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Coca-Cola

Die riskante Rezeptänderung

Ein neuer Geschmack für das Nullkalorien-Getränk soll die Umsatzzahlen des Konzerns noch mehr hochtreiben. Machen das auch die Kunden mit?

Coca-Cola passt seine Angebotspalette an: Das Zero-Getränk (links) erhält ein neues Design und einen neuen Geschmack. Bild: PD

Martin Suter, New York

«Hi, ich heisse Mitch, und ich bin ein Coke-Zero-Süchtiger. Falls diese Veränderung mir mein unverzichtbares Getränk versauert, könnte ich zu verzweifelten Taten schreiten.» Mit diesem augenzwinkernden Droh-Tweet sah der New Yorker Mitch Gross der von Coca-Cola angekündigten Veränderung des Nullkaloriengetränks Coke Zero Sugar entgegen. Für ihn und andere Fans – aber auch für den Konzern selbst – steht viel auf dem Spiel, wenn an der Rezeptur eines Erfolgsprodukts herumgeschräubelt wird.

«Der beste Wachstumstreiber 2021 und wohl noch einige Jahre darüber hinaus ist wahrscheinlich Coke Zero Sugar», sagte Firmenchef James Quincey im Februar. Quinceys positive Perspektive bestätigte sich am letzten Mittwoch, als die Coca-Cola-Company ihre Vierteljahreszahlen bekannt gab.

Nach einem Taucher im Covid-Jahr 2020, das den in Kinos und Sportaustragungsorten vorherrschenden Coke-Produkten schwer zusetzte, greifen Konsumenten jetzt wieder zu den roten Büchsen und anderen Getränkeprodukten im breiten Angebot des globalen Konzerns.

Die Umsätze stiegen mit zweistelligen Prozentzahlen, haben vielerorts die Werte von 2019 überschritten und sollen für den Rest des Jahres weltweit mit 12 bis 14 Prozent zunehmen. Entgegen früheren Befürchtungen habe sich das Sozialverhalten der Menschen durch die Pandemie nicht permanent verändert, sagte Quincey am Mittwoch: «Die Menschen wollen raus.» Und dort ist dann die Chance gross, dass sie ein Cola trinken.

In den USA soll der Wechsel zum neuen Geschmack und Behälterdesign von Coke Zero Sugar bis Ende August abgeschlossen werden. In Deutschland und der Schweiz wurde das neu in einer knallroten Büchse mit schwarzer Schrift vertriebene Getränk bereits Mitte Juli lanciert. Laut «20 Minuten» importiert Coop es in der neuen Variante aus Polen, um den Preisdruck auf den hiesigen Hersteller zu erhöhen.

Vielleicht weil sich in der Regel vornehmlich jene äussern, die etwas zu bemängeln haben, scheinen negative Stellungnahmen bislang zu überwiegen. «Grausig und klebrig», schrieb der Firma eine Konsumentin, «nur noch abgestanden und süss» ein Kritiker.

Der Konzern selbst sieht das anders. Man habe den neuen Look und Geschmack mit Kunden und Nicht-Kunden von Coke Zero Sugar getestet, sagte der zuständige Ressortchef Rafael Prandini bei der Ankündigung der Veränderung. «Und sie lieben es.»

Coke Zero Sugar stelle «trotz seines enormen Erfolgs immer noch einen relativ kleinen Anteil der Coke-Marke» dar, sagte Cola-Chef James Quincey im April. Unter dem Namen Coke Zero wurde die Nullkalorien-Alternative zum zuckerhaltigen Coca-Cola Classic 2005 lanciert. Eine erste Revision von Geschmack, Verpackungsdesign und den neuen Namen Coke Zero Sugar erhielt das künstlich gesüsste Getränk 2017. Eingefleischte Fans protestierten, doch mehrheitlich gewöhnten sie sich daran. Heute hält das Getränk einen Anteil von 7,9 Prozent am US-Markt der kohlensäurehaltigen Getränke.

Wie bei der ersten Überarbeitung soll die neuste Variante bei gleichbleibenden Zutaten erfrischender sein und sich dem Geschmack des Zucker-Cola noch mehr annähern. Mit dem Wandel wolle der Konzern «dem Markt zuvorkommen», analysiert der Marketingfachmann Doug Bowman gegenüber der «New York Times». Konsumenten hätten sich daran gewöhnt, dass Produkte modifiziert würden.

Gleichwohl geht Coca-Cola ein Risiko ein. Der Versuch des Konzerns, sein traditionelles Zuckergetränk 1985 in ein «New Coke» zu verwandeln, ging als einer der grössten Marketing-Schnitzer in die US-Wirtschaftsgeschichte ein. Coca-Cola-Fans rebellierten massenhaft, und der Konzern erhielt bis zu 1500 Telefonanrufe täglich. Nach drei Wochen machte er einen Rückzieher und stellte das alte Produkt als «Coke Classic» wieder in die Regale.

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