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Die Industrie spart bei der Werbung

Das Jahr 2016 hat die Wirtschaft herausgefordert: Der Franken bleibt überbewertet, die Briten treten aus der EU aus und die USA wählen einen unberechenbaren Präsidenten. Wie regionale Unternehmen damit umgehen.

Produktion für die US-Autozulieferer: Blick in den Feintool-Standort in Nashville, Tennessee. zvg

Esthy Rüdiger

Der Aufschrei war gross – und die Folgen auch. Der Frankenschock liegt bald schon zwei Jahre zurück. Nach wie vor ist der Franken überbewertet und stellt die Exportfirmen weiterhin vor grosse Herausforderungen. «Die Firmen haben reagiert, sie haben ausgelagert und sich reorganisiert», sagt Miriam Stebler, Präsidentin der Bieler KMU und Geschäftsführerin von Impirio in Biel. «Der Stellenabbau in der Industrie ist spürbar. Ebenso die Verunsicherung.» Stebler hofft deshalb, dass sich ein Unterschied bei der Qualität der ausgelagerten Prozesse bemerkbar macht. Nur so würden sich die Firmen entschliessen, wieder vermehrt in der Schweiz zu produzieren.

Auch der Verband Swissmem spricht von einem hohen Preis- und Margendruck bei den KMU. Der positive Trend – nämlich eine verbesserte Auftragslage – sei noch nicht in den Betrieben angekommen, schreibt Swissmem in einer Mitteilung vergangene Woche. Im Gegenteil: «Einige dieser Firmen kämpfen um ihr Überleben», so Peter Dietrich, Direktor von Swissmem.

Uhrenbranche investiert trotzdem in Werbung

Ob es zu einer nachhaltigen Erholung in der Schweizer MEM-Industrie komme, hänge primär von der künftigen Entwicklung des Wechselkurses ab, heisst es bei Swissmem. Auch der konjunkturelle Verlauf in den wichtigen Absatzmärkten ist entscheidend. Eine Abwertung des Schweizer Frankens sei notwendig, so der Verband, damit die Unternehmen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) in Zukunft wieder «akzeptable Margen» erwirtschaften können.

Auch in der Kommunikations- und Werbebranche ist die Lage der Industrie deutlich spürbar. «Im Gegensatz zu anderen Branchen wird in der Industrie nun weniger in Werbung und Kampagnen investiert», sagt Donato Cermusoni, Geschäftsführer der Werbeagentur Cermusoni in Biel. Zu den Kunden der Agentur zählt auch die Swatch Group. Bei Luxusgütern wie etwa Uhren sei diese Tendenz aber überhaupt nicht vorhanden. Und dies, obwohl auch die Uhrenbranche zuletzt stark rückläufige Exportzahlen vorwies. Auch im Gesundheitsbereich, einem weiteren Kundensektor der Agentur, sei kein Rückgang der Aufträge zu verzeichnen.

Was aber durchwegs auffalle: Die Unternehmen wollen den Franken gezielt und qualitativ gut ausgegeben wissen. «Und davon profitieren wir letztlich wieder», sagt Donato Cermusoni.

Feintools Investitionen zahlen sich aus

Den Franken gezielt investiert hat Feintool AG in Lyss. Das Unternehmen hat über zehn Millionen Franken in neue Anlagen und Prozesse gesteckt, um in der Schweiz wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Flucht nach vorne hat sich für den Betrieb ausbezahlt: «Mit diesen Massnahmen und dem heutigen Frankenkurs arbeiten die Schweizer Betriebe gewinnbringend», sagt Karin Labhart, Mediensprecherin von Feintool.

Ein grosses Thema direkt nach dem Beschluss war auch der Brexit. Entgegen aller Erwartungen stimmten die Briten für einen Austritt aus der EU. Der Austritt zählt nun auch zu den grossen Unbekannten der künftigen Wirtschaftsentwicklung. Auch den Automobilzulieferer Feintool könnte dies betreffen. Zwar hat das Lysser Unternehmen keinen eigenen Produktionsbetrieb und kaum direkte Kunden in Grossbritannien. Die Exporte von Autos aus anderen Ländern, zum Beispiel Deutschland, nach England könnte die Arbeit von Feintool dennoch tangieren. «Wie sich diese Exporte entwickeln, können wir heute aber noch nicht absehen», so Karin Labhart.

Auch für Stebler gleicht ein Ausblick auf die Auswirkungen eines Brexits dem Blick in die Kristallkugel. Hinzukommt, dass die Auswirkungen beim Gewerbe erst verzögert spürbar wären. «Das Gewerbe kommt nun mal am Ende der Kette», so Stebler.

Wahlkampagne der USA wird keine Schule machen

Auch was die Wahl Trumps betrifft, hält sich die Präsidentin der Bieler KMU zurück. «Momentan verbreiten alle Panik. Dabei kann niemand sagen, welche Auswirkungen seine Wahl hat, geschweige denn, welche Strategie er fährt.» Für Miriam Stebler ist klar: «Ich habe davor keine Angst.»

Feintool hingegen ist von Trumps Wahl direkt betroffen: Das Unternehmen führt zwei grosse Betriebe in den USA. Diese produzieren zum grössten Teil für die amerikanischen Automobilzulieferer. Genau deshalb fürchtet das Unternehmen keine negativen Auswirkungen. Ohne Skepsis ist das Unternehmen dennoch nicht. Für eine abschliessende Einschätzung sei es noch zu früh. «Die Entwicklungen werden von uns weiter beobachtet», so Karin Labhart.

«Alles wird sich wieder normalisieren», ist sich Donato Cermusoni nach der Wahl Trumps sicher. Der in den USA geführte Wahlkampf wird von den Werbeagenturen hingegen genaustens beobachtet. Droht eine solche Art der Kampagnenführung nun auch in der Schweiz Schule zu machen? «Wenn wir dies bei den Amerikanern abschauen, würden wir einen Fehler begehen», sagt Cermusoni klar.

Er ist sich aber sicher: In der Schweiz werden sich Kampagnen dieser Art nichtdurchsetzen. Die Schweiz biete eine breite Kampagnenführung. «Hier könnte niemand einfach Wahrheiten verdrehen», so Cermusoni, «dafür ist die Schweiz zu demokratisch.»

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