Sie sind hier

Abo

Detailhandel

Das Verkaufspersonal wehrt sich

Zwei Sonntagsverkäufe mehr im Kanton Bern, darüber entscheidet am 7. März die Bevölkerung. Für die Mehrheit im Verkauf wäre das eine Zumutung, sagen die Gewerkschaften.

Kämpfen gegen mehr Sonntagsarbeit: Unia-Regionalsekretär Alain Zahler und die Detailhandels-Angestellten Cornelia van der Tuin und Yasemin Ünal. Bild: Matthias Käser

Manuela Schnyder

Im Kanton Bern sollen die Läden bald an vier anstatt nur an zwei Sonntagen ohne Bewilligung öffnen und verkaufen können. Zumindest wenn es nach dem bernischen Grossen Rat geht (siehe Infobox): «Das ist eine Klatsche ins Gesicht. Wir müssen an der Front schon jetzt für zwei arbeiten, weil die Umsätze einbrechen und gespart werden muss. Und das mit Corona auch noch unter erschwerten Bedingungen und erhöhtem Ansteckungsrisiko», sagt Yasemin Ünal, Detailhandelsangestellte in Biel.

Zwar erhalten die betroffenen Angestellten an den verkaufsoffenen Sonntagen 50 Prozent mehr Lohn und können sich dafür an einem anderen Tag freie Zeit nehmen, doch das schätzt wohl nur ein kleiner Teil des Verkaufspersonals: «Es gibt schon Studenten oder jüngere Teilzeitangestellte, die damit weniger Probleme haben, die grosse Mehrheit, vor allem Festangestellte, leiden aber stark unter den immer länger werdenden Öffnungszeiten. Das zeigen die Umfragen klar», sagt Alain Zahler von der Gewerkschaft Unia. Zusammen mit anderen politischen Parteien und Organisationen hat die Gewerkschaft das Referendum gegen den Entscheid des Grossen Rats ergriffen, weshalb am 7. März die Berner Bevölkerung das letzte Wort hat.

 

Wenig Gewinn für Läden

Laut dem Gewerkschafter werden mit den zusätzlichen verkaufsoffenen Sonntagen nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen. Vielmehr werde den Verkäuferinnen und Verkäufern noch mehr Flexibilität abverlangt. Viele der Verkäufer und Verkäuferinnen haben Angst, dass die Ausweitung der Sonntagsverkäufe nur der Anfang von immer längeren Öffnungszeiten ist: «Zwei Sonntage mehr, das klingt nicht nach viel, aber dann werden es plötzlich sechs und dann acht. Man muss jetzt damit aufhören, die Öffnungszeiten immer mehr auszudehnen», sagt Ünal weiter.

Wenn man aber auf andere Städte im Ausland blickt, scheinen die vollen Läden an Sonntagen ein Bedürfnis der Gesellschaft aufzuzeigen. Auch Tourismusdirektor Oliver von Allmen würde Sonntagsverkäufe begrüssen: «Für mich ist klar, Wochenendtourismus ist wichtig, wenn die Läden sonntags offen hätten, wäre das für die Gäste natürlich gut. Selbstverständlich muss das jeder Laden selber abschätzen, ob das für ihn rentiert.»

Und das tut es für die kleineren Läden nicht wirklich: «Noch mehr verkaufsoffene Sonntage würden sich für uns nicht lohnen. Da wir ein Kleinbetrieb sind, wäre es schon personell schwierig an regelmässigen Sonntagen zu öffnen», sagt etwa Margrit Struchen von Blumen Ritter in Biel. Als Selbstständigerwerbende dürfen Ladeninhaber sowieso sonntags öffnen, allerdings nur an den offiziellen Sonntagsverkäufen mit Angestellten. «Wir haben bereits zwei Sonntage im Jahr geöffnet. Zum Beispiel am 1. Advent, der von unserer Kundschaft sehr geschätzt wird undbei dem viele Gewerbler im Quartier mitmachen. Weitere Sonntage zu öffnen, dass würde nicht mehr Kunden generieren, sondern die Besucher auf sieben Tage verteilen», meint Struchen weiter.

