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Biel

Die grüne Lampe leuchtet in die Zukunft

GF Machining Solutions hat gestern den neuen Produktionsstandort im Bözingenfeld offiziell eingeweiht. Die neuste Entwicklung ist eine Maschine, die 40 Tonnen wiegt und mit einer Genauigkeit von wenigen Mikrometern arbeitet.

Bis zu 60 Maschinen werden in der Produktionshalle monatlich montiert. copyright: peter samuel jaggi/bieler tagblatt

Tobias Graden

Der grosse Moment gehört der Jugend. Nicht dem Volkswirtschaftsdirektor kommt die Ehre zu, den eigentlichen symbolischen Eröffnungsakt vorzunehmen, nicht dem Stadtpräsidenten, auch nicht dem Verwaltungsratspräsidenten oder dem Konzernchef. Nein, es sind Nour Rizk und Fabrice Jungo, zwei Lehrlinge, die zusammen mit dem Standortleiter Vincent Mohni auf den grossen roten Knopf drücken und damit die neue Fabrik offiziell einweihen. Es ist der Berufsnachwuchs, der den offiziellen Startschuss zur Inbetriebnahme des Neubaus abgibt, für den der Georg-Fischer-Konzern insgesamt 100 Millionen Franken investiert hat.
Vincent Mohni hat es in seiner Rede angedeutet. Es sei nicht einfach, als letzter einer Reige auch noch eine Rede zu halten, sich nicht zu wiederholen, hat er gesagt – und darum eine etwas andere Lesart des Moments vorgeschlagen. Im Moment der Einweihung tendiere man zur Rückschau, hat er gesagt, auf den Investitionsentscheid und auf die Bauzeit, doch eigentlich sei es gerade anders herum. So, wie der Moment der Auslieferung einer Maschine an einen Kunden den Startpunkt ihres Lebenszyklus’ markiere, so sei die Einweihung eines Neubaus der Anfang einer neuen Reise.

Wasser führt Wärme ab
Mit welchen Produkten der Fräsmaschinenhersteller diese Reise bestreiten will, zeigt er auf dem Rundgang durch die neuen Räume. Mitten in der Fertigungshalle steht sie, die Maschine mit der grünen Lampe auf dem Dach, sie ist so gross, man könnte schier drin wohnen. 40 Tonnen schwer ist sie und ganz neu, eine Weltpremiere, man darf sie noch gar nicht fotografieren. Sie kann Teile bearbeiten, die mehr als einen Kubikmeter Volumen haben, sie fräst und dreht gleichzeitig, und das auf fünf Achsen. Es ist die grösste Maschine, welche in der Division Machining Solutions von Georg Fischer je gebaut wurde, und doch bearbeitet sie die Teile mit einer Positionsgenauigkeit von acht Mikrometern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 60 Mikrometern. Die Maschine hat eine kleine Schwester, ebenfalls ganz neu, diese erreicht eine Genauigkeit von drei Mikrometern – allerdings nur dann, wenn die Raumtemperatur konstant bleibt, sie darf nicht mehr als um zwei Grad von der Normtemperatur abweichen.
Den Neubau im Bözingenfeld durchzieht darum ein weitverzweigtes, kilometerlanges System schwarzer Rohre. In ihnen fliesst Wasser. Es transportiert sozusagen die Wärme der Maschinen ab, leitet sie in einen zentralen Boiler, wo das kalte und warme Wasser gemischt und wieder in den Kreislauf gegeben wird. Zusammen mit der Bodenheizung lässt sich damit die Raumtemperatur im ganzen Gebäude regulieren – bei Georg Fischer Machining Solutions ist es immer 21 Grad, das ganze Jahr über. Ein zweites System hat Stahlleitungen: In diesen fliesst die Schmierflüssigkeit hin und her – gebrauchte von den Maschinen weg zur Reinigung, gereinigte wieder hin zu den Arbeitsstationen.

