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Longines

«Chinesen sind halt weiterhin sehr gute Kunden»

Die Schweizer Uhrenexporte waren im Oktober abermals rückläufig. Aber die Marke Longines behauptet sich erfolgreich gegen den Trend. Firmenchef Walter von Känel erklärt warum.

Walter von Känel hat Longines zur viertgrössten Schweizer Uhrenfirma gemacht. Copyright: Stéphane Gerber

von Philippe Oudot/pl

Seit Monaten leiden etliche Uhrenhersteller des Jurabogens an der Abkühlung der Märkte. Inzwischen kursieren Meldungen über Restrukturierungen und Personalabbau. Auch die monatlichen Erhebungen des Verbands der schweizerischen Uhrenindustrie (FH) sprechen eine klare Sprache: Der Oktober gilt allgemein als umsatzstärkster Monat des Jahres, aber heuer liegen die Exporte 12 Prozent unter der Vorjahresperiode. Besonders stark ist Hongkong, der grösste Markt für Schweizer Uhren, eingebrochen (minus 38,5 Prozent allein im Oktober, minus 22,7 Prozent seit Jahresbeginn).

In diesem drückenden wirtschaftlichen Umfeld erscheint die Marke Longines wie ein Lichtblick. «Ich kann auch heute gut schlafen», sagt Firmenchef Walter von Känel im Gespräch mit regionalen Medienvertretern. Allerdings kennt auch der Uhrenhersteller aus Saint-Imier nicht mehr die rasanten Wachstumszahlen der vergangenen Jahre, aber darben muss das Unternehmen deshalb nicht, bestätigt von Känel: «Ich habe keinerlei Kürzungen angeordnet, weder bei unseren Bestellungen noch bei den Investitionen und erst recht nicht beim Marketing.»

Keine Spur von Krise

In der Fabrik in Saint-Imier ist keine Spur von Krise zu erkennen, im Gegenteil: Longines verstärkt gerade seine Marketingabteilung und stellt zudem neue Mitarbeitende ein. Im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft wird ausnahmsweise sogar am Samstagmorgen gearbeitet. Das Unternehmen habe sich den Erfolg verdient, erklärt der Firmenchef: «Unsere Gesamtstrategie, eine sorgsame Lagerbewirtschaftung und die verlässliche Preispolitik haben Longines eine dominante Stellung in ihrem Marktsegment gesichert.» Die Zahlen sprechen für sich: Seit zwei Jahren liegt der Umsatz über einer Milliarde Franken. Damit ist Longines viertgrösster Schweizer Uhrenhersteller.

Trotzdem spürt auch Longines die Nachfrageschwäche in Hongkong, allerdings in viel geringerem Ausmass als der Durchschnitt der Uhrenbranche. «Wir leiden immer noch an den Nachwehen der ‹Regenschirm-Bewegung›», meint von Känel. Die Jugendproteste hatten Ende 2014 das Finanzzentrum von Hongkong lahmgelegt.  Seither reisen weniger Touristen aus Kontinentalchina in die ehemalige Kronkolonie, und das Geld sitzt ihnen nicht mehr so locker in der Tasche. Beobachtungen zeigen, dass Geschäfte mit mehreren Markenvertretungen am meisten leiden. Die Boutiquen von Longines – eigene Stores oder Franchisenehmer – verzeichneten weniger Umsatzeinbussen, so von Känel. Longines betreibt weltweit 16 eigene Stores; zudem ist die Marke exklusiv mit 120 Franchiseunternehmen vertreten.

Thailand springt ein

Wegen der Mers-Epidemie, die im Frühling Südkorea heimsuchte, waren die Uhrenverkäufe im ostasiatischen Land «satanisch» eingebrochen, so von Känel. Allerdings habe sich die Lage inzwischen ein wenig stabilisiert, und man spüre zumindest «positive Vibrationen», berichtet er. Die Touristen aus Kontinentalchina seien anstatt in Hongkong und Südkorea vermehrt in Japan und Thailand auf Shoppingtour gegangen. Dort konnte Longines «ausserordentliche» Verkaufserfolge verbuchen. So wurde der Einbruch in Hongkong zumindest teilweise aufgefangen. 

Auf dem chinesischen Festland hat Longines Umsatz und Marktposition gehalten. Das liege am Preissegment, sagt von Känel (unter den Schweizer Qualitätsuhren liegt Longines in der mittleren Kategorie, d. Red.). «Die teuren Prestigemarken mussten am meisten Federn lassen», sagt denn auch der Firmenchef. Tatsächlich führt die Regierung der Volksrepublik derzeit eine Kampagne gegen Korruption, teure Geschenke und auffälligen Luxus.

Auch im Mittleren Osten, besonders in den Emiraten, brummt das Geschäft – eine Folge eines Konzernentscheids von Swatch Group: Bisher wurde der Vertrieb der Uhren durch die Firma Rivoli mit 200 Boutiquen gewährleistet. Vor Kurzem hat Swatch Group dieses Unternehmen in den Konzern übernommen.

Longines ist auch auf den europäischen Märkten erfolgreich. Frankreich, Italien, Deutschland und sogar die Schweiz entwickeln sich gut. Aber wie ist das nach den düsteren Meldungen über den rückläufigen Tourismus möglich? «Die Chinesen sind halt weiterhin sehr gute Kunden», erklärt der Chef von Longines.   

Kraftakt in den USA

Walter von Känel kündigt an, dass seine Marke in den USA zu einem regelrechten Kraftakt ansetzen werde. Dafür wird der gesamte Vertrieb umgekrempelt. Jüngst hat Longines einen neuen Store in Honolulu eröffnet, und bald entstehen weitere Geschäfte im New Yorker World Trade Center und im Miami.

Der erfolgreiche Unternehmensführer hat Grund genug, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Auch die Einführung der neuen Bestimmungen zum Label «Swiss made» bereiten ihm kein Kopfzerbrechen. Neu müssen  mindestens 60 Prozent der Wertschöpfung eines Produktes aus der Schweiz stammen, damit es als Schweizer Erzeugnis gilt. Dazu sagt von Känel: «Swatch Group tätigt derzeit grosse Investitionen in neue Schweizer Produktionsstätten.» Auch hinter dem Zifferblatt wird es also in Zukunft nicht an «Swissness» fehlen.

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