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Detailhandel

Decathlon mischt den Sportmarkt auf

Der französische Konzern eröffnet im August zwei grosse Sportläden in Zürich, im Oktober einen in Biel – bis 2028 soll es schweizweit 130 Läden geben. Ein Verdrängungskampf in der Branche ist absehbar.

Unter anderem 30 grosse Zentren wie hier im südfranzösischen Carcassonne plant Decathlon auch in der Schweiz. Bild: Alamy

Andreas Flütsch

Keine Handelskette wurde in der Schweiz je so schnell so gross wie der 1976 in Nordfrankreich gegründete Familienkonzern Decathlon. 2016 tauchte Decathlon hierzulande erstmals auf dem Radar des Sporthandels auf, als der Konzern rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft einen Schweizer Onlineshop eröffnete. Im Frühjahr 2017 folgte der erste Laden am Neuenburgersee. Anfang 2018 ging Decathlon mit der Kette Athleticum eine Kooperation ein mit der Absicht, die 24 Athleticum-Läden unter der Marke Decathlon weiterzuführen.

Seither geht es Schlag auf Schlag. Bereits sind von Genf über Basel bis Chur 20 Athleticum-Läden in Filialen von Decathlon umgewandelt worden. Die Firma hat landesweit 698 Mitarbeitende, rund 60 Prozent davon kamen von Athleticum. Im Juni bezog Decathlon nahe Yverdon ein Logistikzentrum mit 18 000 Quadratmeter Fläche.

Im August öffnen im Kanton Zürich zwei weitere Decathlon-Zentren mit zusammen 5000 Quadratmeter Fläche die Tore – eines im Ober-Gebäude in der Zürcher Innenstadt, ein weiteres im Nordosten von Zürich in Dietlikon, sagt Romain Robert, Marketingmanager von Decathlon Schweiz. Im Herbst gehen in Biel und Villeneuve zwei weitere Zentren auf, Ende Jahr soll es 24 Sportartikel-Filialen mit 1000 Mitarbeitenden geben. In der Schweiz entstehen so in wenigen Jahren Hunderte neuer Stellen.

Grosse Pläne schon bis 2028
Damit ist der Ehrgeiz des französischen Sportartikelkonzerns, der ähnlich wie die Migros mit Eigenmarken gross geworden ist, noch nicht erschöpft. «Unser längerfristiger Plan ist, bis 2028 in der Schweiz 30 grosse Zentren zu haben, plus in Städten um die 100 kleinere Läden mit 300 bis 400 Quadratmeter Fläche im Schnitt», bestätigt Decathlon-Manager Robert. Wie viele zusätzliche Jobs diese Offensive schafft, sagt Robert nicht: «Klar ist aber, dass die Anzahl Angestellte in der Schweiz in einigen Jahren substanziell höher sein wird», ist er überzeugt.

Bis Ende Jahr steigt die Verkaufsfläche der 24 Decathlon-Zentren auf über 56 000 Quadratmeter. Werden die nächsten sechs Zentren bis 2028 ähnlich gross, schliesst das Unternehmen zu SportXX von der Migros auf – die es derzeit auf 62 Läden und 75 000 Quadratmeter Verkaufsfläche bringt. Setzt Decathlon auch den Plan um, zusätzlich 100 kleinere Sportgeschäfte zu lancieren, dann überholen die Franzosen punkto Grösse laut Zahlen von GFK Switzerland gar den Schweizer Branchenleader Ochsner Sport mit 83 Geschäften und 93 000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Grösse ist nicht alles, Schweizer Konsumenten gelten in Bezug auf Qualität und Service als überaus markenbewusst und anspruchsvoll. Doch der Markt ist gesättigt, Preiskämpfe drücken die Margen. Der Schweizer Markt für Sportartikel schrumpfte 2018 laut GFK um 4 Prozent auf 1,7 Milliarden Franken. In den überfüllten Schweizer Sportmarkt drängt nun mit Macht ein Grosskonzern, der letztes Jahr weltweit über 11 Milliarden Euro Umsatz erzielte. Zudem eilt Decathlon der Ruf voraus, der Aldi der Sportartikelhändler zu sein – 90 bis 95 Prozent ihres Umsatzes weltweit erzielen die Franzosen laut Decathlon-Manager Robert mit Eigenmarken, der Rest besteht aus zugekauften internationalen Marken wie Nike oder Adidas.

Decathlon wird von einem Berater, der die Branche gut kennt, als Mischung aus Migros und Aldi beschrieben – der Riese produziere Eigenmarken in Migros-Qualität, aber zu Preisen wie Aldi. Decathlon sei als Konkurrent «hammerhart», sagt ein Fachhändler, der nicht genannt werden will. Deutlich wird dagegen Reto Stamm, Inhaber von Total Sport in Winterthur, der 2017 schon den ersten Schweizer Decathlon-Laden inspizierte: «Decathlon ist extrem preisaggressiv im Einsteigersegment, aber vieles davon ist Schrott, billigste Chinaware.»

Sorgen machen dem Fachhändler Stamm die vielen Eigenmarken von Decathlon. «Dort ist im mittleren Preissegment die Qualität okay, das Preis-Leistungs-Verhältnis gut.» Im obersten Segment sei das Verhältnis von Qualität und Preis sogar «gut bis sehr gut». Nicht mithalten könnten die Franzosen «bei Kunden, die hohe Ansprüche an die Beratung und an den Service stellen», sagt Stamm, «das ist die Chance von Sportfachgeschäften wie uns». Aber es bleibe die Frage, «wie lange wir dank Beratung und Service genügend verkaufen, sodass es zum Leben reicht».

Onlinehandel als Bedrohung
Zu schaffen machen der Branche auch die vielen Onlinehändler, darunter wiederum Decathlon und Amazon. «Immer mehr Junge unter 30 bestellen Sportartikel vorab im Internet», sagt Stamm, er verkaufe weniger Kleider und Schuhe, dafür mehr Dienstleistungen wie die Vermietung von Ski und Snowboards.

Ochsner Sport, SportXX der Migros und Intersport Schweiz, wo 150 Fachgeschäfte angeschlossen sind, wollen sich nicht zum neuen Konkurrenten aus Frankreich äussern. SportXX verweist auf die eigenen Stärken wie sein «grosses Sortiment an internationalen Top-Marken» und ein «sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis». Zweifel, ob das reicht, um Decathlon abzuwehren, sind erlaubt. «Die Grösse und die vertikale Integration sichern uns reichlich Kostenvorteile», sagt Romain Robert von Decathlon Schweiz. Dies erlaube es der Firma, vom Design über die Produktion bis hin zur Logistik die Kosten «substanziell» zu senken. Der Konzern investiere lieber in Qualität als ins Marketing. «Wir bieten ein unschlagbares Verhältnis von Preis und Qualität», so Decathlon-Manager Robert. Ein brutaler Verdrängungswettbewerb im Sportmarkt Schweiz ist jedenfalls absehbar.

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