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Tornos

Brückenkopf im Reich der Mitte

Werkzeugindustrie Tornos stellt sich der schwächelnden Konjunktur mit einer strategischen Neuausrichtung. Dazu gehört die verstärkte Präsenz in den aufstrebenden Märkten, besonders in China.

hinesische Tornos-Angestellte in Shanghai bereiten die neue Maschine Swiss ST vor.

Die chinesische Industriemetropole Shanghai zählt mehr als 20 Millionen Einwohner. Rund 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt der Stadtteil Xu Hui. Dorthin führt die abenteuerliche Taxifahrt. Obwohl der Chauffeur im dichten Verkehr ungeniert rechts überholt und zeitweise bis zu 120 Kilometer pro Stunde fährt, dauert die Reise nach Xu Hui eine gute halbe Stunde.

Dort liegt der Hui Feng-Industriepark, etwas versteckt in einer Zone von mittelgrossen Wohnhäusern. Die Dunstglocke über der Grossstadt lässt ein paar Sonnenstrahlen durch. Zwei Polizisten bewachen die Eingangstore des Gewerbeareals, das offensichtlich schon bessere Zeiten erlebt hat. Hier also soll die Filiale von Tornos stehen. Tatsächlich entdeckt man schon von weitem inmitten des Wirrwarrs chinesischer Zeichen das schlichte Firmenschild des bernjurassischen Maschinenbauers. Die beiden Ordnungshüter sind gerade anderweitig beschäftigt, und so führt der Weg direkt auf eine Gruppe von Männern in blauer Arbeitskleidung mit dem Logo von Tornos zu. Sie bewundern gerade eine brandneue Maschine, die zur Auslieferung bereitsteht. Der Hightech-Drehautomat passt nicht so recht in die marode Kulisse. Gesucht wird Max Bao. «Second floor» (zweiter Stock), ruft einer der Mitarbeiter mit einem gefälligen Lächeln.

«War es schwer, uns zu finden?» Mit diesen Worten empfängt Max Bao, der Verantwortliche für Marketing und Kommunikation von Tornos für den chinesischen Markt, seinen Besuch. Der junge Manager war noch nie in der Schweiz, und so kennt er auch das «Headquarter» in Moutier nur aus zweiter Hand. «Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr zur Maschinenmesse EMO nach Hannover reisen kann», wünscht sich Bao.

 

Grosse Erwartungen

In der Tornos-Niederlassung in Shanghai sind 15 Mitarbeiter beschäftigt. Sie kümmern sich im Wesentlichen um den Verkauf und um den Kundendienst. Maschinen werden vor Ort keine produziert.

Tornos vertreibt über Shanghai vier verschiedene Maschinentypen für den chinesischen Markt. Die Drehautomaten aus dem Berner Jura werden hier vor allem in der Automobil- und Medizinalindustrie, aber auch in der Elektronik und Mikromechanik verwendet. Die Kundschaft besteht aus ausländischen und chinesischen Firmen, die im Reich der Mitte tätig sind. Die Preise sind je nach Ausstattung der Maschinen variabel. Immerhin geht die Investition für eine Schweizer Bearbeitungsstation der Spitzenklasse durchaus in die hunderttausende von Franken.

Pro Jahr verkauft Tornos einige Dutzend Automaten nach China. «Seitdem wir hier eine Niederlassung betreiben, steigen unsere Verkaufszahlen von Jahr zu Jahr», stellt der Chinese Max Bao fest. «Heute haben Sie Glück, denn die Maschine, die Sie soeben gesehen haben, ist gestern eingetroffen. Es handelt sich um unser neues Modell ‹Swiss ST›, in das wir grosse Erwartungen für den chinesischen Markt setzen», erklärt Bao. Es handle sich um einen ausserordentlich leistungsfähigen und dennoch preiswerten Drehautomaten der Mittelklasse. «Damit werden wir grossen Erfolg haben», freut sich der Marketingleiter, und seine Augen leuchten vor Überzeugung. Auch die im letzten Jahr lancierte «Multi-Swiss» habe grosse Marktchancen, meint der Vertreter von Tornos.

