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Fachhochschule

Die Boje der Zukunft

Bieler Informatikstudenten haben eine smarte Boje entwickelt. «Smoje» stellt erfasste Daten sogleich auf einer Plattform im Internet zur Verfügung. Doch das ist erst der Anfang.

Vollendete Objekte: Die Projektcoaches Reto E. König und Andreas Danuser mit der «Smoje». Copyright: Anne-Camille Vaucher/Bieler Tagblatt

von Esthy Rüdiger

Die Ausgangslage sah unspektakulär aus: 20 Informatik-Studenten, zwei Dozierende und drei vor ihnen liegende Semester in der Vertiefungsvorlesung «Mobile Computing und Internet der Dinge». Also quasi ein KMU, dachte sich Dozent Andreas Danuser. Dieser Gedanke liegt ihm nahe, hatte er doch in den vergangenen 30 Jahren mehr als zehn Start-up-Unternehmen gegründet.

Er bat die Studenten, die Internetseite «smoje.ch» aufzurufen. Sie ahnten noch nicht, dass es sich dabei um ihr künftiges Projekt handeln würde. «In den USA ist es gang und gäbe, dass zuerst der Internetauftritt erstellt und das Produkt beworben wird. Erst danach kümmert man sich um die Herstellung des Produkts», so Danuser. In der Schweiz sei dies eher umgekehrt. Man kreiere ein Produkt und irgendwann gebe es dann vielleicht noch eine Internetseite dazu.

 

Die «S-Philosophie» der BFH

Die «Smoje», ein Wortmix aus «smart» (klug) und Boje, sollte die Studenten denn auch über die nächsten Monate beschäftigen. Das eigentliche Produkt und dessen Vermarktung war zweitrangig. Die beiden Dozenten, Andreas Danuser und Reto E. König, hatten sich andere Ziele für die drei Semester gesetzt.

Für die Studenten sollte klar werden: Was ist das Internet der Dinge? Wie funktioniert ein KMU? Und, ganz einfach: Wie schliesst man ein Projekt ab? Denn anreissen, das kann jeder - ein Projekt zu Ende bringen, das erfordert eiserne Disziplin.

Die smarte Boje aber mutierte bald zum Schneeball, der eine Lawine ins Rollen brachte. Denn das sogenannte Internet der Dinge birgt viel Potential. Die Grundidee: Geräte sollen, mit Sensoren ausgestattet, über eine Plattform Informationen an uns weitergeben.

Was kompliziert klingt, scheint im Alltag ganz praktisch: Der Kühlschrank meldet, wenn zu wenig Milch vorhanden ist. Das Auto gibt Auskunft über den momentanen Reifendruck, beispielsweise via Twitter. Für KMU eine Chance, ihre Arbeit ganz simpel zu erleichtern. Und genau dies ist ein Teil der «S-Philosophie». «S» wie: Simpel, «Security» (Sicherheit), «Swiss» (schweizerisch), «sustainable» (nachhaltig) und «save» (sicher). Noch zahlreiche weitere Attribute würden den begeisterten Projekt-Coaches in den Sinn kommen.

 

Daten werden verschlüsselt

Warum nun aber eine Boje? Sie biete sich eben zur Veranschaulichung des Internets für Dinge an, so Danuser. Eine schwimmende Messstation. Neben der Wassertemperatur misst sie mit ihren Sensoren auch die Lufttemperatur, die Windgeschwindigkeit, den Luftdruck und gar die Radioaktivität. Die Daten werden gesammelt und in einer Cloud abgespeichert.

Die Cloud? Die unsichere, computerunabhängige Speicherwolke im Netz, die niemand wirklich versteht? König wimmelt ab. Er, der vor seinem Dozentendasein in der Hochsicherheitsverschlüsselung tätig war, legt Wert auf die Sicherheit des Internets für Dinge. Und verweist auf die weltweit akademische Pionierrolle der Berner Fachhochschule, was das Internet der Dinge betrifft. Die Daten würden nach den besten Algorithmen verschlüsselt. Und dies soll auch ein Kernpunkt der künftigen Anwendung sein: Eine Plattform, der die Nutzer vertrauen können.

 

«Vom Excel zur Hardware»

Für die Informatikstudenten war die Herstellung eines solchen Produkts absolutes Neuland. Die Arbeit mit den Sensoren wird eher bei Elektroingenieuren angewendet. «Nun bringen wir sie eben von Excel zur Hardware», so König schmunzelnd. Danuser fügt hinzu: «Die Realität ist, dass die verschiedenen Bereiche in Zukunft mehr und mehr miteinander verschmelzen werden. Da ist zielorientiertes Denken gefordert und kein Spartendenken.»

Die Studenten haben Feuer gefangen. «Es war eine hochmotivierte Gruppe», so die beiden Projektcoaches. Die Studenten seien zu regelrechten Tüftlern mutiert. Als im Februar die finalen Prüfungen stattfanden, wurde die Arbeit an der «Smoje» aber unterbrochen. Das Datum für die Wasserung stand, ganz nach amerikanischem Spirit, bald schon fest - und war die Motivation, das Objekt zeitgerecht fertigzustellen. «Wenn die Studenten heute den Prototyp sehen, ist dies für sie bereits die Technik von gestern», so Danuser. Auch dies entspreche der Realität: Die heute entwickelte Technik ist in sechs Monaten bereits wieder veraltet. Längst hat das Team weitergearbeitet. Und ist derzeit dran, die «Smoje» zu miniaturisieren - die neue Version soll etwa zehnmal kleiner sein.

Unter den 20 teilnehmenden Studenten kursieren bereits Ideen für mögliche Start-up-Unternehmen, die sich dem Internet der Dinge widmen könnten. Die Studienabgänger haben durch die «Smoje» das Potenzial darin erkannt. «In fünf bis zehn Jahren werden alle Geräte ans Internet angeschlossen sein», ist sich Danuser sicher. «Es ist wahrscheinlich, dass bis zwei Start-ups entstehen werden», sagt er. Er würde diese auch weiterhin coachen. «Damit sie nicht die gleichen Fehler machen wie ich zu Beginn», fügt er lachend hinzu.

Die beachtliche Leistung zur Erstellung der smarten Boje soll nun aber gebührend gefeiert werden. Heute wird das von den Dozenten versprochene Fest zur Wasserung der «Smoje» stattfinden - Interessierte sind eingeladen, dem Team über die Schultern zu gucken.

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