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Biel

Das ö ist dem Gesetz geschuldet

Daraus könnte man doch Rum machen, dachte Mateo Kreienbühl, als er einen Haufen Zuckerrüben sah. Nun folgt mit «Neutrum» die zweite Linie neben «Röm el Primero».

Mateo Kreienbühl zielt mit seinem Röm nun auch auf den chinesischen Markt.   copyright: lee knipp/bieler tagblatt

Tobias Graden

Wenn ein Industrie-Gebäudekomplex nicht mehr oder nicht mehr ganz seinem ursprünglichen Zweck dient, so wird er zum «Areal». Ein solches Areal hat oft eine etwas ambivalente Atmosphäre: Seine Grösse erinnert an goldene Zeiten, die jedoch vergangen sind. Gleichzeitig entsteht im frei werdenden Raum neues, spannendes Leben. So ist es auch im Diametal-Areal eingangs Biel. Alleine das Untergeschoss hat imposante Ausmasse – und so bietet es viel Raum für zahlreiche verschiedene neue Nutzungen und Mieter.
Mateo Kreienbühl ist einer von ihnen. Er durchschreitet den langen Gang und schliesst eine Türe auf. Fässer verbergen sich dahinter, blaue aus Plastik, manche aber auch aus Eichenholz. Hier lagert Kreienbühls Schnapsidee.

Viel Arbeit nötig
Es war vor ein paar Jahren, als Kreienbühl in der Vorweihnachtszeit bei seiner Mutter im solothurnischen Wasseramt weilte. Er schaute aus dem Fenster und träumte vor sich hin, dachte an seine Reisen in Südamerika, an die dortigen Zuckerrohrplantagen und an den Rum, den er genossen hatte. Da fiel sein Blick auf einen Haufen von Zuckerrüben, und es durchfuhr in die Idee: Es müsste doch auch ein Rum aus Zuckerrüben möglich sein!
Mittlerweile ist klar:es ist. Aber das ist nicht so einfach. Der Erfinder von Zuckerrübenschnaps sei er wohl nicht, sagt Kreienbühl selber, «aber ich bin wohl der erste, der die Rüben so lange verarbeitet, bis sie genussfähig sind». Wer im Netz nach Zuckerrübenschnaps sucht, wird denn auch nicht nur bei ihm fündig. Allerdings fertigen andere Hersteller in der Schweiz oder in Österreich ihren Schnaps aus Zuckerrübendicksaft, Kreienbühl dagegen direkt aus den Rüben.
Kreienbühl mag nicht jeden Produktionsschritt verraten, sicher aber ist: Bis zum fertigen Schnaps in der Flasche ist viel Arbeit zu tun. Die Rüben kauft er direkt von der Zuckerfabrik, zusammen mit Kollegen wäscht, schält und zerkleinert er sie von Hand:«Das geht nicht so einfach wie bei Obst.»

«Wirtschaftlicher Unsinn»
Vier Tonnen Rüben hat er im ersten Jahr so verarbeitet. «Wirtschaftlich ist das ein kompletter Unsinn», sagt er, doch als 2015 die erste Linie auf den Markt kam, war sie rasch ausverkauft. Im Jahr darauf verkaufte er eine grössere Charge, «und seither läuft das, gesund wachsend». Röm el Primero, wie Kreienbühl den Schnaps nennt, ist zwar immer noch ein nicht ganz billiges Hobby, doch das Rezept ist skalierbar – wenn die Nachfrage steigt, steht einem Wachstum der Marke nichts im Weg.
Als ähnlich heikel wie die Rübenverarbeitung erwies sich die Namensfindung für das neue Produkt. Als Kreienbühl die erste Charge seines «Rum el Primero» vermarktete, flatterte flugs eine Verfügung der damaligen Eidgenössischen Alkoholverwaltung ins Haus:«Rum» dürfe er seinen Schnaps nicht nennen, diese Bezeichnung sei für das Destillat aus Zuckerrohr reserviert. Was nun? Rüm? Ist zu nahe am Original. Röm? Das lasse man à la limite durchgehen, hiess es. Also fertigte Mateo Kreienbühl einen «ö»-Stempel nach – mit diesem überschreibt er heute noch auf jeder handgefertigten Holz-Etikette nachträglich das verbotene «u».

Leichter und neutraler
Ohnehin: Ein gleicher Geschmack wie beim Rum ist vom Röm nicht zu erwarten. Das Destillat aus Seeländer Rüben bildet eine eigene Gattung und erinnert eher an einen währschaften Enzian als an einen Bacardi. «Man schmeckt, dass die Rübe aus der Erde kommt», sagt Kreienbühl. Besonders wahrnehmbar ist dies in der Edition «puur», für die Kreienbühl auf die Beigabe von karamellisiertem Zucker verzichtet.
Nun ist das Herbe nicht jedermanns Geschmack, erst recht nicht jedefraus. Mateo Kreienbühl hat darum in den letzten Monaten weitergetüftelt und bringt dieser Tage eine neue Linie auf den Markt. Neutrum heisst sie und ist leichter, neutraler und auch günstiger als der Röm, der als Edelbrand ab 44 Franken pro halben Liter kostet. Der Grund:Neutrum wird aus Zuckerrübendicksaft gefertigt, was eine schnellere Verarbeitung ermöglicht. Kreienbühl sieht ihn als Basis-Schnaps für gängige Cocktails wie etwa den Cuba Libre.
Mit der neuen Linie soll nicht nur das Sortiment wachsen, sondern auch das Unternehmen. Derzeit verkauft Kreienbühl einige hundert Flaschen pro Jahr, er betreibt Röm el Primero in Teilzeit als Einzelfirma. Doch nun hat arbeitet er mit dem Swiss Brand Center China in Bern zusammen. Dieses hat zum Ziel, Schweizer Marken im chinesischen Markt bekannt zu machen. «Hierzulande ist Röm eine Nische für Liebhaber», sagt Kreienbühl, «doch die Chinesen mögen Schnaps in dieser Art.» Wenn auch nur einer von hundert chinesichen Touristen in der Schweiz eine Flasche Röm kaufe, müsste die Skalierbarkeit zum Tragen kommen, sinniert Kreienbühl. Das Brennen übernimmt ohnehin ein Zulieferer, die Maische sowohl aus Rüben als auch aus Dicksaft ist lagerbar, einer ganzjährigen Produktion stünde nichts im Wege.
Noch ist das Zukunftsmusik. Aber Mateo Kreienbühl wäre auf einen Ansturm vorbereitet. Die vielen Schweizerkreuze aus Stoff warten nur darauf, von seiner Hand auf die Röm-Flaschen angebracht zu werden.
 

Stichwörter: Rum, Rom, Schnaps, Neutrum, Enzian, fein

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