen würden zwar für Schlagzeilen sorgen, schreibt Klieger, «aber sie kosten China nichts». Trump habe mittlerweile realisiert, dass sein Handelskrieg auf der Börse lastet. Und weil er die Kurse dort als Barometer für seinen Erfolg betrachtet, sei er jetzt an raschen Kompromissen interessiert. Der vernichtende Schluss der Landwirtschaftslobbyistin: «Die Verlierer sind die amerikanischen Unternehmen, die Trump beschützen wollte, als er den Handelskrieg losgetreten hat.»

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