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Biel

Die «Enuu»-Flotte erhält Zuwachs

Das Verleihsystem von «Enuu» ist in Biel gut angelaufen. Gegen 100 Fahrten werden mit den 
Leicht-Elektrofahrzeugen täglich absolviert. Bald gibt es mehr Fahrzeuge, und der Perimeter wird vergrössert.

«Enuu»-Mitarbeiter Ivan Jankovics wechselt den Akku eines Fahrzeugs. Bild: Raphael Schaefer

Tobias Graden

Ivan Jankovics beherrscht die Handgriffe mittlerweile im Schlaf. Keine zwei Minuten braucht er, und der Akku ist gewechselt. Jankovics öffnet das Zahlenschloss, entfernt die Abdeckung hinter dem Fahrersitz, löst die Gurte um den Akku, hebt ihn heraus, setzt den neuen ein – voilà, das «Enuu» ist wieder fahrbereit.

Erst ein paar Wochen sind seit dem Start des «Enuu»-Pilotprojekts vergangen, doch mittlerweile sind die Wägelchen aus dem Bieler Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Immer wieder flitzt eines vorbei, zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner nutzen den neuen Mobilitätsdienst.

Der Eindruck täuscht nicht: Laut «Enuu»-Mitgründer Luca Placi finden pro Fahrzeug und Tag fünf bis sieben Fahrten statt. 13 Fahrzeuge sind im Einsatz, jeden Tag kommen also bis zu 100 Fahrten zusammen. In den ersten beiden Wochen nach dem Start in der ersten Novemberhälfte waren es noch mehr: Jedes Fahrzeug wurde zehn bis 14-mal pro Tag gebraucht. Insgesamt zählt das System mittlerweile über 800 Nutzerinnen und Nutzer. Luca Placis erste Bilanz: «Wir sind mehr als zufrieden.»

Es braucht das Permis
Das heisst nicht, dass der Pilotversuch bislang komplett reibungslos ablaufen würde. Ganz zu Beginn musste einigen Gymnasiasten klar gemacht werden, dass das Fahrverbot bei der Schulanlage am See auch für «Enuus» gilt.

Stärker ins Gewicht fiel dann die Mitteilung, die «Enuu»-Nutzer ohne Führerschein bald darauf erreichte: Ihnen wurde der Zugang zu den Fahrzeugen verwehrt. Zuvor konnten sie ebenfalls mit «Enuu» fahren, mussten sich aber verpflichten, bloss auf 20 statt der möglichen 30 Stundenkilometer zu beschleunigen und dies per Hebel manuell und eigenverantwortlich so einstellen.

Dieses Prinzip schien «Enuu» alsbald zu riskant. Illegal war es zwar nicht, doch war auch zu wenig klar, ob es einer genaueren juristischen Prüfung tatsächlich standgehalten hätte – es ist bislang in der Schweiz nicht vorgekommen und darum auch nicht eingehend geprüft worden. Placi empfiehlt nun dem einen Prozent betroffener Nutzer, die Fahrzeugprüfung der Kategorie M zu absolvieren. Aufwand und Kosten seien gering, und dann könne «Enuu» wieder genutzt werden.

Künftig soll die App zwischen Permis-Inhabern und Nutzern ohne Ausweis unterscheiden und die Geschwindigkeit automatisch regeln können, doch bis dieses Update fertig ist, dürfte es Herbst werden.

Zehn «Enuus» pro 800 Nutzer
Auffallend ist, dass einigen Fahrzeugen der Rückspiegel fehlt, vereinzelt sind auch Schrammen und Kratzer auszumachen. Doch laut Luca Placi ist Vandalismus kein grosses Problem: «Es kommt vor, aber es handelt sich um Kleinigkeiten.» Mit viel Toleranz sollte nicht rechnen, wer sich nicht an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält: Beim ersten Mal setzt es eine Verwarnung ab, beim zweiten Mal wird das Konto gesperrt.

Bei zwei Fahrzeugen hat überdies der Hersteller einen falschen Controller eingebaut. Diese «Enuus» fahren deswegen nur 20 Stundenkilometer. Diese beiden Probleme sollen im März behoben werden. Dann nämlich wird die Flotte um sieben Fahrzeuge erweitert, und auch das Gebiet, innerhalb dessen die «Enuus» abgestellt werden können, soll grösser werden und im Osten beispielsweise bis an den Stadtrand reichen.

Die Erfahrung zeige, so Placi, dass pro 800 Nutzer zehn Fahrzeuge nötig seien. Bereits jetzt sei die Flottengrösse an der unteren Grenze, und mit einem weiteren Anstieg der Nutzerzahl sei zu rechnen. App und Website erfahren eine Auffrischung, die Preisgestaltung wird vereinfacht.

Die Stadt ist zufrieden
Im Herbst dann soll der zweite Erweiterungsschritt erfolgen, und dann sollen auch die umliegenden Gemeinden ins Projekt einbezogen werden.

Bereits wäre der reine Betrieb von «Enuu» in Biel kostendeckend, sagt Luca Placi. Im ersten Monat sind für die Nutzerin drei Fahrten pro Tag gratis, danach ist es noch eine, die weiteren sind zu bezahlen. Mittlerweile sind 60 Prozent aller Fahrten bezahlt, künftig dürfte diese Rate noch steigen. «Viele Menschen haben ‹Enuu› in ihren Alltag integriert», sagt Placi, eine Umfrage habe eine Kundenzufriedenheit von 85 Prozent ergeben.

Positive Rückmeldungen gibts auch seitens der Stadt Biel. «Wir ziehen nach den drei Monaten eine positive Bilanz», teilt die zuständige Gemeinderätin Barbara Schwickert (Grüne) mit. Reklamationen aus der Bevölkerung seien keine eingegangen. Teilweise sei festgestellt worden, dass «Enuu»-Fahrzeuge ausserhalb der markierten Felder abgestellt wurden, «doch es handelt sich um Einzelfälle und die Situation hat sich in den letzten Wochen stark verbessert». Eine Auswertungssitzung mit Vertretern von «Enuu» und Stadt Biel wird im Februar stattfinden.

Im Herbst die nächste Stadt
Dieser Tage weilen die beiden Gründer Luca Placi und Yoann Loetscher in China. Sie wollen einerseits «die Bindung mit dem Lieferanten stärken», wie es Placi ausdrückt. Denn noch im Herbst will «Enuu» in einer grösseren Schweizer Stadt aktiv werden, und zwar in Zürich, Genf oder Basel – und also weitere Fahrzeuge bestellen.

Anderseits stehen Vorbereitungsarbeiten für die nächste Fahrzeuggeneration an. Für Placi ist klar, dass dereinst selbst entwickelte Elektrowägelchen von «Enuu» durch die Städte rollen sollen; und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern im internationalen Rahmen.

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