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Biel

«Brustkrebs darf nicht tödlich sein»

Weil Mammographie zu ungenau und MRI zu teuer ist, hat Ivana Balic ein neues Verfahren entwickelt. Ihre Startup-Firma Sono View zog im Innocampus ein – ebenso diejenige ihres Mannes Edin.

Gemeinsames Büro: Gemeinsame Arbeit ist bei Edin Ivana Balic dennoch rar. Copyright: Anita Vozza/Bieler Tagblatt

von Esthy Rüdiger

Eine von acht Frauen erkrankt an Brustkrebs. Für über eine halbe Millionen Frauen jährlich endet dies tödlich, obwohl diese Art von Krebs bei einer frühzeitigen Erkennung zu 98 Prozent heilbar ist. Der Standard dafür ist heute die Mammographie. Und das, obwohl damit bei dichtem Brustgewebe die Hälfte der Brustkrebs-Fälle nicht oder erst zu spät erkannt wird. Zahlen, welche schockieren - und welche die in Nidau wohnhafte Forscherin Ivana Balic dazu bewogen haben, in den Kampf gegen diesen Missstand zu ziehen.

 

Alternative Früherkennung

Bei Routineuntersuchungen - in der Schweiz bei Frauen ab 50 Jahren empfohlen - ist nach wie vor die Mammographie die verbreitetste und im Vergleich kostengünstigste Methode. Das Verfahren, bei dem die Brust zwischen zwei Platten zum Erstellen von Bildern eingeklemmt wird, ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch oftmals nicht in der Lage, Tumore durch gerade bei jungen Frauen verbreitetes dichtes Drüsengewebe zu erkennen. Erst bei einem expliziten Verdacht wird die Magnetresonanztomographie (MRI) angewendet. Diese Technologie ist gemäss Balic sehr sicher in der Früherkennung von Brustkrebs, allerdings aufgrund des Aufwands nicht für Routineuntersuchungen geeignet und zudem enorm kostspielig.

Die studierte Elektroingenieurin setzte sich also zum Ziel, ein Gerät zu entwickeln, das in seinen Ergebnissen die Qualität eines MRIs hat, aber in der Anwendung und in Bezug auf den finanziellen Aspekt routinetauglich ist - auch für dichtes Brustgewebe. Das geeignete Verfahren fand die bald zweifache Mutter in der Ultraschalltechnik. «Das Problem am bisherigen Entwicklungsstand war, dass es nur zweidimmensionale Bilder ermöglichte und durch die manuelle Bedienung stark vom behandelnden Arzt abhängig ist. Dies ist eine grosse Fehlerquelle», sagt Balic.

Bereits zuvor hat die heutige Firmeninhaberin als Forscherin für diverse Firmen in der Entwicklung von Ultraschall-Technik gearbeitet. Diese Idee liess sie aber 2011 den Schritt in die Unabhängigkeit wagen. «Ein grosser Schritt, der viele Jahre der Investition erfordert. Wahrscheinlich war es gut, nicht zu wissen, was alles auf mich zu kommt, sonst hätte ich dies womöglich nicht getan», lacht sie heute.

 

Revolutionspotenzial

Heute beschäftigt ihre Firma Sono View im Innocampus bereits zwei Forschungsingenieure. Mit dem entwickelten Ultraschallgerät, welches eine angenehme Anwendung ermöglicht, werden dreidimmensionale Bilder auf MRI-Niveau erstellt - und das zu einem Zehntel des Preises eines MRI-Verfahrens. Zudem funktioniert es auf automatischer Basis, die ungenaue manuelle Bedienung fällt weg.

Bereits Ende Jahr wird der Prototyp des sogenannten «Sono Scanners» fertiggestellt. Ein Meilenstein. Die enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Fraunhofer Institut, die in Europa grösste Organisation für anwendungsorientierte Forschung, ist dabei ein zentraler Punkt.

Damit hat Balic aber erst ein Etappenziel erreicht: Danach soll ein klinischer Prototyp folgen, eine weitere, nötige Investition, bevor das Gerät tatsächlich an Hausärzte und Krankenhäuser verkauft werden kann.

