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Nichtkotierte Aktien

Bieler sorgen in Bern für Musik

Auf der Handelsplattform der Berner Kantonalbank erzielten im ersten Semester zwei Bieler Unternehmen schöne Kursgewinne: Das Privatspital Linde und der Edelmetallverarbeiter Cendres + Métaux.

Die Privatklinik Linde sorgte für schöne Kursgewinne. Matthias Käser

Claude Chatelain

«Pflücket die Rose, eh sie verblüht.» Das mag sich manch ein Investor betreffend die Versandapotheke Zur Rose gesagt haben. Der Kurs verdoppelte sich seit Anfang Jahr, vervierfachte sich innerhalb eines Jahres. Es war der angekündigte Börsengang, der für Fantasie sorgte.

Bisher wurden ihre Aktien ausserbörslich gehandelt – so etwa auf der OTC-X, der Handelsplattform der Berner Kantonalbank (BEKB). Dort sorgte die Versandapotheke mit Hauptsitz in Frauenfeld im abgelaufenen Semester für den mit Abstand grössten Umsatz: 41 Millionen Franken sind es gewesen, knapp 30 Prozent des gesamten Umsatzes in der Höhe von 141,2 Millionen Franken.

 

Linde verschwindet

Damit wurde der letztjährige Jahresumsatz bereits übertroffen. Doch der Jahrgang, den es zu schlagen gilt, liegt zehn Jahre zurück: 2007 erzielte die OTC-X einen Umsatz von 219 Millionen Franken. Dabei entfielen 80 Millionen auf HBM Bioventure, deren Aktien im Vorfeld des Börsengangs – ähnlich wie jetzt bei Zur Rose – stark gesucht waren.

Neben der Versandapotheke wird mit der Linde Holding in Biel ein weiteres Unternehmen der Gesundheitsbranche vom Börsentableau der OTC-X verschwinden.

Schon lange ging das Gerücht um, Aevis-Victoria sei hinter der Linde her. «Die Privatklinik Linde könnte ein nächstes Übernahmeopfer sein», schrieb das Internetportal Medinside am 18. April. Der Kurs lag damals bei 1600 Franken.

Exakt einen Monat später bot Aevis-Victoria 2500 Franken pro Aktie. Doch Aevis-Chef Antoine Hubert machte die Rechnung ohne Hirslanden, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Mediclinic International aus Südafrika. Sie bot 3100 Franken.

 

Geduld bringt Rosen

Zweimal ist Antoine Hubert innert weniger Wochen bei seinem Übernahmeversuch überboten worden. Anfang Jahr verkündete Hubert, er wolle die Zuger Lifewatch integrieren und Telemedizin zum zweitgrössten Standbein hinter der Klinikkette Swiss Medical Network aufbauen. Er wurde aber von der amerikanischen Biotelemetry ausgebremst.

Vor Kurzem erklärte Lifewatch-Chef Stefan Rietiker an einem Medienlunch in Zürich, dass Biotelemetry per 28. Juni 96,50 Prozent der Stimmrechte besitzt.

Mit Cendres+Métaux sorgte an der OTC-X ein weiteres Bieler Unternehmen für schöne Umsätze: 1,25 Millionen Franken sind es bisher; mehr als im gesamten 2016.

Fritz Ruprecht ist Inhaber der Helvetic Star Effekten in Ittigen. Im Oktober 2015 sagte er: «Die Aktie ist mittlerweile sehr günstig, wenn man bedenkt, was für Produktivitätsfortschritte die Firma zu verzeichnen vermochte.» Der Geldkurs lag damals bei 6400 Franken. Ende 2016 lag er noch tiefer, stieg aber seither um fast 50 Prozent. Geduld bringt Rosen.

 

Grosse Umsatzsteigerungen

Wegen der relativ geringen Liquidität auf dem OTC-Markt sind zweistellige Prozentveränderungen keine Seltenheit. Bemerkenswert sind daher vor allem die grossen Umsatzsteigerungen. Mit den Aktien der Kongress- und Kursaal Bern und jenen von Weiss + Appetito setzte die OTC-X im ersten Halbjahr 2017 doppelt so viel um wie im ganzen Jahr 2016; mit den Dividendenpapieren der Congress Centre Kursaal Interlaken sogar dreimal so viel und mit den Aktien der SB Saanen Bank viermal mehr.

