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Uhren

In die Magie der Zeitmessung eintauchen

Seit 2015 bietet das Unternehmen Initium Crea Watch Seminare für Uhrenliebhaber an. Die Teilnehmenden erhalten Einblick in die Technik der mechanischen Zeitmessung und dürfen ihre eigene Uhr gestalten und zusammenbauen.

Wegen der Coronakrise musste Initium seine drei Standorte auf behördliche Anordnung schliessen, weil die Unternehmenstätigkeit als Freizeitangebot gilt. Inzwischen haben die Werkstätten den Betrieb wieder aufgenommen. Bild: zvg

Philippe Oudot/pl

Hinter Initium Crea Watch steht die Leidenschaft von drei Männern: Gilles Francfort, Mathieu Gigandet und Karim Mellouli. Das Projekt entstand 2015 im Rahmen einer gemeinsamen Masterarbeit an der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg. Initium bietet für ein breites Publikum Einführungskurse in die Uhrmacherkunst an. Die Teilnehmenden erhalten Einblick in die Technik der mechanischen Zeitmesser und wer möchte, darf seine eigene Uhr gestalten und zusammenbauen.

Zum Gründertrio von Initium Crea Watch erklärt Gilles Francfort: «Wir sind keine Uhrmacher.» Seine beiden Kollegen sind Ingenieure – einer Mikrotechniker, der andere Elektroniker. Francfort selbst hat einen Masterabschluss in Geisteswissenschaften. Aber alle drei stammen aus dem Jurabogen, in dem die Uhrenindustrie stark verankert ist. Dort haben die Jungunternehmer die unerlässlichen Fachpersonen für ihr Vorhaben gewonnen. «Wir möchten jedem und jeder die Möglichkeit geben, die Geheimnisse mechanischer Uhrwerke zu entdecken», so der Sprecher von Initium.

An drei Standorten

Im Jahr 2015 eröffneten die drei Teilhaber eine erste Werkstatt in Le Noirmont, mitten in den Freibergen, dem Land der Uhrmacher-Bauern. Bald folgte ein zweites Atelier in der Genfer Altstadt. Seit zwei Jahren werden Seminare im sanktgallischen Gebertingen zwischen Rapperswil und Uznach angeboten. Diese Kurse werden nicht von Initium selbst, sondern von einem Franchisepartner ausgerichtet. Heute beschäftigt das Startup acht Personen, davon zwei Uhrmacher in Vollzeit.

«Wir sind keine Uhrenmarke, die fertige Produkte verkauft. Wir bieten eine Dienstleistung in Form von Workshops an, die Menschen befähigt, selbst eine Uhr zu montieren», präzisiert Francfort. Tatsächlich wartet Initium mit einem Fächer von Kursangeboten für Kleingruppen auf. Hier die Vorstellung der drei wichtigsten Module: Der Einführungskurs Alfa dauert drei Stunden. Nach der theoretischen Einführung durch einen Uhrmacher dürfen die Besucher Teile eines Uhrwerks demontieren und wieder zusammensetzen. Als Übungsmodell dient der Handaufzugskaliber Unitas 649, der wegen seiner Robustheit in Fachkreisen «Traktor» genannt wird.

Das Kursmodul Gamma ist anspruchsvoller und dauert einen halben Tag. Höhepunkt ist die Gestaltung und Montage der persönlichen Armbanduhr. Gilles Francfort erklärt: «Nach der Vermittlung des theoretischen Grundwissens entwirft jeder Teilnehmer seine eigene Uhr. Er wird dabei vom Kursleiter beraten.» Initium verkauft keine fertigen Modelle oder Kollektionen. Hingegen verfügt das Unternehmen über ein reiches Sortiment an Komponenten, aus denen sich rund 500000 unterschiedliche Kombinationen zusammenstellen lassen.

Sobald die Auswahl getroffen ist, werden Zifferblatt und Zeiger aufgesetzt. Dann wird das Werk eingeschalt. Die fertige Uhr durchläuft die Endkontrolle, und schon darf der Seminarbesucher seinen persönlichen Zeitmesser am Handgelenk tragen – Swiss made, versteht sich.

