Claude Chatelain
«Pflücket die Rose, eh sie verblüht.» Das mag sich manch ein Investor betreffend die Versandapotheke Zur Rose gesagt haben. Der Kurs verdoppelte sich seit Anfang Jahr, vervierfachte sich innerhalb eines Jahres. Es war der angekündigte Börsengang, der für Fantasie sorgte.
Bisher wurden ihre Aktien ausserbörslich gehandelt – so etwa auf der OTC-X, der Handelsplattform der Berner Kantonalbank (BEKB). Dort sorgte die Versandapotheke mit Hauptsitz in Frauenfeld im abgelaufenen Semester für den mit Abstand grössten Umsatz: 41 Millionen Franken sind es gewesen, knapp 30 Prozent des gesamten Umsatzes in der Höhe von 141,2 Millionen Franken.
Linde verschwindet
Damit wurde der letztjährige Jahresumsatz bereits übertroffen. Doch der Jahrgang, den es zu schlagen gilt, liegt zehn Jahre zurück: 2007 erzielte die OTC-X einen Umsatz von 219 Millionen Franken. Dabei entfielen 80 Millionen auf HBM Bioventure, deren Aktien im Vorfeld des Börsengangs – ähnlich wie jetzt bei Zur Rose – stark gesucht waren.
Neben der Versandapotheke wird mit der Linde Holding in Biel ein weiteres Unternehmen der Gesundheitsbranche vom Börsentableau der OTC-X verschwinden.
Schon lange ging das Gerücht um, Aevis-Victoria sei hinter der Linde her. «Die Privatklinik Linde könnte ein nächstes Übernahmeopfer sein», schrieb das Internetportal Medinside am 18. April. Der Kurs lag damals bei 1600 Franken.
Exakt einen Monat später bot Aevis-Victoria 2500 Franken pro Aktie. Doch Aevis-Chef Antoine Hubert machte die Rechnung ohne Hirslanden, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Mediclinic International aus Südafrika. Sie bot 3100 Franken.
Geduld bringt Rosen
Zweimal ist Antoine Hubert innert weniger Wochen bei seinem Übernahmeversuch überboten worden. Anfang Jahr verkündete Hubert, er wolle die Zuger Lifewatch integrieren und Telemedizin zum zweitgrössten Standbein hinter der Klinikkette Swiss Medical Network aufbauen. Er wurde aber von der amerikanischen Biotelemetry ausgebremst.
Vor Kurzem erklärte Lifewatch-Chef Stefan Rietiker an einem Medienlunch in Zürich, dass Biotelemetry per 28. Juni 96,50 Prozent der Stimmrechte besitzt.
Mit Cendres+Métaux sorgte an der OTC-X ein weiteres Bieler Unternehmen für schöne Umsätze: 1,25 Millionen Franken sind es bisher; mehr als im gesamten 2016.
Fritz Ruprecht ist Inhaber der Helvetic Star Effekten in Ittigen. Im Oktober 2015 sagte er: «Die Aktie ist mittlerweile sehr günstig, wenn man bedenkt, was für Produktivitätsfortschritte die Firma zu verzeichnen vermochte.» Der Geldkurs lag damals bei 6400 Franken. Ende 2016 lag er noch tiefer, stieg aber seither um fast 50 Prozent. Geduld bringt Rosen.
Grosse Umsatzsteigerungen
Wegen der relativ geringen Liquidität auf dem OTC-Markt sind zweistellige Prozentveränderungen keine Seltenheit. Bemerkenswert sind daher vor allem die grossen Umsatzsteigerungen. Mit den Aktien der Kongress- und Kursaal Bern und jenen von Weiss + Appetito setzte die OTC-X im ersten Halbjahr 2017 doppelt so viel um wie im ganzen Jahr 2016; mit den Dividendenpapieren der Congress Centre Kursaal Interlaken sogar dreimal so viel und mit den Aktien der SB Saanen Bank viermal mehr.
Bei der Saanen-Bank gibt es für den Umsatzsprung einen nachvollziehbaren Erklärung: «Wir haben uns entschieden, den gesamten Handel unserer Aktie über die OTC-Plattform abzuwickeln», erklärt Bankdirektor Jürg von Allmen. Die Bank will damit eine höhere Transparenz schaffen, indem jede Transaktion auf der OTC-X einsehbar ist.
