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Studen

Autos kommen wieder per Bahn

Über 20 Jahre ist der Gleisanschluss beim Autolagerplatz in Studen brachgelegen. Nun fahren wieder Züge:
Die Logistikfirma Cotra setzt auch auf die Bahn.

Bild: Manuel Lopez

Stephan Künzi

Wie ein Tatzelwurm schlängelt sich der Zug über die Weichen der Gleisanlage beim grossen Autolagerplatz in Studen. Bis zu 4000 Neuwagen aufs Mal fasst das 175 000 Quadratmeter grosse Areal. Fahrzeuge allen voran der Marken Opel und Skoda warten hier darauf, den letzten Schliff für den Verkauf zu bekommen und dann an die Händler in der Schweiz ausgeliefert zu werden.

Opel hat eine lange Geschichte auf diesem Platz. Davon zeugt noch heute das Signet mit dem waagrechten Blitz, das unübersehbar am Kamin des bald 50-jährigen Industriebaus prangt: Der einst deutsche, später amerikanische und heute französische Autobauer betrieb ab 1966 in Studen ein grosses Lager- und Auslieferungszentrum. Als Ergänzung zu seinem Montagewerk in Biel, das bis 1975 in Betrieb war.

Diese Zeiten sind allerdings längst Vergangenheit – genauso, wie es die Autoanlieferungen mit der Bahn bisher auch waren. Seit zehn Jahren gehört das Gelände dem Logistikunternehmen Cotra Autotransport AG, das seinerseits Teil der Firmengruppe Lagerhäuser der Centralschweiz AG in Aarau ist.

 

Eine der grössten Anlagen der Schweiz

Umso gespannter warten nun an diesem späten Nachmittag die Anwesenden darauf, dass sich endlich mal wieder ein Zug durch die Gleisanlage schlängelt. Zehn Eisenbahnwagen mit rund 100 Autos einer neuen Marke schiebt die Diesellok der SBB an die Rampe, über die tags darauf Fahrzeug um Fahrzeug auf den Platz rollen wird. Nochmals zehn Eisenbahnwagen werden noch am selben Abend folgen.

Der letzte Zug mit Autos sei Ende der 90er-Jahre in Studen angekommen, erzählt Martin Furrer, der als ehemaliger Chef der Cotra Autotransport AG beim grossen Moment zugegen ist. Die Bahntransporte hätten allerdings schon vorher stetig abgenommen: «In den besten Zeiten importierte Opel 90 Prozent der Fahrzeuge auf der Schiene. In Studen kamen jeden Tag Autozüge an.»

Die grosszügige Anlage mit ihren vier Gleisen zeugt noch heute davon. Sie gilt als die grösste ihrer Art im ganzen Land.

Warum die Bahn beim Autoimport derart an Terrain ver-loren hat? Jetzt redet Remo Sollberger, der aktuelle Betriebsleiter in Studen. Er erinnert daran, dass noch vor wenigen Jahrzehnten in weit weniger und dafür umso grösseren Werken produziert worden ist. Damit kamen auch für einen kleinen Markt wie die Schweiz an einem Ort so viele Fahrzeuge zusammen, dass sich ein Zug füllen liess und der Bahntransport rentabel war.

 

Tiefe Kosten für den Transport auf der Strasse

Heute dagegen, so Remo Sollberger weiter, werde viel dezentraler produziert. Die Folgen seien kleinere Mengen, und diese liessen sich auf der Strasse viel besser, sprich viel flexibler, von Land zu Land bringen.

Dazu kam, dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Kosten für den Strassentransport spürbar sanken. Plötzlich waren auch in Westeuropa Logistikfirmen aus dem Osten unterwegs, die wegen der viel tieferen Löhne viel günstigere Preise offerieren konnten. Eine Rolle spielte auch, dass bei den Bahnen der Personenverkehr immer dichter wurde und auf den Scheinen weniger Platz für die Güter blieb.