Ein Produkt mit medizinischem Revolutionspotential, sofern sich weiterhin genügend Investoren finden. Denn Gewinn bringt das Produkt noch keinen ein: «Wir hoffen, dass wir den Sono Scanner bereits in zwei Jahren verkaufen können. Etwa zwei bis drei Jahre kommen hinzu, bis sich das Gerät etabliert hat», sagt die Forscherin fast trocken über ihr Produkt, das künftig Leben retten kann.

 

Frau als Geschäftsführerin

«Als Forscherin erwarten die Leute von dir, dass du etwas Grossartiges schaffst. Als Firmengründerin und Geschäftsführerin rechnen sie mit dem Gegenteil», erklärt Balic das Paradoxum. Viele würden sie noch immer nach ihrem Chef fragen, lacht sie. Vielleicht kann ich diesbezüglich noch etwas verändern. Der Zeitpunkt für eine Veränderung in Sachen Brustkrebs-Früherkennung scheint hingegen perfekt: «Die Leute sind sich langsam aber sicher bewusst geworden, dass Mammographie an Grenzen stösst. Es braucht eine Alternative, die bereits bei jungen Frauen anwendbar ist.» In die Zukunft blickend, hat Balic ein klares Ziel: «Brustkrebs darf keine lebensgefährliche Krankheit mehr sein.»

 

«Wir wurden hochgradig gefördert»

 

Haushaltshilfen gibt es viele, sinnvolle nur wenige. Die Beschichtungsflüssigkeit des Startups Swiss-9 gehört klar zu Letzteren. Anders als seine Frau Ivana ist Edin Balic bereits beim Vertrieb seines Produktes angekommen. Der Doktor in Mechanical Engineering entwickelte die Technologie der Swiss-9 Produkte als Forscher bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa.

Die dabei entwickelte Technologie ist einzigartig: Die Beschichtungsflüssigkeit ist wasserabweisend. Kommt die behandelte Oberfläche mit Wasser in Berührung, zieht sich das Wasser in kleine Tröpfchen zusammen, die anschliessend der Oberfläche entlang rollen. Besonders geeignet ist die Beschichtung für Badezimmeroberflächen. «Es gibt nur noch minime Kalküberreste und die berüchtigten Wasserflecken werden auf ein Minimum reduziert. Man muss seltener putzen, und wenn, kann man auf starke Putzmittel verzichten», so Balic.

Eine Firma, die der Forscher und sein zweiköpfiges Team bereits von seinen Produkten überzeugt hat, ist Duscholux. Als erster Kunde bringt sie ein Kit mit den Produkten von Swiss-9 auf den Markt. Die Firma befindet sich mit der geplanten Expansion ins Ausland nächstes Jahr in einer entscheidenden Phase. Ihr Ziel, in einigen Jahren ein mittleres Unternehmen zu sein, rückt näher. Balic lobt dabei die Unterstützung für ihr Startup: «Sowohl die Stiftung für Technische Innovation STI, die Wirtschaftsförderung Kanton Bern, wie auch Innocampus haben uns hochgradig gefördert. Ohne diese Unterstützung wären wir nicht hier».

Die in Biel selbst produzierte Flüssigkeit kann auf jeder Oberfläche ausser Plastik angewendet werden - sogar auf Holz. Der Effekt hält mehrere Jahre an. Davon profitiert auch der Startup-Gründer selbst. «Die Erfindung kommt nicht von ungefähr. Putzen ist daheim meine Aufgabe», gibt er lachend zu.

I.B.: Ich wusste nicht viel vom Business. Bald merkte ich, was ich all die Zeit verpasst habe. Aber man muss wissen: Du wirst nicht auf einmal erfolgreich. Es wird Rückschläge geben, man darf sich nicht entmutigen lassen, sondern aufstehen und in dieselbe Richtung weitergehen.

 

Startup-Weekend

Erstmals findet dieses Wochenende ein Startup-Weekend in Biel statt, ein Eventformat, das weltweit bereits grossen Anklang fand. Vom Freitag- bis Sonntagabend (20.-22. März) sind alle Teilnehmer mit zündenden Geschäftsideen oder mit Interesse, ihre Fähigkeiten gerne in ein Startup-Team einzubringen, im Innocampus willkommen. Anmeldefrist ist der 18. März.

http://www.innocampus.ch/startup-weekend-biel

 

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