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Kurzarbeit

Bundesrat soll den Unternehmen helfen

Wirtschaftsverbände und Politiker der Region fordern eine Neuausrichtung der Kurzarbeit. Diese soll sicherstellen, dass Ausbildung und Innovation in KMU auch in Konjunkturbaissen gesichert sind.

Lehrlinge wie dieser angehende Polymechaniker sollen auch während der Kurzarbeit betreut werden können, fordern Wirtschaftsverbände in der Region (Symbolbild).  copyright: keystone

Tobias Graden


Wenn Unternehmen aus konjunkturellen Gründen eine Nachfragebaisse haben, hilft ihnen ein Instrument:die Kurzarbeit. Das Personal reduziert das Arbeitspensum, die Arbeitslosenversicherung zahlt 70 bis 80 Prozent des Erwerbsausfalls. Die Unternehmen sparen so Kosten und können gleichwohl das Know-how in der Firma halten.
Das erprobte und bewährte Modell hat allerdings Schwachstellen. So kann Kurzarbeit nur im gesamten Unternehmen angewendet werden, nicht in einzelnen Abteilungen (es sei denn, diese funktionierten sehr eigenständig). Darum müssen auch Lehrlingsausbildner kurzarbeiten, womit die Ausbildung leidet. «Firmen, die Lehrlinge ausbilden, müssen zwischen dem Verzicht auf die Kurzarbeit oder der Fremdplatzierung ihrer Lehrlinge wählen», sagt SP-Ständerat Hans Stöckli.

Ständerat macht Druck
Stöckli unterstützt darum die Forderung der Volkswirtschaftskammer des Berner Jura (CEP). Diese hat letzte Woche einen Brief an Bundespräsident Johann Schneider-Ammann geschrieben. Darin fordert sie, dass in Unternehmen mit Kurzarbeit die Lehrlingsausbildner sowie die Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung voll weiterarbeiten dürfen, der von Kurzarbeit betroffene Lohnanteil aber wie bei ihren Kolleginnen und Kollegen von der Arbeitslosenkasse gezahlt wird.
Die Forderung wird auch von der Wirtschaftskammer Biel-Seeland unterstützt. Geschäftsführer Gilbert Hürsch sagt: «Uns geht es nicht darum, unternehmerische Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Doch die Industrie soll in dieser schwierigen Zeit ihre Innovationskraft halten können.»
In der Tat entstünden für die Arbeitslosenversicherung keine Mehrkosten. Den durch die Kurzarbeitsentschädigung ungedeckten Lohnanteil der Mitarbeiter würde nämlich das Unternehmen bezahlen. Die Firmen könnten die Unterstützung auch nur so lange in Anspruch nehmen wie die Kurzarbeitsentschädigung, also maximal zwei Jahre.
Der Vorschlag dürfte denn auch Zustimmung finden. Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern jedenfalls teilt auf Anfrage mit, dass sie das Anliegen unterstützt:«Gut ausgebildete Mitarbeitende sind für die Unternehmen und die Volkswirtschaft als Ganzes sehr wichtig. In Zeiten von Kurzarbeit bedeutet die Betreuung von auszubildenden Berufsleuten eine grosse zusätzliche Herausforderung und finanzielle Belastung für ein Unternehmen.»
Heute wird das Anliegen auf Bestreben Stöcklis in der Parlamentarischen Gruppe Uhrenindustrie besprochen, die von Ständerat Didier Berberat (SP) präsidiert wird. Stöckli ist zuversichtlich, dass der Vorschlag breit unterstützt wird, und zwar über die Parteien hinweg und von Vertretern des ganzen Jurabogens. Neben ihm engagiert sich auch Nationalrat Manfred Bühler (SVP) in der Sache.

So rasch wie möglich
Im Kanton Bern sind besonders die RAV-Regionen Seeland und Berner Jura betroffen. Von den kantonsweit 544 Voranmeldungen für Kurzarbeit, die bei der Volkswirtschaftsdirektion vom1. Januar bis zum 31. August dieses Jahres eingegangen sind, stammen 320 aus dieser Region. Total sind 236 Firmen betroffen (ganzer Kanton: 415), sie beschäftigen 6817 Mitarbeiter. 226 Voranmeldungen aus der Region wurden mit dem starken Schweizer Franken begründet (diese Möglichkeit wurde im Januar 2015 nach der Aufhebung der Mindestkurspolitik eingeführt).
Stöckli und Bühler bauen nun also politischen Druck auf. Sie werden einen Termin bei Bundespräsident Johann Schneider-Ammann verlangen. Geht es nach ihnen, wird der Bundesrat auf der Rechtsgrundlage des geltenden Gesetzes einen Pilotversuch ermöglichen, wie dies auch in den Krisenjahren 2008 und 2009 erfolgte. Das Ziel ist, dass dieser innert weniger Wochen starten kann. Zumindest im Falle der Lehrlingsbetreuer ist Hans Stöckli zuversichtlich – «was die  Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung betrifft, dürfte es schwieriger sein, die Forderung im Rahmen der geltenden Bestimmungen zu regeln». Sollte sich der Bundesrat nicht für das Anliegen erwärmen, müssten die interessierten Kreise den ordentlichen politischen Weg einschlagen und auf eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen hinarbeiten. Dies würde allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen, und die Anpassung wäre frühestens in der nächsten Krise wirksam.
Wibs-Geschäftsführer Gilbert Hürsch hofft, dass den Unternehmen rasch geholfen werden kann. Er sagt: «Wenn jetzt Lücken in der Innovation und der Ausbildung entstehen, ernten wir mittel- und langfristig die Probleme.»

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