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DIE WOCHE

Der Wandel ist viel tiefgreifender

Zwei Dinge sind – abgesehen von den präsentierten Technologien und Produkten – an der Bilanzmedienkonferenz der Swatch Group diese Woche aufgefallen.

Tobias Graden, stv. Chefredaktor. Bild: bt/a

Erstens: CEO Nick Hayek hat den Ton gegenüber den Smartwatch-Herstellern, insbesondere gegenüber Apple, deutlich gemässigt. Während er noch letzten Herbst höhnte, die in Cupertino präsentierte Innovation sei die Krone, und die habe Abraham Louis Breguet schon lange erfunden, so hielt er am Donnerstag dem US-Konzern zugute, dieser habe zumindest im Vergleich mit anderen Produzenten die schönste Smartwatch entworfen – und er trage dazu bei, dass besonders die US-Konsumenten sich an das Tragen eines Geräts am Handgelenk gewöhnten. Die veränderte Tonlage wurde durch die präsentierten Neuheiten akzentuiert: Auch die Swatch Group setzt auf smarte Funktionen und nützliche Systeme. Sie geht zwar ihren eigenen Weg, ignoriert aber die grossen Entwicklungen nicht.

Zweitens: Es wurde einmal mehr deutlich, wie stark die Swatch Group in ihrer industriellen und produkteorientierten Logik verhaftet ist. Der Vorstellung der Swatch Touch «Zero One» und den Möglichkeiten der NFC-Technologien gingen unter anderem Ausführungen über die Fertigkeiten des Produktionssegments Elektronische Systeme und der technischen Entwicklung im Bereich Batterien voraus. Die Botschaft dabei: Jede noch so smarte Watch benötigt handfeste Technologie, die nicht von coolen Zeitgeistsurfern in hippen Büros, sondern von tüchtigen Ingenieuren in währschaften Fabriken entwickelt und hergestellt wird – und diese Technologie meistert die Swatch Group in der Schweiz.

Das ist gewiss nicht falsch. Gleichzeitig darf aber nicht vergessen gehen, dass der digitale Wandel sehr viel tiefgreifender ist. Eine Apple Watch oder ihre Pendants für Android sind nicht Produkte, die für sich alleine zu betrachten sind und ohnehin (und tatsächlich) viel zu wenig lange autonom funktionieren. Sondern sie sind nur ein weiteres Hardware-Teil eines ganzen Systems aus Diensten, Programmen und Funktionen, in das ihre Träger pausenlos eingebunden sind. Die Innovationen der Tech- und Internetgiganten bringen nicht einfach neue Gadgets hervor, sondern pflügen bisweilen ganze Branchen und althergebrachte Gewissheiten um. Das beschränkt sich nicht nur auf Bereiche, in denen die Güter immateriell sind wie in der Musikindustrie. Norbert Reithofer etwa, der Vorstandschef des Autoherstellers BMW, bezeichnete Apple jüngst als «sehr, sehr starke Marke», die in der Lage sei, die Automobilindustrie umzukrempeln – mit ihren Arbeiten in der Batterietechnologie könnte die Swatch Group gar daran teilhaben.

Gewiss, noch ist offen, ob Smartwatches tatsächlich Markterfolg haben werden. Und es ist ein Leichtes, Apple zu belächeln, wenn es für die Uhr in Luxusausführung 10 000 Dollar verlangt – allerdings kopiert der Konzern damit just ein Rezept der Luxusuhrenhersteller und kassiert mit jeder verkauften goldenen Watch leicht verdientes Geld. Und bei den Produkten für die Normalsterblichen sind die Preise auch sekundär, dürften doch die meisten Uhren wie die Smartphones verbilligt im Rahmen von Abonnementsverträgen erworben werden. Für BMW-Chef Reithofer ist die Autobranche keineswegs vor Entwicklungen wie in der Fotoindustrie gefeit. Noch ist offen, ob dies nicht auch gerade für das Mittelsegment der Schweizer Uhrenbranche gilt.

tgraden@bielertagblatt.ch

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