Sie sind hier

Abo

Grenchen

Die Kuh im All, das Schwein für die Uhr

An der Generalversammlung der Swatch Group ist es bisweilen tierisch zu und her gegangen. Konzernchef Nick Hayek disste die Konkurrenz und stellte einen besonderen Neuzugang im Kreativteam vor.

Das Sternzeichen der Swatch Group: die Schweizer Kuh auf der Milchstrasse.  copyright: susanne goldschmid/bieler tagblatt

Tobias Graden

Wenn schon im Zug nach Biel kurz vor 9 Uhr ungewöhnlich viele Leute sitzen, viele davon eher älteren Jahrgangs und viele davon gekleidet, als ginge es zum sonntäglichen Gottesdienst mit anschliessendem Braten im Dorfrestaurant; wenn dann im Zug nach Grenchen noch mehr solche Leute sitzen und sich ein Rentnerpaar über die beste Strategie berät («Ich gehe schon etwas früher raus und stehe am Buffet an, dann kannst du zu mir stossen.» «Was soll ich?» «Ich gehe früher, und du kommst nach!» «Meinst du?» «Ja!» «Also gut.»); wenn sich in Grenchen Süd diese ganzen Heerscharen in BGU-Sonderbusse pferchen; wenn rund um die Badi und das Stadion alle Parkplätze besetzt sind und sich die parkierten Autos auf der Staadstrasse fast bis zum Tennisclub hin erstrecken; wenn dann 3562 Personen den Weg ins Velodrome finden, dort ein Säcklein mit einer Uhr und einem elektronischen Abstimmungsgerät in Empfang nehmen und innerlich schon mal die Laufwege zum Buffet-Zelt abmessen;wenn sie dann das Velodrome fast bis auf den letzten Platz füllen und auf grossen Bildschirmen goldene Luxusuhren glänzen und tollkühne Piloten in Hamilton-Kunstflugzeugen Saltos über dem Monument Valley fliegen, bis um 10 Uhr die Bildschirme weiss werden; wenn all dies an einem Donnerstagmorgen vor sich geht, dann weiss man:Es ist wieder Generalversammlung der Swatch Group.

Die Mondphase, diese Poesie
Dann spricht Nayla Hayek, Verwaltungsratspräsidentin der Swatch Group, erst mal über schwarze Löcher, Sterne, Galaxien, Universen. Es ist keineswegs abwegig für einen Uhrenhersteller, über das Weltall und die ewige Bewegung der Gestirne zu sinnieren, tut er im Prinzip doch nichts anderes, als dessen Essenz mittels Federn, Hemmungen und Zahnrädern nachzubauen und in miniaturisierten mechanischen Maschinen nachzuahmen. Am direktesten sichtbar ist dies in der Komplikation der Mondphase: Sei diese «nicht ein poetisches Mittel», fragt Nayla Hayek in ihrem Geleitwort, «um dieses romantische, mystische Gesicht des Erdtrabanten (...) immer bei sich zu haben?» Zum Mond hat die Swatch Group ohnehin eine spezielle Beziehung, trugen doch die einzigen Menschen, die ihn bislang betreten haben, eine Uhr der zum Konzern gehörenden Marke Omega am Arm.
Die Swatch Group wäre aber nicht die Swatch Group, wüsste sie solch grosse Themen nicht auch zu ironisieren. Und so ist das Sternzeichen ihrer Wahl ein eigenartiges:die Schweizer Kuh auf der Milchstrasse.

