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Technologie

Balluff schliesst die Produktion

Der deutsche Sensorenhersteller Balluff sieht sich nicht mehr wettbewerbsfähig und krempelt den Konzern um. Bei der Bellmunder Tochter Balluff AG fallen 60 von 80 Stellen weg.

Copyright: Peter Samuel Jaggi / Bieler Tagblatt

Manuela Schnyder

So schnell kann es gehen: Hat die deutsche Balluff-Gruppe erst noch vor zwei Jahren anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Bellmunder Tochter Balluff AG ein Bekenntnis zum Schweizer Produktionsstandort abgegeben, gibt sie diesen nun plötzlich auf. Die Fertigung von Sensorkomponenten für die Industrie am Schweizer Standort werde nun in Werke in Ungarn und China verlagert und der Entwicklungsbereich auf andere Zentren innerhalb der Firmengruppe verteilt, lässt die Konzernleitung in einer Mitteilung verlauten. Dabei hatte das weltweit tätige Unternehmen mit Sitz in Neuhausen bei Stuttgart vor fünf Jahren noch sechs Millionen Franken in einen Neubau in Bellmund investiert und dort ein Kompetenzzentrum aufgebaut.

Dass die Geschäftsführung ihre Meinung nun ändert, erstaunt nicht nur Aussenstehende, sondern vor allem die 60 der insgesamt 80 Mitarbeiter in den betroffenen Abteilungen. «Die Angestellten waren natürlich überrascht und schockiert nach der Bekanntgabe am letzten Donnerstag», sagt Frank Wittwer, Chef der Balluff AG in Bellmund. Doch man versuche, die Entlassungen so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. So haben die Angestellten nicht drei Monate, sondern bis Ende des Jahres Zeit, sich um eine neue Anstellung zu bemühen. Dies allerdings auch deshalb, damit die langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter den Transfer der Abteilungen ins Ausland begleiten können, wie Wittwer sagt. In der Schweiz wird damit künftig noch der Vertrieb mit 20 Mitarbeitern weitergeführt.

 

Serienproduktion in China

So wird der Produktionsbetrieb in Bellmund bald geschlossen, wo über viele Jahre hinweg vor allem ganz kleine Sensoren hergestellt wurden. Der Fokus des Betriebs liegt nämlich auf der Objekterkennung mittels sogenannter Miniaturisiersensoren. Diese Sensoren in kleinen Geometrien werden unter anderem für die Bewegung der Rotoren bei Windanlagen eingesetzt, bei Fliessbändern in Industrieunternehmen oder Anlagen in der Lebensmittelindustrie und anderen Branchen, wie der Automobilindustrie. Allerdings findet in Bellmund vor allem die Anlaufproduktion statt, also alle Entwicklungsschritte zwischen der Erstellung erster Prototypen bis hin zu kundenfähigen Produkten, während die Serienproduktion bereits heute in verschiedenen Werken weltweit stattfindet.

Entstanden ist das Unternehmen 1993 aus einem Management-Buyout der Honeywell Schild AG. Es hiess damals noch Hytech AG. 1996 wurde dann mit der Lohnfertigung im chinesischen Chengdu begonnen, noch bevor das Unternehmen im Jahr 2000 von der Balluff-Gruppe komplett übernommen wurde. Die Balluff-Gruppe war erst ein Kunde der Hytech AG und dann Minderheitsbesitzer. Das ehemalige Konzernleitungsmitglied Michael Unger nannte den frühen Schritt nach China später pionierhaft und ein Sprungbrett für die ganze Industrie-Gruppe. «Ohne die Schweizer wäre Balluff in China heute nicht so prominent vertreten.»

 

Neubau wird wohl verkauft

Balluff selbst wurde 1921 als Reparaturwerkstatt für Fahrräder, Motorräder und Nähmaschinen gegründet. Seit über 50 Jahren beschäftigt sich das Unternehmen mit der Industrieautomation, insbesondere mit industriellen Sensoren für Wegmessung, Objekterkennung oder oder Fluidmessung und besitzt weltweit 38 Tochtergesellschaften und zehn Fertigungszentren. Nun scheint das Unternehmen aber in schwieriges Fahrwasser zu geraten: Die Massnahmen in Bellmund sind nur ein Teil eines umfangreichen Massnahmenbündels, zu dem sich die Konzernleitung gezwungen sieht. So will das Unternehmen weltweit insgesamt 400 Stellen streichen, rund die Hälfte am Hauptsitz, wo die Produktion ebenfalls definitiv geschlossen und ins Ausland verlagert wird. Und auch am Hauptsitz hatte die Konzernleitung gemäss deutschen Medien erst vor zwei Jahren angekündigt, den Standort ausbauen zu wollen.

Als Gründe für die strategische Kehrtwende nennt Gruppenchefin Katrin Stegmaier-Hermle nicht nur die Auswirkung der Coronakrise, sondern auch die wirtschaftliche Abschwächung in den für die Gruppe wichtigen Branchen, wie dem Automobilsektor oder dem Maschinen- und Anlagenbau, und die wegen globaler Überkapazitäten sinkenden Preise. Als Folge davon sind die Umsätze gruppenweit im letzten Jahr um knapp 4 Prozent auf rund 470 Millionen Euro gesunken, im ersten Quartal des laufenden Jahres sogar um mehr als 7 Prozent. Dem könne das Unternehmen nicht alleine mit temporären Massnahmen wie Kurzarbeit begegnen, sagt Stegmaier-Hermle.

So müssen sich die 60 betroffenen Mitarbeiter in Bellmund nun eine neue Stelle suchen: «Damit wird in der Region ein riesiger Pool an hochqualifizierten Konstrukteuren, Ingenieuren, Prüflabormitarbeitern, Elektronikern und Produktionsmitarbeitern frei», sagt Schweiz-Chef Frank Wittwer, der seit drei Jahren den Standort in Bellmund mitgestaltet. Der gebürtige Innerschweizer, der bereits 25 Jahre im Seeland tätig ist, will die Mitarbeiter in dieser Zeit begleiten. Was nach dem Transfer passiert, bleibt offen. Der Neubau zumindest dürfte für den Innendienst im Vertrieb allein zu gross sein: «Ein Standortwechsel ist nicht ausgeschlossen», sagt Wittwer.

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