Entscheid mitten im Frankenschock
Der neue Standort, an dem die Division drei bisherige Standorte (darunter jenen in Nidau) zusammenfasst, sei die grösste Investition des Konzerns in der Schweiz seit über 30 Jahren, sagt Andreas Müller, Präsident der Konzernleitung, und nun sei er die modernste Fabrik für Entwicklung und Produktion des ganzen Unternehmens. Seine Anfänge reichen zurück in eine schwierige Zeit, wie Pascal Boillat erzählt, der Präsident von GF Machining Solutions: Es war im Januar 2015, als der Euro zur Parität mit dem Schweizer Franken fiel, im Schockmoment für die hiesige Exportindustrie, als sich zahlreiche Firmen Gedanken darüber machten, wie sie ihre Produktion ins Ausland verlagern könnten, als der Georg-Fischer-Verwaltungsrat grünes Licht gab für die Investition in Biel. «Unsere Ambition ist es nicht, günstige Maschinen zu bauen», so Boillat, «sondern die besten.» Dafür sei die Region ideal geeignet, das wird von den Rednern mehrfach betont, wegen ihrer Nähe zu den Eidgenössischen Hochschulen, wegen der Fachhochschule, dem Innovationspark, dem Netzwerk von Unternehmen der Präzisionstechnologie. «Wir sind stolz darauf, dass wir die Stadt Biel darin unterstützen, zum neuen Zentrum für Schweizer Präzision zu werden», sagt Boillat.
In 26 Monaten Bauzeit ist der imposante Neubau (vgl. Infobox) fertig geworden – eine dreimonatige Verzögerung gab’s, weil im Grund Pfeiler eines früheren Projekts gefunden wurden. «Bis zum Spatenstich mussten wir 1000 Details klären», sagt Bernhard Iseli, früherer Standortleiter in Nidau und bis letzten November Gesamtprojektleiter des Neubaus, «das war nicht immer harmonisch im Projektteam, doch Grosses entsteht durch positive Reibung.» Alleine der Aushub machte dann 8000 Lastwagenfahrten nötig, und schliesslich war auch der Umzug nicht ohne: Zweieinhalb Monate hat er diesen Frühsommer gedauert, in weiteren 400 Lastwagenfahrten wurde das Material von den drei Standorten hingezügelt, und dies alles, während gleichzeitig die Produktion bestmöglich aufrechterhalten wurde. «Wir haben ein paar Überstunden geleistet», sagt Hanspeter Luedi trocken, der das Projekt nach Iseli geleitet hat.

Effizient im Takt
Luedi bleibt vor einem Kleinteilelager stehen. Dutzende Schachteln sind hier aufgereiht, jede hat ein grösseres und ein kleineres Fach, das mit Teilen gefüllt ist. Wer das letzte Teil aus dem grösseren Fach genommen hat, dreht die Schachtel um. Dies löst beim Lieferanten automatisch den Bestellprozess aus – die Teile werden angeliefert und die Schachteln wieder aufgefüllt, ohne dass weitere Schritte notwendig wären. So ist also der Produktionsprozess auf höchste Effizienz getrimmt. Die Maschinen werden im Takt montiert, alle sieben Stunden «reisen» sie eine Station weiter. Die Takte sind auf die Arbeitszeiten abgestimmt, an den 57 Endmontageplätzen in der geräumigen Produktionshalle herrscht Einschichtbetrieb.
In der Demonstrationszone zeigt GF, wozu 5G gut ist: Hier ist eine vollautomatische Produktionseinheit aufgebaut. «Der gelbe Kollege», ein Roboter, eine Fräsmaschine und eine Erodiermaschine arbeiten hier sozusagen Hand in Hand. Während die Maschine erodiert, läuft auf dem Bildschirm ausserhalb eine Art Trickfilm: Es ist eine Visualisierung des Vorgangs in der Maschine, nicht abgefilmt, sondern errechnet aus den Daten der Maschine, die über das 5G-Netz quasi in Echtzeit übertragen werden können. Nour Rizk und Fabrice Jungo, zwei der 45 Lernenden von GF Machining Solutions, werden mit solchen Technologien die Zukunft des Industriestandorts Schweiz bestreiten.
 

Stichwörter: Biel, Wirtschaft, Industrie, GF

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