Sie sind hier

Abo

Milchprodukte

Bio-Linie startet ohne den Visionär

In Lyss neigen sich die Arbeiten am millionenschweren Bau der Bio-Molkerei dem Ende zu. Im Sommer wird Cremo dort eine neue, noch unbekannte Bio-Marke lancieren – allerdings ohne den Initiator.

Molkereimeister Hanspeter Zaugg (rechts) mit seinem Mitarbeiter Karouf Sahbi. Bild: Raphael Schaefer

Manuela Schnyder

865 Quadratmeter Photovoltaikanlage auf dem Dach und eine Pelletheizung im Keller machen das neue Molkereigebäude in der Lysser Industriezone komplett CO2-neutral. Im Erdgeschoss mit rund 450 Quadratmetern Produktionsfläche stehen in vier grossen Hallen die neuen Maschinen bereit. Bei voller Auslastung verarbeiten sie pro Tag 20000 Kilo Biomilch zu Drinkmilch, Joghurts und Quarks. Die Kosten für das 30 Meter breite und 100 Meter lange Betriebsgebäude inklusive Inventar bewegen sich im hohen einstelligen Millionenbereich, wie Generalsekretär Thomas Zwald vom Freiburger Milchverarbeiter Cremo sagt.

Eigentlich sollte das topmoderne Gebäude an der Südstrasse 6 Ende letztes Jahr betriebsbereit sein. Doch der Bau verzögert sich. Probleme mit der Grundwasserkühlung und der konkursbedingte Wegfall eines Bauteilelieferanten schieben das Projektende um ein halbes Jahr in die Zukunft. Nun wird der Monat Juli angepeilt für die Inbetriebnahme. Dann sollen auch die neuen Bio-Milchprodukte präsentiert werden – allerdings ohne den Mann, der die Idee dazu hatte. Aber der Reihe nach.

Cremo übernimmt das Zepter
Angefangen hat die Geschichte um die neue Bio-Molkerei mit Hanspeter Zaugg, Inhaber und Geschäftsführer der traditionsreichen Bieler Molkerei Zaugg. Wie auch schon sein Vater setzt er auf regionale Spezialitäten aus Seeländer Bio-Milch. Der Betrieb läuft gut. Die Räume in Biel werden bald zu klein, weswegen er die Produktion in die ehemalige Emmentaler-Käserei nach Diessbach bei Büren verlagert. Doch dann wollen die dort ansässigen Bauern die Käserei verkaufen. Zaugg unterliegt finanziell dem Höchstbietenden, darf gerichtlich entschieden aber noch fünf Jahre bleiben. «Mangels guter Alternativen liess ich mir vorrechnen, was ein Neubau kosten würde», sagt Zaugg. Aufgrund der Betriebsgrösse kann er die vorgerechneten 380000 Franken für eine Halle ohne Inventar aber nicht alleine stemmen.

Man kenne sich schon lange, habe einander oft ausgeholfen, sagt Zaugg über den Branchenkollegen Walter Wasserfallen, der sich dazu entschliesst, mit Zaugg die Produktion seiner Molkerei in Lyss in einem Neubau zusammenzulegen. Die Produktepaletten wollen sie unverändert weiterführen. Doch das Geld der beiden Molkereien reicht nicht aus. Nach gescheiterten Gesprächen mit anderen Partnern gelangt er mit seinem Konzept an Cremo, den zweitgrössten Milchverarbeiter der Schweiz, der bis dato noch keine Bio-Produkte-Linie betreibt. Der Freiburger Milchverarbeiter findet das Konzept interessant, initiiert die Gründung der Bio Molkerei Seeland (BMS)AG, in der die beiden regionalen Molkereien Zaugg und Wasserfallen zusammengelegt werden, und bezahlt den Bau im Alleingang. Die Federführung des neuen Unternehmens hat Cremo. Vereinbart wird unter anderem, dass die Molkereien Zaugg und Wasserfallen ihre Produktion mit der Inbetriebnahme der neuen Bio-Molkereianlage in Lyss einstellen. Altershalber zieht sich Walter Wasserfallen schon vorher zurück und überträgt seine Molkerei für die Restzeit der BMS AG. Nun steht im Raum, ob Hanspeter Zaugg weitermacht. Nach Gesprächen mit beiden Parteien zeigt sich: wohl kaum. Zu stark driften die Visionen über die künftige Produktepalette auseinander. Zaugg sagt dazu nur so viel:«Mir ist wichtig, dass meine Kunden weiterhin bedient werden und die Milch aus der Region kommt». Cremo seinerseits will sich dazu nicht äussern.

Alte Marken verschwinden
Was der alleinige Aktionär der BMSAG mit der neuen Bio-Molkerei vor hat, ist vage. Das Einzugsgebiet ist das Drei-Seen-Land, das bis nach Solothurn im Osten, nach Yverdon im Westen und fast bis nach Bern im Süden reicht. Wer die künftigen Abnehmer der neuen Produktelinien und die Lieferanten sind, will Generalsekretär Thomas Zwald nicht verraten. Zum einen seien noch nicht alle Verhandlungen abgeschlossen und Produktstrategien fixiert und zum anderen wolle sich Cremo noch das eine oder andere an Überraschungen für die Eröffnungsfeier aufheben.

Nur eines ist klar:Die bisher in der Region bekannten Marken der Molkereien Zaugg und Wasserfallen wie «Vachement-bon», «Bärner Vollmilch» und «Bärner Drinkmilch» werden aus den Regalen verschwinden. Für die künftig dort produzierten Biomilch-Produkte werden derzeit von Agenturen ein Name und ein Marketingkonzept erarbeitet, sagt Generalsekretär Thomas Zwald. «Von der Region für die Region» laute das Motto, das sei Cremo wichtig. Deshalb sollen in der neuen Anlage die Milchprodukte mit eigener Marke vertrieben werden und nicht unter einer Marke eines Detailhändlers.

*********************************************

Der Seeländer Joghurt-Spezialist
Der gelernte Milchtechnologe und Molkereimeister Hanspeter Zaugg hat sich in der Branche einen Namen gemacht. Er war Fachberater bei der Schweizerischen Käseunion, die den Verkauf der Käsesorten Greyerzer, Emmentaler und Sbrinz förderte, und brachte später als Verkaufschef bei der Tessiner Käseimportfirma Cetra italienischen Käse auf den Schweizer Markt. «Ich wollte die Bauern aus dem Seeland nicht im Stich lassen», begründet Zaugg seine Rückkehr in die elterliche Molkerei nach Biel. Für Coop produziert er seit nunmehr 15 Jahren erst Bio-Pastmilch und Milchdrink, dann auch Joghurts. Weil die Joghurts den Coop-Einkäufern anfänglich zu sauer waren, überarbeitete er die Rezeptur. Den Einkäufern hat’s geschmeckt. Später fügte er ihnen auch Bio-Konfitüre aus Seeländer Früchten hinzu. Und der Visionär hat weitere Ideen:«Künftig will ich regionales Gemüse in die Joghurts verarbeiten», sagt Zaugg. Ob es soweit kommt, bleibt nun offen. msd

Nachrichten zu Wirtschaft »