Blick ins Herz der Uhr

Das dritte Kursmodul trägt den Namen Delta und richtet sich an jene, die während eines ganzen Tages tiefer in die Mechanik der Zeitmesser blicken möchten. Nach der unerlässlichen theoretischen Einführung lernen die Kursbesucher unter fachkundiger Anleitung, wie man Teile des Uhrwerks auseinandernimmt und danach wieder zusammensetzt. Im Anschluss an diese Operation folgen dieselben Schritte, wie sie im Modul Gamma beschrieben wurden: Jeder sucht sich die Komponenten nach seinem Geschmack aus und stellt damit eine Uhr zusammen, die den persönlichen Stempel trägt.
Die Kurse von Initium Crea Watch ziehen ein breites Spektrum von Seminarbesuchern an: «Der jüngste war erst 14 und der älteste 92 Jahre alt», berichtet Gilles Francfort. Den Hauptteil der Kundschaft bilden Männer. Die Frauen zeigten am Anfang weniger Interesse, was aber nichts mit überkommenen Rollenbildern zu tun hatte: Die angebotenen Unitas-Uhrwerke waren schlicht zu gross für den Einbau in Damenuhren. «Seither haben wir die Auswahl um den Automatikkaliber 2892 von ETA erweitert, der in Uhrenschalen von 33 bis 43 Millimetern Durchmesser passt», so Francfort. Die Anpassung hat sich gelohnt: Der Anteil der Kursteilnehmerinnen ist auf ein Drittel angestiegen.

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«Wir sind keine Konkurrenten, sondern Botschafter»

Initium Crea Watch ist nicht die einzige Anbieterin von Entdeckungstouren in die Welt der Uhrmacherei. Dennoch beansprucht das Jungunternehmen eine herausragende Stellung auf diesem Markt: «Wir gehen weiter als die Konkurrenz, weil wir tiefere Einblicke in die Technik vermitteln», argumentiert Gilles Francfort. Der Kunde müsse sich bei der Gestaltung seiner persönlichen Uhr nicht mit ein paar Zifferblättern und Farben zufriedengeben: «Wir bieten eine sehr breite Palette an Komponenten zur Auswahl an, damit die eigene Uhr wirklich einzigartig bleibt.» Auch bei der Vermittlung von theoretischem Wissen sei Initium im Vergleich zu gewissen Uhrenherstellern, die ebenfalls Seminare anbieten, gut positioniert: «Wir vertreten keine Markeninteressen und sind deshalb frei, objektiv und sachlich zu informieren.» Zudem umfasse das Paket seiner Firma einen reichhaltigen Erlebnistag: «Während des Seminars in Le Noirmont nehmen wir das Mittagessen im Sternerestaurant Maison Wenger ein», sagt Francfort.

Die Genfer Veranstaltungen von Initium werden zur Hälfte von Gästen aus den Vereinigten Staaten, Grossbritannien und Deutschland gebucht. Die Akquisition dieser Kundschaft geschieht über Genève Tourisme, Hotels, Agenturen, Werbespots in Swiss-Flugzeugen und den firmeneigenen Internetauftritt. «Wir nutzen alle Kanäle, die den finanziellen Mitteln unseres Kleinunternehmens offen stehen», bestätigt Gilles Francfort.

Die Workshops in Le Noirmont ziehen vorwiegend Kunden aus der Region und dem grenznahen Frankreich an. Die Uhrenseminare im Ostschweizer Gebertingen stossen ebenfalls auf reges Interesse.

Initium Crea Watch hat nicht nur beim Publikum einen guten Ruf erworben; die Branche begegnet dem kleinen Unternehmen gleichermassen mit Wohlwollen. Francfort ist überzeugt: «Wir werden nicht als Konkurrentin wahrgenommen, sondern vielmehr als Botschafterin der Uhrenindustrie, die jedem die Möglichkeit gibt, seinen eigenen unverwechselbaren Zeitmesser herzustellen.» pho/pl

Stichwörter: Wirtschaft, Uhren, Seminar

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