Gründe für Kursgewinne
Wie aber sind die hohen Kursgewinne von Bernexpo, Congress Centre Kursaal Interlaken oder der Berner Baufirma Weiss+Appetito zu erklären? Nebenwertespezialist Björn Zern von Zern & Partner in Bern weist darauf hin, dass im Unterschied zu börsenkotierten Aktien der gleichen Branche etliche OTC-Titel deutlich unter dem Buchwert gehandelt werden. Zudem weisen sie oft eine höhere Dividendenrendite aus. Das treffe etwa bei der Bernexpo Holding im Vergleich zur MCH Messe Schweiz zu.
Da die börsenkotierten Aktien zum Teil recht teuer sind, richten mehr und mehr Anleger ihr Augenmerk auf den ausserbörslichen Handel. Das führt zu höheren Volumen und mitunter auch zu höheren Geldkursen.
Berner Werte: Linde führt die Umsatzstatistik an
Firmenname 31. 12. 16 30. 6. 2017 in% in Franken
Linde Holding, Biel 1010.00 3100.00 206,9 2 902 475
Biella Neher, Brügg 4150.00 4320.00 4,1 1 915 055
Espace Real Estate, Biel 145.00 154.00 6,2 1 865 833
Loeb Holding PS, Bern 197.50 198.00 0,3 1 792 209
Cendres + Métaux, Biel 6000.00 8800.00 46,7 1 255 365
Bernexpo Holding N 435.00 520.00 19,5 1 173 082
Kongress- und Kursaal Bern 500.00 525.00 5,0 780 426
SB Saanen-Bank 2650.00 2750.00 3,8 618 850
Congress Centre Kursaal, Interlaken 250.00 410.00 64,0 525 001
Weiss + Appetito N, Bern 275.00 300.00 9,1 506 686
Schilthornbahn, Mürren 1455.00 1460.00 0,3 266 230
Schweizer Zucker, Aarberg 19.50 22.25 14,1 183 424
Bank SLM, Münsingen 1475.00 1480.00 0,3 160 025
Clientis-Bank Oberaargau 360.00 360.00 0,0 139 400
Bernerlandbank, Sumiswald 480.00 475.00 –1,0 125 605
Spar- und Leihkasse Riggisberg 5650.00 5740.00 1,6 121 700
Intersport, Ostermundigen 33.00 38.00 15,2 114 221
Gondelbahn Grindelwald N 100.00 96.00 –4,0 78 940
Bürgerhaus, Bern 2050.00 2310.00 12,7 70 065
Spar- und Leihkasse Frutigen 2300.00 2290.00 –0,4 63 165
BLS N, Bern 0.55 0.55 0,0 52 933
BBO Bank Brienz-Oberhasli, Brienz 143.00 149.00 4,2 40 953
LSB Wengen-Männlichen, Wengen 150.00 136.00 –9,3 36 462
Landwirtschaft ZRA, Aarberg 3650.00 3840.00 5,2 35 700
Ersparniskasse Affoltern 1855.00 1870.00 0,8 20 415
Niederhornbahn, Beatenberg 2.5 4.5 80,0 19 307
Flughafen Bern, Belp 60.00 55.00 –8,3 15 170
OTC-X
- Die Infobox unten zeigt die Kursentwicklung nicht kotierter Berner Aktien. Und zwar jener Titel, die an der OTC-X, der Handelsplattform der Berner Kantonalbank, die höchsten Umsätze erzielen.
- Während bei Kurslisten üblicherweise die bezahlten Schlusskurse aufgeführt sind, sind hier die Geldkurse angegeben. Also jener Preis, den ein Anleger per Ende Semester für ein bestimmtes Papier zu zahlen bereit war.
- Insbesondere bei Aktien mit geringer Liquidität ist der Geldkurs aussagekräftiger, da bezahlte Schlusskurse häufig Tage, wenn nicht Wochen zurückliegen. Zudem muss man wissen, dass bei illiquiden Titeln einzelne Transaktionen überdurchschnittliche Kurssprünge zur Folge haben können. cch
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