Sie sind hier

Abo

Biel

Auf Bieler Rädern gewinnen die Besten

Der Velokomponentenhersteller DT Swiss ist zuletzt vor allem in Polen stark gewachsen, hat aber auch in Biel Investitionen in Millionenhöhe getätigt. Produktchef Daniel Berger ist zuversichtlich, im zunehmend kompetitiven und komplexen Markt bestehen zu können.

Daniela Ryf hat dieses Jahr den Ironman-Thriathlon auf Hawaii mit Material von DT Swiss gewonnen. zvg
  • Dossier

Tobias Graden

Um zu verstehen, mit welchen Herausforderungen sich Produktechef Daniel Berger und mit ihm das ganze Unternehmen DT Swiss im derzeitigen Umfeld konfrontiert sieht, ist ein Vergleich von zwei Zahlen dienlich: Im Jahr 2007 führte DT Swiss etwa 20000 Artikelnummern. Heute, zehn Jahre später, sind es 50000. Das heisst: DT Swiss stellt heute mehr als doppelt so viele Einzelteile her.
Es ist nicht so, dass DT Swiss die Produktepalette dermassen spektakulär ausgeweitet hätte. Das Bieler Unternehmen, das in den 90er-Jahren aus den ehemaligen Vereinigten Drahtwerken heraus entstanden ist, stellt nach wie vor Laufräder und die entsprechenden Einzelkomponenten sowie Dämpfer und Federgabeln her. Die Ausweitung der Artikelpalette ist vielmehr der Entwicklung des Marktes geschuldet. Sie zeigt, wie stark die Segmentierung im Fahrradbereich vorangeschritten ist. Während es zu DT-Gründungszeiten grob gesagt einfach Mountainbikes, Rennräder und Alltags- und Tourenvelos gab, so findet sich heutzutage für praktisch jeden Einsatzzweck der spezifische Velotyp. Und innerhalb der einzelnen Segmente haben sich diverse technische Standards, die für DT Swiss relevant sind, ausdifferenziert. Bei den Mountainbikes beispielsweise gibt es mittlerweile nicht nur verschiedene Radgrössen, sondern auch mehrere Einbaubreiten auf dem Markt. Will die Bieler Firma breit präsent sein, muss sie für jedes Mass Lösungen anbieten, auch weil manche Hersteller bei der Adaption neuer Standards rascher agieren als andere oder sich durch die Einführung selber entwickelter Masse differenzieren wollen. «Dank einer ausgeklügelten Logistik können wir das handhaben», sagt Daniel Berger, «aber ich hoffe schon, dass sich die Branche auf einige wenige Masse wird einigen können.»

Wachstum dank Elektroboom
Natürlich bieten diese Entwicklungen für DT Swiss auch grosse Marktchancen: «Wir haben viel in den elektronischen Datenaustausch und in die Logistik investiert», sagt Daniel Berger, «so können wir die Lösung, die der Kunde braucht, rasch anbieten.»Bei Rennvelos zum Beispiel unterscheidet man heutzutage zwischen den Kategorien Aero (Triathlon- oder Zeitfahrräder), Performance (Velos für den sportlichen Einsatz), Endurance (Velos, die eher auf Komfort und für lange Distanzen ausgerichtet sind), Cross (der sportliche Bereich von Radquer), Gravel (der Tourenbereich von Radquer) und Track (Bahnradsport).
Nun bietet DT Swiss alleine für die Aero-Kategorie Laufräder in vier Versionen an, die sich in der Felgenhöhe unterscheiden – und jedes Rad gibt es dabei noch für Scheiben- sowie für Felgenbremsen.
Daniel Berger geht davon aus, dass im Bereich der Elektrovelos eine Ausdifferenzierung ähnlichen Ausmasses auch noch kommen wird. So, wie der Elektroboom derzeit die ganze Branche treibt, sorgt er auch für Wachstum bei DT Swiss. Überhaupt kommt der Firma der gestiegene Stellenwert des Velos in den letzten Jahren zugute: Mehr Kunden sind bereit, viel Geld für ein Velo auszugeben. Und je hochwertiger ein Velo, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass daran Teile von DT Swiss verbaut sind. Das günstige Massengeschäft wird von den Bielern nämlich nicht betrieben.

