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Logistik

Das Gesetz behindert die Diesel-Alternative

Flüssigerdgas ist ökologischer als Diesel. Deshalb haben die Logistikfirma Krummen AG aus Kerzers und der Discounter Lidl Schweiz viel Geld in die Umstellung investiert. Doch jetzt sorgt ein Gesetzesartikel für Unmut.

Pionierarbeit in der Logistik: Die Gebrüder Krummen sehen viel Potenzial im Flüssigerdgas. Bild: zvg

Manuela Schnyder

«Goodbye Diesel – Hello LNG»: So heisst das Projekt für eine nachhaltigere Logistik in der Schweiz. Es wird von der Logistikfirma Krummen AG aus Kerzers und dem Discounter Lidl Schweiz vorangetrieben. LNG steht dabei für Liquid Natural Gas, also verflüssigtes Erdgas. Als Brennstoff für Lastwagen bringt es den Vorteil, dass es deutlich sauberer verbrennt als Diesel. Der CO-Ausstoss liegt um 15 Prozent tiefer, Stickoxide werden um 35 Prozent und Feinstaub gar um 95 Prozent reduziert. Wird dem Erdgas Biogas zugemischt, können die CO-Emissionen noch weiter reduziert werden, theoretisch bis nahezu auf null. Damit ebnet der alternative Antrieb den Weg zu einem komplett fossilfreien Lastwagenverkehr. Zwar ist heute Biogas in der Schweiz nicht in ausreichender Menge vorhanden und die Technologie noch nicht ausgereift, doch die Partner forschen mit dem Bundesamt für Energie, dem Forschungsfonds der Gasindustrie und der Technischen Hochschule Rapperswil in St. Gallen eifrig daran, die fossilfreie Variante wirtschaftlich zu machen. Bis dahin soll mit Flüssigerdgas gefahren werden.

Auch ökonomisch sinnvoll
Während in zahlreichen europäischen Ländern LNG-Lastwagen und die dazu nötige Tankstellen-Infrastruktur vom Staat mitfinanziert werden, fehlt in der Schweiz bislang die politische Unterstützung. Doch auch ohne Subventionen rechnet sich die Umstellung auf den alternativen Treibstoff. So haben die beiden Unternehmen Ende Juni die landesweit ersten zwei Tankstellen für LNG-Lastwagen eröffnet – eine beim Lidl-Verteilzentrum in Weinfelden im Kanton Thurgau, die andere im freiburgischen Sévaz in der Nähe von Estavayer-le-Lac. Sie sollen LNG-Lastwagen auf der wichtigen Ost-West-Achse mit flüssigem Erdgas versorgen. Aktuell betanken sich dort etwas über 20 LNG-Lastwagen mit flüssigem Erdgas, zehn davon gehören der Krummen AG. Rund 200 000 Franken kosteten die neuen LKWs, wie Krummen erklärt. Der Anschaffungspreis sei bei diesen Lastwagen zirka um einen Drittel höher als bei einem dieselbetriebenen Fahrzeug, auch die Unterhaltskosten sind höher. Über die ganze Lebensdauer sollte sich der LNG-Truck aber rechnen. Denn verflüssigtes Erdgas ist mit 1.15 Franken pro Kilogramm an der Tankstelle billiger als Diesel.

Insgesamt mehr als zwei Millionen Franken haben die beiden Projektpartner in neue Lastwagen und eine Tankstellen-Infrastruktur für Flüssigerdgas investiert. Kaum angefahren, werden die grüneren Trucks aber schon wieder abgewürgt. Denn das flüssige Erdgas, das von Marseille per Lastwagen in die Schweiz transportiert wird, verteuert sich auf dem Weg über die Grenze unverhältnismässig. Schuld daran ist ein banaler Fehler im Gesetz.

Doppelt so hohe Steuer
Eine derzeit geltende Importsteuer erhöht den Preis für das Flüssigerdgas weit in den unrentablen Bereich. Und das nur, weil laut Krummen im Gesetz von einer falschen Berechnungsgrundlage ausgegangen wird. Bei Erdgas verflüssigt als Treibstoff fallen gemäss Oberzolldirektion 220,50 Franken Mineralölsteuern pro 1000 Liter bei 15 Grad Celsius an. Dies entbehre aus physikalischer Sicht jeder Sinnhaftigkeit, erklärt Krummen. Es gibt nämlich kein flüssiges Erdgas bei 15 Grad. Erdgas wird nur bei Temperaturen weit unter null flüssig (siehe Infobox). Bei 15 Grad ist das Erdgas also noch gasförmig. Wird dieses nun von Kilogramm in Liter umgerechnet, verdoppelt sich die Steuer.

