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"Beide Unternehmen bleiben bestehen"

Alexander von Witzleben bleibt für Feintool zuversichtlich – und er bekräftigt das Ja zum Standort Lyss.

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Interview: Tobias Graden

Herr von Witzleben, mit welchen Auswirkungen der Wahlen in Frankreich und Griechenland rechnen Sie?

Alexander von Witzleben: Ich gehe davon aus, dass die Auswirkungen von Wahlen überbewertet werden. Jede Regierung eines EU-Staates ist an Gesetze und internationale Verträge gebunden. Die Freiheit eines französischen Präsidenten ist relativ gering. Es wird sich also nicht grundsätzlich etwas ändern.

Es wird aber befürchtet, dass die Stabilität in der Eurozone weiter abnehmen wird.

Der abgeschlossene Fiskalpakt ist gegeben. Es gibt keine Regierung in Europa, welche die Stabilität des Euros in Frage stellt. Der Euro ist denn auch im Verhältnis zum Dollar und zu anderen Währungen relativ stabil.

Also hat die Lage in Frankreich und Griechenland keinen Einfluss auf Feintool?

Seit die Schweizer Nationalbank die Politik verfolgt, den Schweizer Franken relativ scharf an den Euro zu koppeln, hält sich der Kurs bei 1.20. Das gibt uns eine Kalkulationsbasis, es wird alles vorhersehbarer. Die Probleme zuvor, als der Euro von 1.60 auf die Parität zuging, haben uns viel mehr Kopfschmerzen bereitet, weil dies im Tagesgeschäft kaum abzubilden war.

Sie können also mit dem Kurs von 1.20 leben?

Durch die Umstrukturierungen der letzten Jahre haben wir uns ein Stück weit von den Wechselkursproblemen gelöst. Wir verfolgen sehr dezidiert die Strategie, in jenen Ländern zu produzieren, in denen wir verkaufen. Damit werden wir in Zukunft noch unabhängiger. Mit unseren Produkten im Teilebereich können wir uns Wechselkursschwankungen gar nicht leisten, da die Marge meist nur wenige Rappen beträgt. Natürlich wäre uns trotzdem ein Kurs von 1.40 oder 1.50 zum Euro lieber, aber daran glaube ich nicht mehr.

Wachstum erzielt Feintool neben den USA vor allem in Asien. Doch gerade in China hat sich die Lage leicht eingetrübt, die Wachstumszahlen haben sich etwas abgeschwächt.

Das mag rein mathematisch betrachtet so sein. Aber man muss die Verhältnisse im Auge behalten, China wächst immer noch kräftig. Ein heutiges Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich bedeutet viel mehr als ein zweistelliges vor zehn Jahren, weil die Basis immer grösser wird. Eine gewisse Abschwächung hat auch Vorteile.

Welches sind die Herausforderungen bei der Integration von Herzing+Schroth?

Eine Schnittmenge im Markt gibt es nur mit unserem Standort in den USA. Das heisst, es wird in Europa gar keine Integration von Standorten geben, und für die USA wird es zu einem Wissensaustausch, aber nicht zu Zusammenlegungen kommen. Beide Unternehmen bleiben also wie heute bestehen. Wir werden aber gemeinsam den Vertrieb angehen und weltweit zusammen auftreten, so dass wir als Anbieter von Feinschneiden und Umformen aus einer Hand wahrgenommen werden.

Sie schaffen sich mit der Übernahme also keine Konkurrenz im eigenen Haus?

Heute bearbeiten wir von Feintool aus mit Umformteilen vor allem den amerikanischen Markt, wo Herzing+Schroth fast gar nicht aktiv war, umgekehrt ist es in Europa. Also gibt es keine Konkurrenzsituation. Doch wir werden in einer technologischen Konkurrenz stehen – wer ein bestimmtes Produkt am besten herstellen kann, erhält den Zuschlag. In China zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Produkte von Herzing+Schroth auch nachgefragt werden. Dort werden wir den Markt gemeinsam vorantreiben.

Wird der Name von Herzing+Schroth bestehen bleiben?

Als Name für die Gesellschaft schon, als Marke werden wir aber nur noch Feintool führen.

Trifft der Eindruck zu, dass diese Akquisition eine günstige Gelegenheit war? Steffen Schroth hat nur einen kleinen Anteil an Feintool erhalten.

Es ist nur ein kleiner Aktienanteil, ein niedriger einstelliger Prozentsatz an Feintool. Doch der Kaufpreis setzt sich auch aus einem Bar-Anteil und der Übernahme von Schulden zusammen. Es war ein fairer Kaufpreis – wir haben uns nach langen Verhandlungen geeinigt.  

Ist es denkbar, dass Teile der Fertigung von Lyss nach Deutschland verlegt werden, um das Währungsrisiko noch stärker zu minimieren?

Die Standorte von Herzing+Schroth stellen ausschliesslich spanlos umgeformte Teile her, die haben mit der Produktion in Lyss gar nichts zu tun. Für Lyss gilt: Solange man hier erfolgreich ist, ist dieser Standort gar kein Thema.

Wachstum wird es in Lyss aber kaum mehr geben.

Ja und Nein. Teilweise sind wir an den Kapazitätsgrenzen. Wir bekommen auch immer wieder interessante Aufträge für Lyss, weil hier sehr viel Knowhow ist. Das schätzen die Kunden trotz der Wechselkursproblematik. Wenn der Frankenkurs auf 1:1 hinunter ginge, müssten wir neu rechnen.

Am 22. Mai weihen Sie die neue Fabrik in China ein. Wie sieht die Feier aus?

Das ist eine chinesische Feier, wir haben 100 Gäste eingeladen, es ist sehr wichtig, wen man einlädt. Es gibt ein enges Zeremoniell, mit den Behörden vor Ort und Kunden, die uns wichtig sind. Wir haben mit dem gesamten Feintool-Knowhow unsere modernste Fabrik realisiert, der Markt hat ein grosses Interesse daran.
China wird bald 20 Millionen Autos pro Jahr herstellen, mehr als die USA, viermal mehr als Europa. Eine Lehre aus der Währungs- und Schuldenkrise in Europa ist: Ein Land ohne moderne Industriebasis kann seinen sozialen Zusammenhalt nicht halten. Die Chinesen wissen das. Das ist das Problem in Frankreich: Es hat keine wettbewerbsfähige Industrie mehr.

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