Bei der Saanen-Bank gibt es für den Umsatzsprung einen nachvollziehbaren Erklärung: «Wir haben uns entschieden, den gesamten Handel unserer Aktie über die OTC-Plattform abzuwickeln», erklärt Bankdirektor Jürg von Allmen. Die Bank will damit eine höhere Transparenz schaffen, indem jede Transaktion auf der OTC-X einsehbar ist.

 

Gründe für Kursgewinne

Wie aber sind die hohen Kursgewinne von Bernexpo, Congress Centre Kursaal Interlaken oder der Berner Baufirma Weiss+Appetito zu erklären? Nebenwertespezialist Björn Zern von Zern & Partner in Bern weist darauf hin, dass im Unterschied zu börsenkotierten Aktien der gleichen Branche etliche OTC-Titel deutlich unter dem Buchwert gehandelt werden. Zudem weisen sie oft eine höhere Dividendenrendite aus. Das treffe etwa bei der Bernexpo Holding im Vergleich zur MCH Messe Schweiz zu.

Da die börsenkotierten Aktien zum Teil recht teuer sind, richten mehr und mehr Anleger ihr Augenmerk auf den ausserbörslichen Handel. Das führt zu höheren Volumen und mitunter auch zu höheren Geldkursen.

 

Berner Werte: Linde führt die Umsatzstatistik an

 

Firmenname 31. 12. 16 30. 6. 2017 in% in Franken

Linde Holding, Biel 1010.00 3100.00 206,9 2 902 475

Biella Neher, Brügg 4150.00 4320.00 4,1 1 915 055

Espace Real Estate, Biel 145.00 154.00 6,2 1 865 833

Loeb Holding PS, Bern 197.50 198.00 0,3 1 792 209

Cendres + Métaux, Biel 6000.00 8800.00 46,7 1 255 365

Bernexpo Holding N 435.00 520.00 19,5 1 173 082

Kongress- und Kursaal Bern 500.00 525.00 5,0 780 426

SB Saanen-Bank 2650.00 2750.00 3,8 618 850

Congress Centre Kursaal, Interlaken 250.00 410.00 64,0 525 001

Weiss + Appetito N, Bern 275.00 300.00 9,1 506 686

Schilthornbahn, Mürren 1455.00 1460.00 0,3 266 230

Schweizer Zucker, Aarberg 19.50 22.25 14,1 183 424

Bank SLM, Münsingen 1475.00 1480.00 0,3 160 025

Clientis-Bank Oberaargau 360.00 360.00 0,0 139 400

Bernerlandbank, Sumiswald 480.00 475.00 –1,0 125 605

Spar- und Leihkasse Riggisberg 5650.00 5740.00 1,6 121 700

Intersport, Ostermundigen 33.00 38.00 15,2 114 221

Gondelbahn Grindelwald N 100.00 96.00 –4,0 78 940

Bürgerhaus, Bern 2050.00 2310.00 12,7 70 065

Spar- und Leihkasse Frutigen 2300.00 2290.00 –0,4 63 165

BLS N, Bern 0.55 0.55 0,0 52 933

BBO Bank Brienz-Oberhasli, Brienz 143.00 149.00 4,2 40 953

LSB Wengen-Männlichen, Wengen 150.00 136.00 –9,3 36 462

Landwirtschaft ZRA, Aarberg 3650.00 3840.00 5,2 35 700

Ersparniskasse Affoltern 1855.00 1870.00 0,8 20 415

Niederhornbahn, Beatenberg 2.5 4.5 80,0 19 307

Flughafen Bern, Belp 60.00 55.00 –8,3 15 170

 

OTC-X

  • Die Infobox unten zeigt die Kursentwicklung nicht kotierter Berner Aktien. Und zwar jener Titel, die an der OTC-X, der Handelsplattform der Berner Kantonalbank, die höchsten Umsätze erzielen.
  • Während bei Kurslisten üblicherweise die bezahlten Schlusskurse aufgeführt sind, sind hier die Geldkurse angegeben. Also jener Preis, den ein Anleger per Ende Semester für ein bestimmtes Papier zu zahlen bereit war.
  • Insbesondere bei Aktien mit geringer Liquidität ist der Geldkurs aussagekräftiger, da bezahlte Schlusskurse häufig Tage, wenn nicht Wochen zurückliegen. Zudem muss man wissen, dass bei illiquiden Titeln einzelne Transaktionen überdurchschnittliche Kurssprünge zur Folge haben können. cch

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