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Uhrenindustrie

Chinesen kaufen vermehrt in Europa

Die Uhrenexporte nach China und Hongkong schwächeln. Kompensiert wird der Rückgang teilweise in Europa. Bei chinesischen Touristen sind Schweizer Uhren nach wie vor begehrt.

Schweizer Uhrenmarken sind in Asien nach wie vor stark präsent, hier ein Werbeplakat in Hongkong. Das Geschäft hat allerdings nachgelassen. copyright: ohconfucius/cc-by-3.0

von Daniel Rohrbach

Um nicht weniger als 38,5 Prozent haben die Uhrenexporte nach China im August verglichen mit dem Vorjahresmonat abgenommen. Gingen im August 2014 noch Uhren im Wert von 132,1 Millionen Franken ins Reich der Mitte, waren es im diesjährigen August nur noch 81,2 Millionen Franken.

Etwas weniger dramatisch sieht es aus, wenn man die Zahlen für die ersten acht Monate des laufenden Jahres nimmt. Hier beträgt das Minus gegenüber dem Vorjahr 8,8 Prozent. Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (Fédération Horlogère, FH) verweist auf das verminderte Wachstum der chinesischen Wirtschaft und die Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung als Erklärung für rückläufige Geschäfte.

Noch stärker betroffen vom Rückgang ist Hongkong. Die Exporte verzeichnen für die ersten acht Monate des laufenden Jahres ein Minus von 20,8 Prozent. Nebst den beiden oben genannten Gründen haben laut Patrik Schwendimann, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, auch die letztjährigen Studentenunruhen zu diesem Ergebnis beigetragen.

Fortis verschiebt Markteintritt

Bei einzelnen Marken hat die Abschwächung in China und Hongkong oder auch das kriselnde Russland bereits Spuren hinterlassen. Corum, Christophe Claret, Girard-Perregaux und Ulysse Nardin haben in diesem Jahr Stellen gekürzt. Bei der Grenchner Fortis hat man den auf dieses Jahr geplanten Markteintritt in China verschoben. «Der Markt in Hongkong ist eingebrochen», sagt CEO Maximilian Spitzy. Deshalb warte man vorerst ab. Er hoffe aber, so Spitzy, dass man im nächsten Jahr den Markteintritt hinbekommt. Denn, sagt der Fortis-Chef: «Wir müssen nach China.»

Auch wenn die Uhrenabsätze in China rückläufig sind, heisst das nicht unbedingt, dass das Interesse der chinesischen Konsumenten an Schweizer Uhren zurückginge. Auf ihren Reisen seien die chinesischen Touristen nach wie vor kauffreudig, sagt FH-Präsident Jean-Daniel Pasche. Sie kaufen ihre Uhren wegen der staatlichen Kontrollen nun nicht mehr in der ehemaligen britischen Kronkolonie, sondern in anderen asiatischen Staaten wie Südkorea (plus 9,4 Prozent), Thailand (plus 18,4 Prozent) oder in europäischen Ländern. Die Exporte nach Deutschland, Frankreich, ins Vereinigten Königreich und nach Italien legten im August im tiefen zweistelligen Prozentbereich zu. Unter dem Strich resultierte denn auch bei den Gesamtexportzahlen für die ersten acht Monate lediglich ein Minus von 1,2 Prozent.

Marge fällt tiefer aus

Für Analyst Schwendimann sind die zweistelligen Wachstumsraten in einigen europäischen Ländern zumindest eine Teilerklärung für die rückläufigen Zahlen in China. «Die Chinesen kaufen Uhren in Europa, weil hier die hohen chinesischen Steuern wegfallen», erklärt er.

Die rückläufigen Zahlen seien aber zumindest für den Monat Juli etwas zu relativieren. So habe es im Juli 2014 gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 49 Prozent gegeben. Eine mögliche Erklärung für dieses grosse Wachstum ist gemäss Patrik Schwendimann die damals erfolgte Reduktion der Steuern auf Schweizer Uhren.

Im darauffolgenden August habe aber das Plus nur noch 16 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat betragen. Dies sei ein gewisses Indiz dafür, dass die Stimmung in China nicht sonderlich gut sei. Zu den stark rückläufigen Exportzahlen für Hongkong sagt Schwendimann: «Anfang Jahr ist man noch guten Mutes gewesen. Nun ist es aber so, dass der Gegenwind doch stärker ist, als man gedacht hatte.» Dies sei insofern bedeutsam, weil die Uhrenindustrie hier in der Vergangenheit wegen fehlender Konsumsteuern und hohen Umsätzen pro Quadratmeter Verkaufsfläche eine überdurchschnittliche hohe Marge erzielen konnte.

Schwankungen gehören dazu

Eher gelassen gibt sich Daniel Schluep, CEO und Eigentümer der Grenchner Uhrenfirma Titoni. Schwankungen gehörten zum Geschäft, sagt er. Die Goldgräberstimmung in China sei der Nüchternheit gewichen. Das Familienunternehmen ist bereits seit Ende der 50er-Jahre in China aktiv. Verkauft werden die Titoni-Uhren in China in über 650 Verkaufspunkten. Im letzten Jahr produzierte Titoni 165 000 Uhren, die Hälfte davon verkauft das Unternehmen in China. Für das laufende Jahr rechnet Schluep mit einem leichten Rückgang. Bei der Swatch Group läuft das China-Geschäft ungebrochen gut. «Wir verkaufen auch dieses Jahr an Chinesen in China und ausserhalb Chinas mehr als im letzten Jahr, in Lokalwährungen», sagte CEO Nick Hayek Mitte September im Interview mit der Zeitung «Schweiz am Sonntag». Die Marke Swatch verzeichne in Festlandchina ein Wachstum von 15 Prozent und andere Marken würden weiterhin einstellig in Lokalwährungen und in Stückzahlen wachsen.

Doch nicht nur in China konnte die Swatch Group gemäss Hayek zulegen, sondern auch in der Schweiz. In Luzern und Interlaken habe das Wachstum in den Monaten Juli und August teilweise 50 Prozent und mehr betragen.

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Uhrenkonzerne büssen an der Börse ein

• Die Aktien der Swatch Group und die Titel des Uhren- und Schmuckkonzerns Richemont haben in den vergangenen Wochen deutlicher unter der allgemeinen Börsenschwäche gelitten als Aktien aus anderen Branchen.

• Anleger und Analysten befürchten, dass die Luxusgüterbranche die harte Landung der chinesischen Wirtschaft besonders stark zu spüren bekäme.

• Während der Schweizer Leitindex SMI seit Jahresbeginn um 6,7 Prozent nachgegeben hat, betragen die Kurseinbussen die Swatch Group rund 20 Prozent und diejenigen von Richemont rund 17 Prozent. dr

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