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Berufsbildung

Bern erhält doch keine ETH

In der Hochschullandkarte steckt neu ein Stecknadelkopf in Zollikofen: Das eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung gilt neu als öffentlich-rechtliche Anstalt.

Ab August eine nationale Hochschule: Das Institut für Berufsbildung. Bild: Keystone

Chantal Desbiolles und 
Stefan von Bergen

Adrian Wüthrich sagt es mit hörbarem Stolz: «Wir machen das zum ersten Mal.» Am Freitag habe das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB) die Unterlagen eingereicht, um als Hochschule akkreditiert zu werden, erklärt der Präsident des EHB-Rats. Diese Akkreditierung müssen alle Hochschulen Institutionen bis Ende 2022 durchlaufen.

Die Bildungsinstitution mit Hauptsitz in Zollikofen und Standorten in Lausanne und Lugano war bis 2007 Teil der Bundesverwaltung und wurde danach als Expertisenorganisation ausgelagert. Ab August verfügt sie über ihr eigenes Gesetz als Hochschule. «Für uns bedeutet das eine Klärung», sagt Adrian Wüthrich.

Geklärt ist damit die Stellung des EHB in der Hochschullandschaft: Es ist demnach die einzige Hochschule im Besitz des Bundes, die sich wie eine pädagogische Hochschule akkreditieren lässt. Das EHB ist nun – wie auch die erhabene ETH – dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung angegliedert.

Neue Berner Hochschule
Der Kanton Bern gewinnt damit eine Hochschule hinzu. Die Berufsbildung ist nicht kantonal, sondern national organisiert. Um die 14 000 Personen aus der ganzen Schweiz werden jährlich aus- und weitergebildet. Ein grosser Teil der Berufsfachschullehrerinnen und -lehrer durchläuft das EHB. Gegen 100 Personen durchlaufen Bachelor- oder Masterstudiengänge als Berufsbildungsverantwortliche. Auch werden am EHB Berufsbildung erforscht und Berufe weiterentwickelt.

Es sei nicht selbstverständlich, dass das der Hauptsitz des EHB in Bern sei, sagt Wüthrich. Der Rat habe sich aber klar zum Kanton Bern bekannt, sagt der Oberaargauer Alt-SP-Nationalrat und Travailsuisse-Präsident. Für die Institution selber ist das Upgrade nicht mit einem Geldsegen verbunden. An ihrem Budget von rund 50 Millionen und dem Personalbestand von rund 175 Vollzeitstellen ändert sich dadurch nichts.

Die Schweiz rühmt sich gern für ihre praxisbezogene duale Ausbildung. Besteht nun das Risiko, dass die Berufsbildung durch die Aufwertung des EHB akademischer wird? Adrian Wüthrich versteht die Besorgnis. In der Beratung des EHB-Gesetzes sei genau dies stark diskutiert worden. «Die Praxisorientierung muss gewährleistet bleiben», das steht für den Ratspräsidenten fest. Er zieht den Vergleich zur Volksschule: Auch hier seien die Seminare aufgehoben worden; Lehrerinnen und Lehrer werden ebenfalls an einer Pädagogischen Hochschule ausgebildet.

Um den Standort Bern zu stärken, will das EHB im Bereich der Digitalisierung der Bildung daran mitarbeiten, auch ein nationales Kompetenzzentrum aufzubauen. Mit den Hochschulen auf dem Platz Bern sowie der EPFL Lausanne sollen neue digitalisierte Formen der Bildung in einem Hub weiterentwickelt werden.

Die Motoren des Wachstums
Das Upgrade des Berufsbildungsinstituts zu einer Hochschule ist für Bern ein Gewinn. Denn Bildungsinstitutionen des Bundes sind im Kanton der Bundeshauptstadt bis jetzt untervertreten. Insbesondere eine ETH gibt es im Grossraum Bern keine. Der bernische Wirtschaftsdirektor Christoph Ammann (SP) bezeichnete diesen Umstand 2018 gegenüber dieser Zeitung sogar als Standort- und Konkurrenznachteil für Bern. Er machte deutlich, dass die beiden ETH-Standorte Zürich und Lausanne vom Bund mehr als doppelt so viel Unterstützung beziehen, wie dem Kanton Bern aus dem Nationalen Finanzausgleich zufliesst: nämlich 2,5 Milliarden gegenüber 1 Milliarde Franken.

Die ETH sind eigentliche Wachstumsmotoren, die alljährlichen Bundesgelder für sie wirken wie Investitionsspritzen. An die beiden technischen Hochschulen von Weltruf docken sich Firmen an, sie ziehen Talente an und lösen Investitionen aus. Die 1969 gegründete EPFL in Lausanne hat den Aufstieg des Genferseebeckens zur Boomregion entscheidend mitgeprägt.

Insbesondere bei der nationalen Schlüsselinfrastruktur der Medizin ist Bern auf sich gestellt. Den Aufbau von Sitem-Insel, dem neuen Forschungsinstitut an der Schnittstelle von medizinischer Forschung und Medizinaltechnik auf dem Gelände des Berner Universitätsinstituts, hat der Kanton Bern grösstenteils selber gestemmt.
Wenig Bundeshilfe

Vergleichbare Institutionen, die in den letzten Jahren in Zürich, Basel oder Lausanne aufgebaut wurden, profitieren von wiederkehrenden ETH-Geldern des Bundes. Sitem-Insel aber erhielt vom Bund bloss eine einmalige Anstossfinanzierung von 25 Millionen Franken. Angesichts dieser ungleichen Verhältnisse machte Regierungsrat Christoph Ammann 2018 gar den Vorschlag, auf dem Gelände des Inselspitals einen Berner ETH-Ableger für Medizin zu schaffen. Bis jetzt ist es bloss bei einer Idee geblieben. Durch die Aufwertung des Berufsbildungsinstituts in Zollikofen erhält der Grossraum Bern zwar nicht einen grösseren Zugriff auf die Bildungstöpfe des Bundes. Immerhin steht nun aber eine Berner Institution auf Augenhöhe mit anderen Bildungsleuchttürmen.

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