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Frankenstärke

Den Schock noch nicht verkraftet

Die Exportindustrie hat den starken Franken noch nicht verdaut. Unternehmen aus der Region haben dieses Jahr 207 Gesuche für Kurzarbeit eingereicht.

Hammerschlag: Schweizer Industrielle würden viel dafür geben, um den Franken zu schwächen. Bild: Meike Seele

Printmedien prognostizieren zahlreichen Arbeitnehmern ein trauriges Jahresende: Die Rede ist von rund 10'000 Stellen, die wegen der Frankenstärke verloren gehen. In der Tat sind die Konjunkturtendenzen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) wenig ermutigend: Zwar wird immer noch ein schwaches BIP-Wachstum von 0,9 Prozent erwartet, dieses wird jedoch hauptsächlich von der Binnenwirtschaft getragen. Von der Exportwirtschaft hingegen gehen, so das Seco, eher negative Impulse aus.

Eine Prognose, die die Gesuche um Kurzarbeit bei der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern zu bestätigen scheinen: Im ganzen Jahr 2014 sind 209 Voranmeldungen für Kurzarbeit eingetroffen. Seit die Nationalbank am 15. Januar die Verteidigung des Frankens aufgegeben hat, sind 510 Gesuche gestellt worden. Darunter sind 402 Voranmeldungen mit Begründung «starker Schweizer Franken».

Besonders stark betroffen sind das Seeland und der Berner Jura: Aus diesen Regionen gingen 207 Voranmeldungen für Kurzarbeit ein. Unternehmen aus dem Berner Mittelland stellten 73 Gesuche, aus dem Emmental-Oberaargau trafen 81 Gesuche ein und aus dem Berner Oberland 41. Allerdings sind die Regionen Seeland und Berner Jura die wichtigsten Industrieregionen.

Wichtigste Industrie betroffen

«Betroffen sind besonders MEM-Industriebetriebe, die Baubranche, aber auch die Binnenwirtschaft, welche vermehrt dem Druck der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt ist», sagt Marc Gilgen, Mitglied der Geschäftsleitung beim Berner Beco für Wirtschaft. Die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) nimmt in der schweizerischen Volkswirtschaft eine Schlüsselstellung ein: Mit rund 330'000 Beschäftigten ist sie die grösste industrielle Arbeitgeberin «Grundsätzlich stellen wir aber eine breite Streuung der Gesuche über alle Branchen fest», so Gilgen.

Wenig vielversprechend sind die Rückmeldungen, die Adrian Haas, Direktor des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern, erhält: «Derzeit verzichten viele Unternehmen auf Neueinstellungen oder wollen das Personal etwas reduzieren, allerdings nicht im grosses Stil.»

Wachstumsbremse ist aus der Sicht von Haas klar die Frankenstärke, der Kurs bewegt sich derzeit bei 1.08 Franken gegenüber dem Euro. Belastend wirkt sich weiter aus, dass die Konjunktur in Japan schwächelt, einem wichtigen Partner der Schweizer Industrie. Auch Frankreich und Italien haben konjunkturelle Probleme, in Deutschland hingegen, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz, hat sich die Konjunktur erholt, in Polen läuft sie gar sehr gut. Verglichen mit dem Jahr 2014 ist die Konjunktur stark rückläufig. Haas schränkt indessen ein: «Das letzte Jahr war für die Schweizer Industrie ausgesprochen gut.»

Zudem betreffe die Frankenstärke nicht jedes Unternehmen gleichermassen, so Haas: Wer Zulieferanten in der EU habe, profitiere vom starken Franken. Allerdings schadet dies wiederum indirekt der Schweizer Industrie: Je mehr ausländische Zulieferanten die hiesigen Unternehmen beliefern, desto schwieriger wird die Lage der einheimischen. Haas spricht von einem «Domino-Effekt».

«Sehr grosser Druck»

Ivo Zimmermann vom Branchenverband Swissmem befürchtet, dass es zu einem weiteren Stellenabbau kommen wird, nachdem bereits übers Jahr einige Restrukturierungen angekündigt wurden. In welchem Ausmass, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffern. Aber: «Eine eigentliche Welle erwarten wir - Stand heute - in der nächsten Zeit nicht.»

Die Unternehmen, besonders die MEM-Industrie, stünden wegen der anhaltenden Frankenstärke nach wie vor unter grossem Druck, sagt Zimmermann. Gemäss einer Umfrage vom letzten Juli gaben 35 Prozent der Swissmem-Mitgliedfirmen an, im Geschäftsjahr 2015 mit einem operativen Verlust zu rechnen. «Der Strukturwandel, welcher durch den starken Franken ausgelöst wurde, wird weitergehen», so Zimmermann.

Gut verdauen könnten dies vor allem Unternehmen, die international gut aufgestellt seien und bereits heute im Ausland produzieren, sagt Zimmermann. Auf der anderen Seite seien jene Unternehmen am stärksten gefordert, bei denen ein Grossteil der Kosten in der Schweiz anfällt, deren Absatzmarkt aber vor allem im Ausland liege. Dasselbe gelte für Zulieferer von Schweizer Kunden.

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