Auch Karl Villiger vom Juwelierladen R. Villiger AG und Vize-Präsident der Detailhändler-Vereinigung City Biel Bienne sagt: «Ich kann nicht für alle sprechen und das ist auch nach Art des Angebots anders, aber in der Tendenz rentiert das für die kleineren Betriebe nicht, zumal dann auch die Warenhäuser und Einkaufszentren offen haben.» Er selber mache bei den bisherigen Sonntagsverkäufen aus Solidarität mit und nicht wegen des Umsatzes.

An den verkaufsoffenen Sonntagen wirklich Geld verdienen, das können vor allem die grösseren Läden: «Wir begrüssen die Flexibilisierung des Sonntagsverkaufregimes. Ein paar wenige Sonntagsverkäufe im Jahr findet sowohl unsere Kundschaft gut, was sich in den Verkaufszahlen widerspiegelt», sagt beispielsweise Kommunikationschef Fabian Hildbrand von Manor.

 

Wenig Schutz für Angestellte

«Es geht bei den Sonntagsverkäufen auch nicht unbedingt um mehr Umsatz», sagt Romana Gattermann, die im Gewerbeverein Nidau tätig ist. Sonntags sei eine andere Stimmung, die Leute hätten mehr Zeit, um sich mit den Ladeninhabern zu unterhalten. Das stärke die Kundenbindung und belebe das Stedtli, sagt Gattermann. Sie engagiert sich im Ja-Komittee zur Abstimmung. «Natürlich gibt es immer Leute, die dann lieber in die Einkaufszentren gehen. Dass das Verkaufspersonal dort indirekt dazu gezwungen wird, sonntags zu arbeiten, das ist aber ein anderes Problem», sagt sie.

Befürworter der Sonntagsverkäufe argumentieren, dass andere Personen wie etwa Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten, Busfahrer oder Köche ebenfalls flexibel sieben Tage die Woche Einsätze leisten müssen: «Diese Berufsgruppen arbeiten für den Service Public oder für die Grundversorgung unseres Landes. Man weiss, wenn man diesen Beruf wählt, dass man flexibel arbeiten muss. Und die meisten sind durch einen GAV geschützt, verfügen über bessere Arbeitsbedingungen und über höhere Löhne», entgegnet Alain Zahler. So gibt es im Detailhandel wenig Gesamtarbeitsverträge, was laut Zahler auch daran liegt, dass die Arbeitgeber schlecht organisiert sind: «Ich weiss ja gar nicht, mit wem ich verhandeln soll. Es gibt nicht einen landesweiten Arbeitgeberverband im Detailhandel.»

Gerade bei Kleider- und Schuhketten ist es offenbar nur auf dem Papier freiwillig, an Sonntagen zu arbeiten: «Ein Chef hat mir mal gesagt: Wenn die Bereitschaft zu Samstags- und Sonntagseinsätzen nicht da ist, dann ersetzt er das Personal», so Yasemin Ünal. Die Wertschätzung gegenüber dem Verkaufspersonal ist nicht nur von der Arbeitgeberseite teilweise gering, sondern auch auf Konsumentenseite: Es gebe oft Kunden, die kurz vor Ladenschluss in das Geschäft kämen und dann das Gefühl hätten, sie könnten noch ein bisschen umherschauen, erzählt Cornelia van der Tuin, ebenfalls Detailhandelsangestellte in Biel. «Wir haben uns aber auch einen Feierabend verdient, zumal wir ohnehin sehr lange Arbeitstage haben und auch samstags arbeiten. Ich verstehe nicht, warum man uns noch mehr wertvolle Erholungszeit und Zeit für soziale Kontakte an den Wochenenden nimmt, damit die Leute ihre Shoppingbedürfnisse befriedigen können.»

In der Debatte um mehr Sonntagsverkäufe ist vor allem die Situation für das Verkaufspersonal in den grossen Ladenketten und Einkaufszentren ein Problem. Manor lässt dazu mitteilen, das Verkaufspersonal an den Sonntagsverkäufen abzuwechseln.

Nachrichten zu Wirtschaft »