Auf der Gleisanlage sind die ersten zehn Eisenbahnwagen zum Stehen gekommen, in der gleissenden Nachmittagssonne sind die Autos von weitem nur schemenhaft zu erkennen. Remo Sollberger kann es nur recht sein. Die neue Marke dürfe in der Öffentlichkeit weder genannt werden noch als solche erkennbar sein, sagt er. Der Produzent wünsche dies ausdrücklich so.

Immerhin so viel wird dann im Gespräch doch noch klar: Künftig wird ein Grossteil der Autos dieser Marke über Studen in die Schweiz importiert. Die Fahrzeuge werden zuvor in Übersee zusammengebaut, per Schiff nach Belgien verfrachtet und dort in einem Hafen gesammelt. Der Zug in Richtung Schweiz fährt erst los, wenn genügend Stück zusammengekommen sind. In diesem Zusammenhang weist Remo Sollberger auf einen allgemeinen Trend in der Branche hin. Er erklärt, dass in Zeiten intensiver Diskussionen über den Klimaschutz der Bahntransport wieder vermehrt ein Thema ist. Vorab wohl aus Marketinggründen – die Umweltbelastung beim Import fällt, bezogen auf das lange Leben eines Autos, jedenfalls kaum ins Gewicht.

 

Einer oder zwei Züge
pro Woche

Für die nächsten Monate rechnet Remo Sollberger mit einem bis zwei Autozügen pro Woche. Weil bei Opel und Skoda, den alten grossen Marken, alles beim Alten bleibt, wird der Hauptharst der importierten Fahrzeuge auch in Zukunft mit dem Lastwagen nach Studen gebracht.

«Letztlich bestimmt der Produzent, auf welchem Weg die Autos ins Land kommen», stellt er zum Schluss klar. Um gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass Cotra den Glauben an den Bahntransport nie verloren hat: «Wir haben die Gleisanlage stets betriebsbereit gehalten und wenn nötig dafür auch Geld ausgegeben.»

Zwischenzeitlich habe man sie als Abstellort für Güterwagen vermietet. Doch die Einnahmen aus diesem Geschäft hätten den Aufwand nur zum Teil gedeckt.

 

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So verschieden ist die Rolle der Bahn

Das Geschäft mit den Autoimporten teilen sich schwergewichtig vier Unternehmen. Neben der Cotra Autotransport AG betreibt auch die Galliker Transport AG als Logistikfirma einen Lagerplatz für Drittfirmen, die Autos importieren. Er befindet sich am Firmensitz im luzernischen Altishofen und verfügt ebenfalls über einen Bahnanschluss.

Die Situation ähnelt jener bei Cotra in Studen: Die Autos werden grösstenteils auf der Strasse angeliefert, die Bahn kommt nur gelegentlich zum Einsatz.

Anders präsentiert sich die Situation bei der Amag- und bei der Emil-Frey-Guppe. Beide Unternehmen importieren ihre Autos selbst und betreiben auch eigene Lagerplätze, Amag im Birrfeld im Kanton Aargau, Emil Frey in Safenwil im Kanton Aargau, in Härkingen im Kanton Solothurn sowie in Courgenay im Kanton Jura. Bei beiden Konzernen spielt die Bahn eine wesentliche Rolle. Amag schreibt, dass «deutlich über die Hälfte» aller Fahrzeuge mit der Bahn in die Schweiz gebracht würden, bei Emil Frey sind es über alles gesehen sogar rund 60 Prozent. Am Standort Safenwil beträgt der Anteil nach den eigenen Angaben gar 85 Prozent. Bei der Feinverteilung im Inland dagegen spielt die Bahn keine Rolle. Die Autos gelangen samt und sonders auf der Strasse vom Lagerplatz zu den Händlern. skk

Stichwörter: Studen, Autos, Bahn, Region, Wirtschaft

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