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Gesundheitswesen

Bundesamt verteuert Medikamente

Das Bundesamt für Gesundheit hat seine Aufsicht über die Krankenversicherer verschärft.Das führt bei der Medikamentenabgabe in Spitalapotheken zu höheren Kosten.

Die Versicherer bezahlen künftig auch den Spitalapotheken nur jene Packungen, die auf der Spezialitätenliste stehen. Bild: Keystone

Dominik Feusi

Wer in grösseren Mengen einkauft, kann Geld sparen. Das gilt auch bei zahlreichen Medikamenten. Gerade in Spitälern, wo viele Arzneimittel bei zahlreichen Patienten gleichzeitig eingesetzt werden, konnten Spitalapotheker dank Grosspackungen profitieren. Dabei wurde jeweils den Krankenversicherungen der günstigere Tarif verrechnet, und zwar auch dann, wenn eine Grosspackung auf der Liste der bezahlten Arzneimittel, der sogenannten Spezialitätenliste, nicht aufgeführt war. «Damit haben wir den Kassen und ihren Versicherten über Jahre Millionen Franken an Kosten eingespart», sagt Enea Martinelli, Chefapotheker der Spitäler Frutigen, Meiringen und Interlaken. Die drei Institute behandeln gut 10 000 Fälle pro Jahr.

Mit der Kostenersparnis ist nun Schluss. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Aufsicht über die Krankenversicherer verschärft. Es kontrolliert nun genauer, dass die Versicherer nur genau jene Packungen bezahlen, welche auf der Spezialitätenliste aufgeführt sind. Die Kassen setzen die Neuregelung gegenüber den Leistungserbringern wie Spitalapotheker Martinelli konsequent um. Erste Krankenversicherer änderten die Vergütung schon Anfang Jahr, per 1. April sind weitere Kassen dazu übergegangen, die Grosspackungen nicht mehr zu bezahlen.

Fünf Mal höhere Kosten
Was die Praxisänderung für Folgen hat, zeigt Martinelli anhand des Wirkstoffes Oxaliplatin auf. Dieser wird in der Chemotherapie gegen Krebs eingesetzt. Auf der Spezialitätenliste sind Flaschen mit 50 und 100 Milligramm aufgeführt. Da im Spital meistens mehrere Patienten pro Tag behandelt werden, setzt Martinelli die grösseren Flaschen mit 200 Milligramm ein. Sie sind pro Milligramm günstiger, eine Therapie kommt auf 97 Franken pro Patient.

Doch nun findet man die grossen Flaschen nicht auf der Spezialitätenliste. Die Krankenkasse KPT verlangt also, dass das Spital die kleineren, aber teureren Flaschen verwendet. Eine Therapie kostet dadurch 486 Franken – also fast fünf Mal mehr. Ein Patient erhält diese Therapie alle 14 Tage während 24 Wochen. Die Mehrkosten belaufen sich dadurch auf 4668 Franken pro Patient. Martinelli verrechnet den Kassen seit Jahren den tieferen Preis. Er wundert sich darüber, dass die Kassen mehr bezahlen wollen. Die KPT verweist auf das Bundesamt für Gesundheit. Dieses habe ausdrücklich darauf hingewiesen, nur Leistungen zu bezahlen, die im Pflichtleistungskatalog vermerkt seien. Die Versicherung bedauert, dass keine pragmatischen Lösungen möglich seien. «Wir wünschen uns vom BAG und der Politik mehr Flexibilität, vor allem wenn es um mögliche Kosteneinsparungen geht», sagt KPT-Sprecher Beni Meier.

Auch Santésuisse, der Verband der Krankenversicherer, bedauert den Entscheid des Bundes. Mediensprecher Manuel Ackermann fordert, dass etwas geschieht: «Wir erwarten, dass das BAG die Spezialitätenliste entsprechend erweitert.»

Das BAG betont, man müsse die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Zudem könne es auch sein, dass grössere Packungen teurer seien. «Das BAG ist derzeit daran, die Liste von ‹Grand frère›-Packungen zu prüfen und wird mit den entsprechenden Pharmaunternehmen Kontakt aufnehmen», sagt BAG-Sprecher Jonas Montani. Diese würden in der Folge die Möglichkeit haben, mittels einfachen Gesuchs eine Aufnahme auf die Spezialitätenliste zu beantragen. Martinelli zweifelt allerdings daran, dass die Unternehmen freiwillig neue Packungsgrössen anmelden, mit denen sie weniger verdienen.

Plötzlich nicht mehr zulässig
Der Vorgang ist kein Einzelfall dafür, wie Paragrafen jahrelang funktionierende Lösungen erschweren. Martinelli erzählt von einem Beruhigungsmittel, das in der Alterspflege eingesetzt wird. Die kleinste erhältliche Dosierung sind Tabletten zu 25 Milligramm. In der Regel genügen jedoch 5 bis 10 Milligramm. «Die Tablette hat 6 Millimeter Durchmesser, keine Rille zur Teilung und müsste trotzdem zur Verwendung von Hand in fünf gleich grosse Stücke zerteilt werden», sagt Martinelli, «das ist schlicht unmöglich.»

Der Spitalapotheker hat deshalb den Wirkstoff direkt beschafft und daraus Kapseln mit der richtigen Dosierung hergestellt. «Das war über 30 Jahre nie ein Problem», sagt Martinelli. Er versorgte damit nicht nur die Spitäler, für die er zuständig ist, sondern auch Heime, die vor dem gleichen Problem standen. Doch auch dies ist seit kurzem nicht mehr zulässig. Martinelli darf nur noch die kleinen 25-mg-Tabletten nehmen, sie zerstampfen und gestreckt mit Füllmaterial in neue Kapseln abfüllen. «So kostet aber die Kapsel statt 45 Franken das Doppelte», sagt er und schüttelt den Kopf.

Ähnliche Probleme gibt es bei Medikamenten für Neugeborene und Kinder, die ebenfalls in kleineren Dosen als für Erwachsene abgegeben werden. Hierzu lässt der Bund neue Empfehlungen erarbeiten, wie Arzneimittel für Neugeborene und Minderjährige dosiert werden müssen. Doch werden diese Empfehlungen vom Spitalapotheker umgesetzt, dürfen sie nicht bezahlt werden.

Der Grund für das Problem liegt in der Arzneimittelliste mit Tarif (ALT), die das BAG herausgibt. Diese Liste wurde seit 2002 nicht mehr aktualisiert. «Sie entspricht nicht mehr der übrigen Heilmittelgesetzgebung, die seither zwei Mal revidiert worden ist», sagt Martinelli. Das Heilmittelgesetz sehe vor, dass Apotheker Serien wie die Kapseln mit der kleineren Dosierung des Beruhigungsmittels machen dürfen, doch die veraltete ALT verhindere dies. Bis anhin hätten die Kassen so angefertigte Arzneimittel trotzdem vergütet. «Mit der strengeren Aufsicht ist das aber vorbei», so Martinelli.

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