«Kollegen» aus Genf und Paris
Konzernchef Nick Hayek hat’s ohnehin weniger mit der Poesie. Lieber spricht er von der Innovationskraft der Swatch Group in Relation zu den drei anderen grossen Schweizer Uhrengruppen. Er zeigt eine Grafik, die Kurve darauf bildet die Entwicklung der Zahl der Patente über die letzten Jahre ab. Hoch oben fliegt die Kurve der Swatch Group, letztes Jahr hat sie 183 Patentgesuche eingereicht. Am Boden unten kleben die Kurven der anderen drei Gruppen, deren Patentgesuche jeweils die 30 pro Jahr nicht überschreiten. Hayek nennt ihre Namen nicht, er deutet sie bloss an: Die erste sei «ein Kollege aus Biel und Genf mit einer Krone im Logo», die zweite «macht auch Koffer und kommt aus Paris», die dritte «hat einen Hauptaktionär aus Südafrika». (Die Namen von Rolex, LVMH und Richemont sind den meisten im Saal bekannt.) Innovation ist unabdingbar, lautet die Botschaft, auf lange Sicht schlägt sich dies in den Zahlen nieder, und diese sehen für die Swatch Group wieder sehr gut aus. Der Betriebsgewinn kletterte letztes Jahr über die Milliardengrenze, das Jahr 2018 erweise sich auch als sehr positiv, sowohl in Umsatz als auch Ergebnis.

Bald kommt «Oink!»...
Zeit für ein Spässchen also. Die Marke Swatch führt ihre Tradition der Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden und anderen Kreativen weiter. Nach grossen Namen wie Alfred Hofkunst, Keith Haring oder Vivienne Westwood ist heuer jemand Besonderes dran:Pigcasso. Das ist ein Schwein, das in Südafrika vor dem Schlachthaus gerettet und in der Folge mit «positiver Dressur» darauf trainiert wurde, Bilder zu malen. Gewinne aus deren Verkauf gehen in eine Kampagne, welche die Lebensumstände von Mastschweinen verbessern will. Die Swatch-Kollektion heisst «Oink! by Pigcasso», kommt um die Jahreswende auf den Markt und jeder Käufer erhält ein Echtheitszertifikat mitgeliefert, mit  Pigcassos Schnauzenabdruck. Auf der Website grüsst Pigcasso keck einen Künstlerkollegen:«Hello Francis Bacon!»

...und das «Krokodil» geht auf
Aktionär Rolf Lüthi aus Meilen möchte lieber etwas über Batterien wissen. Ob denn die Batterie der Belenos AGeinen Durchbruch bedeute, wie weit das Projekt sei, ob denn künftig komplette Antriebssysteme für Autos gebaut würden, wie es um den Börsengang stehe? Allesamt interessante Fragen, attestiert ihm Nayla Hayek, aber die GVder Swatch Group sei der falsche Ort, sie zu stellen, denn Belenos gehöre nicht dem Uhrenkonzern allein. Aktionär Walter Grob aus Bern möchte wissen, wann die neue Omega-Fabrik eingeweiht werde und erfährt, dass dies bereits geschehen ist. Ende 2018 oder Anfang 2019 dürfte dies dann auch für das Swatch-Gebäude gelten, die Schlange, «unser Krokodil», wie Nayla Hayek sagt.
Disharmonie herrscht an diesem Tag keine. Die Generalversammlung nimmt die Dividendenerhöhung auf das Niveau von 2015 dankbar an und hat nichts dagegen, dass auch die Bezüge der Konzernleitung wieder dort landen. Die Wahlen zeigen jedoch einen gewissen stillen Protest einiger Aktionäre. Besonders dass Nayla und Nick Hayek auch im Vergütungsausschuss sind, gefällt nur 70,2 respektive 69,6 Prozent der vertretenen Aktienstimmen. Allerdings sinkt die Stimmbeteiligung nun bereits rapide, und in den Minuten nach 11.45 Uhr zeigt sich, ob die Strategie für den Rush aufs Buffet die richtige war.
Einem Aktionär aus dem Kanton Zürich ist das egal. Er setzt die Sonnenbrille auf, putzt einen Fleck auf der glänzenden Motorhaube seines Aston-Martin-Cabrios und braust davon.

Nachrichten zu Wirtschaft »