 

Langfristig planen

Im vergangenen Jahr erzielte Tornos 12 Prozent des Umsatzes in Asien; der Branchendurchschnitt lag jedoch bei 37 Prozent. Der kränkelnde Maschinenbauer aus Moutier hat also das Marktpotenzial längst nicht ausgeschöpft. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Tornos den asiatischen Markt fortan stärker bearbeiten will, und dazu gehört auch der Ausbau seiner Niederlassung in Shanghai. «Wir werden unser Team verstärken», bestätigt Max Bao.

Mittlerweile bewirtschaftet Tornos ein Freilager für Ersatzteile im Zentrum Chinas. Ferner wurde die Begleitung der Kunden bei der Inbetriebnahme ihrer Maschinen verbessert. Zudem sollten die Büro- und Vorführungsräume der Niederlassung in Shanghai demnächst renoviert werden, sagt Max Bao: «Wir müssen gegenüber der Kundschaft den bestmöglichen Eindruck erwecken.» Den Umzug an einen anderen Standort schliesst er nicht aus.

Die Schwächezeichen der chinesischen Konjunktur tun dem Optimismus des jungen Tornos-Verantwortlichen keinen Abbruch. Er meint dazu: «Wir Chinesen streben eine langfristige Entwicklung an, und die Zukunft bleibt verheissungsvoll.»

Jacques Chapatte/pl

 

Erst seit 2004 in China

 

Seit den 70er-Jahren verkauft Tornos Maschinen nach China. Heute ist das Land weltweit der grösste Abnehmer von Werkzeugmaschinen.

Angesichts dieser anhaltenden Entwicklung eröffnete Tornos erst spät, nämlich 2004, eine Filiale in China. Anfangs bestand nur ein Verkaufsbüro, das für das gesamte Land zuständig war. Aber seit 2007 betreibt Tornos eine Filiale in Xu Hui, einem Stadtteil von Shanghai. Dort verfügt der bernjurassische Hersteller über 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche, auf welcher die Maschinen bei der Arbeit vorgeführt werden können.

Des Weiteren ist Tornos in Hongkong mit einem Büro vertreten. In der chinesischen Provinz Kanton bietet der Schweizer Maschinenbauer ebenfalls die Vorführung seiner Maschinen an. Die chinesische Filiale von Tornos ist vorwiegend auf den einheimischen Markt ausgerichtet. jch/pl

 

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Auftragseinbruch im dritten Quartal

Moutier Tornos hat im dritten Quartal gerade einmal noch neue Aufträge im Wert von 34 Millionen Franken einholen können. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von 42,6 Prozent.

Über die ersten neun Monate des Jahres betrachtet beträgt der Auftragsrückstand gegenüber dem Vorjahr 36,5 Prozent. Der tiefe Auftragsbestand wirkte sich auch auf den Umsatz aus: Dieser betrug von Juli bis September 31,5 Mio. Franken und lag 46,4 Prozent unter dem Wert des Vorjahres.

Dies führte im dritten Quartal zu roten Zahlen: Der Betriebsverlust (Ebit) belief sich auf 8,3 Mio. Franken, wobei darin auch Kosten der im September angekündigten Unternehmensrestrukturierung enthalten sind. Diese haben massgeblich zum Betriebsverlust beigetragen, schreibt Tornos. So hätten Rückstellungen für Personalaufwendungen das Ergebnis mit 3,7 Mio. Franken belastet. Die Einführung der Kurzarbeit habe den Verlust nicht vollständig ausgleichen können.

Unter dem Strich resultiert schliesslich ein Verlust von 8,0 Mio. Franken. Das Unternehmen litt gemäss eigenen Angaben nebst dem geringeren Volumen auch am zunehmenden Wettbewerbsdruck und den Auswirkungen des starken Frankens. Im dritten Quartal 2011 hatte Tornos noch einen kleinen Gewinn geschrieben.

Das Unternehmen blickt denn auch in eine ungewisse Zukunft: Wie schon nach den Halbjahreszahlen angekündigt, werde die Gruppe den einst prognostizierten Jahresumsatz von 200 Mio. Franken nicht übertreffen und operativ rote Zahlen schreiben, hiess es. Aufgrund der schwachen Nachfrage und der ungewissen Entwicklung der Absatzmärkte sieht sich das Management in dieser Einschätzung bestätigt. sda

 

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