Konsequenzen hat das vor allem für den Discounter Lidl Schweiz, der die höheren Treibstoffkosten stemmen muss. Die falsche Berechnungsgrundlage führe zu Mehrkosten von 27 Rappen pro Kilogramm Flüssigerdgas, sagt Corina Milz von Lidl Schweiz. Damit erhöht sich der Tankstellenpreis von 1.15 Franken um 20 Prozent. Unter dieser Voraussetzung könne LNG kaum wirtschaftlich eingesetzt werden, sagt die Mediensprecherin. Man habe schon seit Beginn des Projektes mit allen involvierten Ämtern und auch der Politik das Gespräch geführt. Aktuell liege durch den Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller eine Motion zum sofortigen Wechsel bei der Veranlagung von LNG im Bundeshaus. «Wir sind zuversichtlich, dass sich die Politik für den Umweltschutz im Güterverkehr einsetzt», sagt Milz, zumal es sich um einen offenkundigen Fehler handle.

Eine Woche lang Biogas
Fakt ist, dass die Elektromobilität derzeit schlicht keine Alternative für den Langstrecken-Schwerverkehr biete, wie die beiden Partner erklären. LNG könne als Brückentechnologie den Systemwechsel hin zu nachhaltigeren Treibstoffen einleiten. Da die Infrastruktur und die Lastwagen zu einem späteren Zeitpunkt mit Biogas oder synthetischem Gas aus erneuerbaren Energien betrieben werden können. Dass das technisch möglich ist, zeigten die beiden Unternehmen bei der Eröffnung der Tankstellen. Für knapp eine Woche waren die Speicher mit Biogas gefüllt.

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Wie kam es zum Fehler?
Die Steuersätze für Treibstoffe sind im Mineralölsteuergesetz vom 1. Januar 1997 festgelegt. Wie es genau zum Fehler bei der Berechnungsgrundlage (vgl. Haupttext) kam, könne heute nicht mehr genau rekonstruiert werden, teilt David Marquis mit, der stellvertrende Leiter Kommunikation der Eidgenössischen Zollverwaltung EZV. Allerdings war dies bislang offenbar auch nicht relevant: «Sicher ist, dass er während des ganzen Gesetzgebungsprozesses anfangs der 90er-Jahre über Vernehmlassung und Anhörungen weder den Behörden noch der Erdgasbranche aufgefallen ist. Wahrscheinlich auch, weil das Produkt damals noch nicht so bekannt war.»

Die EZV habe nun vorgeschlagen, die Bemessungsgrundlage und den Steuersatz für LNG anzupassen. Dieser Vorschlag ist in der neuen Botschaft zum COGesetz und auch bei der parlamentarischen Initiative von Thierry Burkart (FDP, AG) aufgenommen. Nach der Annahme durch das Parlament werden Flüssigerdgas und komprimiertes Erdgas (CNG) aus fiskalischer Sicht gleichgestellt sein. Marquis schreibt: «Sie werden die gleiche Bemessungsgrundlage haben, nämlich je 1000 Kilogramm, und die gleichen Steuersätze, unbesehen ihres Aggregatszustandes und ihrer Zweckbestimmung (Treibstoff oder Brennstoff) anlässlich ihrer Versteuerung.» tg

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Eiskalte Flüssigkeit
Erdgas wird bei ultratiefen Temperaturen flüssig. Verflüssigtes Erdgas (LNG: Liquid Natural Gas) wird bei der Herstellung auf -161 Grad gekühlt, wobei es sich im Volumen um das 600-fache reduziert. LNG benötigt dann noch das 1,8 fache Volumen von Diesel und braucht nicht viel mehr Platz im Tank. Gegenüber Diesel reduziert LNG die CO2-Emissionen um bis zu 15 Prozent. LNG-Lastwagen erreichen Reichweiten von bis zu 1000 Kilomtern und sind daher für den Langstreckenverkehr geeignet. Zum Betanken sind wegen der sehr tiefen Resttemperatur von -125 bis -140 Grad Schutzbrille und Schutzhandschuhe nötig, weil der Tankstutzen gefriert und eiskalter Dampf austritt. msd

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