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Pandemie

Das gilt jetzt am Arbeitsplatz

Der Bundesrat hat in einem Schritt viele Covid-19-Vorschriften gelockert. Doch arbeitsrechtlich gibt es vorläufig noch einige Spezialfälle. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Fürsorgepflicht bleibt bestehen: Besonders gefährdete Personen haben weiterhin Anspruch auf Homeoffice. Bild: Keystone

Bernhard Kislig

Trotz zahlreicher Lockerungen stellen sich in einer Übergangsphase für Angestellte und Unternehmen aus rechtlicher Sicht weiterhin Fragen. Dazu in folgender Übersicht die Antworten.

 

Was gilt nach der Aufhebung der Homeoffice-Empfehlung?

Jetzt gelten fürs Homeoffice wieder die gleichen Regeln wie vor der Pandemie. Das Obligationenrecht sieht dafür keine spezifischen Bestimmungen vor. Gesetzlich haben Angestellte einerseits kein Recht darauf, die Arbeit zu Hause verrichten zu dürfen. Andererseits dürfen Arbeitgeberinnen ihre Mitarbeitenden auch nicht dazu verpflichten.

 

Soll ich bei Kratzen im Hals oder Husten zu Hause bleiben?

«Betroffene, die an typischen Symptomen wie beispielsweise Husten oder Halsschmerzen leiden, sollten sich gemäss den weiterhin gültigen Anweisungen des Bundesamts für Gesundheit unverzüglich nach Hause begeben und sich testen lassen», sagt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich. Auch Angestellte sollten diese Vorgaben befolgen und bis zum Vorliegen eines Testresultats nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Rudolph taxiert dies als «unverschuldete Verhinderung» der Mitarbeitenden. Demnach haben sie in solchen Fällen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Falls zumutbar, sollte von zu Hause aus gearbeitet werden. Angestellte und Unternehmen sollten also mit gewissen Erkältungssymptomen vorläufig nicht mehr so leichtfertig umgehen wie noch vor der Pandemie.

 

Soll zu Hause bleiben, wer zwar positiv getestet, aber symptomfrei ist?

Ja, denn für erkrankte Personen gilt weiterhin die Pflicht, sich zu isolieren. Wie bei einer Krankheit ist in diesem Fall auch die Lohnfortzahlung sichergestellt. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob positiv getestete Angestellte im Homeoffice zur Arbeit verpflichtet werden dürfen? «Wenn die Arbeitgeberin das verlangt und soweit es zumutbar ist, darf das von Mitarbeitenden erwartet werden», sagt Roger Rudolph. Unabhängig von der Pandemie müssten Angestellte dazu beitragen, «den Schaden» für das Unternehmen möglichst gering zu halten.

 

Was, wenn Angehörige im gleichen Haushalt an Covid-19 
erkranken?

Da es keine Quarantäne mehr gibt, ist eine Covid-19-Erkrankung von engen Angehörigen grundsätzlich auch kein Grund mehr, zu Hause zu bleiben. Wie eine Umfrage unter einigen grossen Arbeitgeberinnen zeigt, werden einige dies auch so umsetzen. Doch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dies zumindest in einer Übergangsphase noch heikel.

Roger Rudolph würde es bei intensivem Kontakt mit einer positiv getesteten Person «eher bejahen», dass Angestellte in diesem Fall für eine kurze Zeit zu Hause bleiben können, bis ein negativer Test vorliegt. Denn die Pandemie sei noch nicht vorbei, und in diesem Fall bestehe weiterhin ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere Mitarbeitende. Auch rechtlich liesse sich dies durch die Gerichtspraxis stützen: «In schwierigen Situationen kann die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin einen vorübergehenden Anspruch auf Homeoffice rechtfertigen», sagt Roger Rudolph. Er räumt aber in dieser Frage rechtlichen Interpretationsspielraum ein. Das Bundesamt für Gesundheit rät, auf jeglichen ungeschützten Kontakt mit anderen Mitarbeitenden zu verzichten, insbesondere während der Pausen.

Für den Arbeitsrechtsexperten sind die Angestellten verpflichtet, das Unternehmen darüber zu informieren, wenn im eigenen Haushalt Angehörige an Covid-19 erkranken und deswegen von ihnen am Arbeitsplatz ein erhöhtes Ansteckungsrisiko ausgeht.

Roger Rudolph empfiehlt den Unternehmen, für ein «vernünftiges Übergangsregime» Hand zu bieten: «Bei offensichtlich engem Kontakt mit erkrankten Personen sollten Angestellte und Arbeitgeberin das Gespräch suchen und sich auf eine sinnvolle Lösung einigen.»

 

Haben gefährdete Personen Anspruch auf Homeoffice?

Ja, die Sonderschutzbestimmungen für diese Personengruppe gelten weiterhin bis Ende März. Diese sehen einen grundsätzlichen Anspruch auf Homeoffice und alternativ besondere Schutzbestimmungen am Arbeitsplatz vor. Aber auch wenn die Arbeitgeberin diese Massnahmen ergreift, können besonders gefährdete Personen die Arbeit im Betrieb ablehnen, wenn sie die Gefahr einer Ansteckung aus besonderen Gründen als zu hoch erachten.

Aufgrund ihrer Fürsorgepflicht muss die Arbeitgeberin für solche Personen besondere Vorkehrungen treffen. Denkbar wären ein Platz in einem Einzelbüro oder – falls es die Tätigkeit erlaubt – Homeoffice.

 

Darf die Arbeitgeberin weiterhin eine Maskenpflicht verordnen?

Haben die Maskengegner nach Aufhebung der Maskenpflicht keine Sanktionen mehr zu befürchten? «Doch», sagt der Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph, im Einzelfall lasse sich dies nicht ausschliessen. Er begründet dies mit dem Weisungsrecht und der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin. Man könne davon ausgehen, dass die Maske nach wie vor eine gewisse Schutzwirkung habe. «Wenn zum Beispiel in einem Grossraumbüro viele Personen in geringem Abstand zueinander arbeiten, kann deshalb das Tragen einer Maske weiterhin sinnvoll sein, weshalb die Arbeitgeberin dies auch anordnen darf.»

Insbesondere in Berufen, bei denen es um besonders gefährdete Menschen geht, kann ein Unternehmen nach Einschätzung von Roger Rudolph eine Maskenpflicht auch dann weiterhin durchsetzen: «Dies ist zulässig, da diese Massnahme offensichtlich und sachlich begründbar ist.»

Das bedeutet: Selbst wenn die Vorgaben von Bundesrat und Behörden wegfallen, müssen Maskengegnerinnen und -gegner unter Umständen mit Sanktionen bis hin zu einer Kündigung rechnen, wenn sie sich nicht an die Weisungen ihrer Arbeitgeberin halten. Schwierig zu beantworten ist hingegen die Frage, ob ein Unternehmen das Tragen einer Schutzmaske verbieten darf. Bei gefährdeten Personen wäre eine solche Weisung laut Roger Rudolph wohl nicht zumutbar. Bei mehrfach geimpften Angestellten müsste je nach Tätigkeit jeder Fall individuell beurteilt werden.

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