Konkurrenz: Autoindustrie
Schon länger vorbei ist allerdings auch die Zeit, als alle Komponenten mit dem Namen DT Swiss auch in der Schweiz hergestellt wurden. Die Firma hat sich globalisiert und hat neben Biel Standorte in den USA, in Taiwan und in Polen. Letzterer ist der jüngste, er ist 2007 in Betrieb genommen worden. Heute sind dort 250 Personen mit dem Laufradbau beschäftigt, das Werk wächst weiter. 7500 Laufräder werden pro Woche montiert, die Kapazität beträgt 10000. Der Kostenvorteil ist dabei nur ein Faktor, der überdies zunehmend geringer wird: Oborniki liegt in der Nähe von Posen, und dort hat sich in den letzten Jahren auch die Autoindustrie ausgebreitet. «Das Lohnniveau steigt an», sagt Berger, «und es wird bereits wieder schwierig, gutes Personal zu rekrutieren.» Wichtig ist aber auch die Nähe zum deutschen Markt. Zahlreiche grosse Marken haben in den letzten Jahren zumindest die Montage ihrer Fahrräder von Asien wieder nach Europa zurückgeholt, und da DT Swiss den grossen Teil des Geschäfts nicht im Nachrüstmarkt, sondern als Erstausrüster macht, ist ein Standort in Polen von Vorteil.

Galvanik-Anlage aufgebaut
Daniel Berger stellt aber klar:«Der Hauptsitz in Biel ist für uns von ungebrochener Relevanz, und wir investieren auch hier.»Zum Beispiel in eine Galvanik-Anlage:Alle Speichen, die verjüngt sind (sie haben einen variablen Durchmesser), werden in Biel produziert und nun auch inhouse geschwärzt. Eine Million Franken hat DT Swiss dafür aufgewendet.
Das neueste Gerät steht auch im Testlabor. Hier werden eigene Produkte, aber auch jene der Konkurrenz auf Herz und Nieren geprüft. Die Qualität ist ein wichtiger Faktor, um auf dem Markt Erfolg zu haben und gute Preise lösen zu können. Denn Laufrad-Marken gibt es wie Sand am Meer, praktisch wöchentlich tritt eine neue auf den Markt und verschwindet auch wieder. In die gleiche Richtung zielt die Kooperation mit dem Schweizer Unternehmen Swiss Side. Dieses ist zwar auf dem Laufrad-Markt auch ein Mitbewerber (wenn auch ein Kleiner), verfügt durch die Sauber-Vergangenheit seines Gründers aber über wichtige Kompetenzen in der Aerodynamik. DT Swiss kann so seine Modelle im Windkanal testen.

Neue Federgabeln kommen
Für den Hobbyradler ist es zwar unerheblich, ob er dadurch ein kleines bisschen Energie spart. Bei Profis aber kommt es auf jedes Detail an. Und dass DT Swiss auf allerhöchstem Level bestehen kann, zeigt beispielsweise der Sieg von Daniela Ryf am Ironman in diesem Jahr: Die Triathletin hat Laufräder aus Biel verwendet. Diese werden wie andere hochwertige Exemplare und Kleinserien in Biel gebaut: Die Abteilung «Biel Performance Manufacturing» ist auch eine noch junge Investition.
Nachdem DT Swiss nun den Bereich Laufräder samt Corporate Design und Marketing neu aufgestellt hat, gilt der nächste Entwicklungsschritt dem Bereich Suspension. Was Federgabeln und Dämpfer betrifft, so ist es zuletzt nämlich still geworden – nur noch wenige Produkte werden angeboten. Daniel Berger verspricht eine Offensive für den Modelljahrgang 2019, die Produkte werden nächsten Sommer vorgestellt.
So ist man bei DT Swiss zuversichtlich, im hochkompetitiven Umfeld weiter gedeihen zu können. Unspektakulär, aber weiterhin unabhängig.

Nachrichten zu Wirtschaft »