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Campus Biel

Berner Behörden verlieren vor Bundesgericht

Die Berner Behörden fahren im Grossbauprojekt des Bieler Campus eine weitere krachende Niederlage ein: Sie gingen bei der Enteignung eines Immobilienbesitzers falsch vor.

Bild: Adrian Moser
  • Dossier

Quentin Schlapbach

Die Geschichte des geplanten Campus Biel der Berner Fachhochschule (BFH) ist eine nicht enden wollende Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Der neuste Rückschlag im Verfahren tut nun aber besonders weh. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde eines Immobilienbesitzers gut, der auf dem Areal zwei Liegenschaften besitzt. Der Mann wehrt sich seit Jahren mit allen ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln gegen seine Enteignung durch die Berner Behörden. Mit dem Bundesgerichtsurteil fährt er nun einen spektakulären Sieg ein.

 

Die Niederlage 
war absehbar

Enteignen will ihn formal eigentlich die Einwohnergemeinde Biel, welche das Grundstück dann aber dem Kanton Bern im Baurecht zur Verfügung stellen will. Genau bei diesem Punkt liegt der Hund begraben. Der Grund: Im Kanton Bern muss eine Enteignung gesetzlich mit einem entsprechenden Planungszweck legitimiert werden. Für das betroffene Feldschlössli-Areal ist dieser Zweck im Bieler Baureglement folgendermassen festgehalten: «Erstellen eines dichten Campus-Geländes von städtebaulich und architektonisch hoher Qualität.» Diese Aufgabe muss aber der Kanton Bern wahrnehmen. Entsprechend müsste er und nicht die Stadt Biel die Enteignung durchführen, so das Bundesgericht.

Zu genau demselben Schluss kam im November 2019 bereits die Enteignungsschätzungskommission des Kantons Bern (ESchK), welche als erste Instanz über die Beschwerde des Immobilienbesitzers befinden musste. Statt die Enteignung neu aufzugleisen, zogen die Berner Behörden das Verfahren aber unbeirrt weiter.

Das Berner Verwaltungsgericht gab ihnen im Mai 2021 noch recht, indem es auch der Stadt Biel «eigene öffentliche Interessen» attestierte, welche eine Enteignung legitimieren würden. Insbesondere die Aufwertung des zentral gelegenen Feldschlössli-Areals gleich neben dem Bahnhof sei für die weitere Entwicklung der Gemeinde zentral, so das Verwaltungsgericht.

Bei dieser grosszügigen Auslegung des Enteignungsrechts machte das Bundesgericht nun aber nicht mit. Es kassiert den Entscheid des Verwaltungsgerichts und schickt das Enteignungsverfahren damit zurück auf Feld eins.

 

Der Kanton will später informieren

Die Berner Baudirektion reagiert auf Anfrage verhalten auf das Urteil. Zu konkreten Fragen – etwa was dies für den geplanten Fertigstellungstermin 2025 bedeutet, was für einen Einfluss das Urteil auf die momentan laufende Ausschreibung der Totalunternehmerarbeiten hat oder wieso man nicht schon 2019 die Enteignung neu aufgegleist hat – gibt es noch keine Antworten.

Stattdessen reagiert die Direktion von Christoph Neuhaus (SVP) mit einer Stellungnahme: «Das Urteil hat zur Folge, dass anstelle der Stadt Biel nun der Kanton Bern das Enteignungsverfahren führen muss. Da der Kanton stets alle Eventualitäten in Betracht gezogen hat, ist er auch auf diesen Entscheid vorbereitet. Im November werden wir die Öffentlichkeit orientieren.»

 

Campus-Bezug wohl 
erst 2029?

Es ist bereits absehbar, dass der Bau des BFH-Campus Biel sich damit weiter verzögern dürfte. Zur Erinnerung: Ursprünglich sollte der Campus 2022 in betrieb genommen werden.

Der Grund für diese Verzögerung liegt aber nicht allein am Enteignungsstreit mit dem Immobilienbesitzer. Auch die Ausschreibung der Totalunternehmerarbeiten im Herbst 2019 war so fehlerhaft, dass der Kanton Bern das Verfahren abbrechen und neu starten musste (siehe auch Zweittext). Erst in diesem Sommer konnte der Auftrag neu ausgeschrieben werden. Laut Rückmeldungen aus der Baubranche verläuft die Ausschreibung dieses Mal deutlich professioneller.

Weil aber bereits klar ist, dass die Kosten das ursprüngliche Budget von 233,5 Millionen Franken sprengen werden, hat der Kanton Bern Anfang Jahr schon ein Worst-Case-Szenario kommuniziert. Dieses sieht vor, dass das Gebäude erst im Jahr 2029 fertig sein könnte – sieben Jahre nach dem Termin im ursprünglichen Marschplan.

Damit bräuchte das Berner Baudebakel selbst einen internationalen Vergleich nicht mehr zu scheuen. Die Hamburger Elbphilharmonie wurde auch sieben Jahre zu spät fertig, der Berliner Flughafen BER sogar neun Jahre. Bleibt zu hoffen, dass der Kanton Bern keine neuen Massstäbe setzt.

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Die BFH muss in alten Räumen ausharren

Auf dem geplanten Campus in Biel will die Berner Fachhochschule (BFH) die beiden Departemente Technik und Informatik sowie Architektur, Holz und Bau zusammenführen, die heute an Standorten in Biel und Burgdorf angesiedelt sind. Das neue Gebäude soll komplett aus Holz gebaut und ein architektonisches Meisterwerk werden. Die hohen Ansprüche an das Bauwerk wie etwa auch flexibel nutzbare Zimmer oder lärmisolierte und erschütterungsfeste Laborräume kosten aber weit mehr als die 233,5 Millionen Franken, die das Kantonsparlament ursprünglich dafür bewilligt hatte. Unter anderem auch der enge Zeitplan und die unsichere Rechtslage führten dazu, dass die Offerten der an der ersten Ausschreibung im Jahr 2019 beteiligten Unternehmen für die Realisierung des Neubaus weit über den ohnehin zu optimistisch kalkulierten Kosten zu liegen kamen. Dies befanden unabhängige Experten, die vom Kanton im Anschluss beauftragt wurden, die Sache zu analysieren.

Schon damals war für die BFH aber klar, dass sich neben den juristischen Auseinandersetzungen mit dem Eigentümer der auf dem Areal befindlichen Liegenschaften das Projekt bis Ende 2025 verzögern wird. Die jüngste rechtliche Schlappe für das Projekt dürfte die Inbetriebnahme ins Jahr 2029 befördern.

Die BFH ist nun gezwungen, die heutigen Standorte in Biel und Burgdorf erneut länger zu unterhalten. Dies dürfte auch die Realisierung des Bildungscampus Burgdorf erneut tangieren, für die die BFH in Burgdorf erst weichen müsste. Die BFH wollte sich zur erneuten Verzögerung gestern nicht äussern. mha

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