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Ukrainekrieg

Die Situation ist für einzelne Unternehmen einschneidend

Die Sanktionen gegen Russland und der Krieg in der Ukraine belasten auch die Geschäfte der Maschinen-, Medizinal- und Uhrenindustrie in der Region. Die verhängten Lieferverbote stehen dabei nicht im Vordergrund.

Bild: Raphael Schäfer

Manuela Habegger

Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem, eingefrorene Währungsreserven, abgetrennter Nachschub kritischer Güter oder gesperrter Luftraum: Die Sanktionen des Westens gegenüber Russland sind rigoros. Sie sollen die Wirtschaft des Landes in die Knie zwingen und so Druck auf den Kreml ausüben. Doch was bedeuten die Sanktionen für Schweizer Firmen, die mit russischen Unternehmen Handel betreiben? «Es ist schon lustig, wenn Politiker sagen, Russland sei nicht relevant. Wir haben grosse Deals offen», sagt dazu René Stössel von der Bieler Posalux.

Das Unternehmen stellt Mikrobearbeitungsmaschinen für den Automobil- und Elektroniksektor her. Knapp fünf Prozent der Güter werden nach Russland geliefert. Erst kürzlich hat der Unternehmer einen neuen Vertrag abgeschlossen: Mikrobohrmaschinen für die Herstellung von Halbleiterplatten. Die Auslieferung solcher Maschinen nach Russland wird auch ohne die jüngsten Entwicklungen zuerst vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geprüft. Sie gehören zur Kategorie Dual-Use-Waren, die neben zivilen auch für militärische Zwecke verwendet werden könnten. «Der Endkunde muss beispielsweise immer klar deklariert werden», sagt der Bieler Unternehmer.

Doch selbst wenn die Posalux noch eine Exportbewilligung erhalten würde, wäre eine Lieferung derzeit unwahrscheinlich: «Mit dem Ausschluss der Banken aus dem Interbankensystem Swift werden Exportbewilligungen hinfällig. Wer sendet in dieser Situation eine Maschine, wenn nicht klar ist, ob die Lieferung auch bezahlt werden kann.»

 

Schadensbegrenzung

Ein Handelsunternehmen, das für Firmen aus der Region die Geschäfte in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion abwickelt, hat seinen Sitz ebenfalls in der Region: die TL Technology mit Sitz in Brügg. Rund zwei Drittel des Geschäfts macht Inhaber Thomas Liechti in Russland und in der Ukraine: «Für uns ist die Situation dramatisch, sowohl wirtschaftlich wie auch menschlich», sagt Liechti.

Er hat sich nun schon seit 30 Jahren auf diese Märkte spezialisiert. Konkret betreut er kleinere und mittlere Schweizer Maschinenhersteller, die zu wenig Ressourcen haben oder deren Absatzmarkt zu klein ist, um eigene Handelsbeziehungen in diesen Ländern aufzubauen. Thomas Liechti ist in diesen Ländern stark vernetzt, kennt die administrativen Abläufe und verfügt über entsprechende Bewilligungen: «Es braucht beispielsweise Lizenzen, um an Ausschreibungen für Aufträge teilzunehmen oder um Zahlungen in Rubel abzuwickeln», erklärt Liechti. Auch Lieferdokumente wie Exportbewilligungen oder Zollpapiere holt das Unternehmen für seine Kunden ein. Rund 20 Firmen aus dem Kanton Bern sind es, für die Thomas Liechti diese Märkte bedient. «Wir können aktuell keine Zahlungen tätigen, meine Bankkonti der russischen Niederlassung sind nicht mehr zugänglich und die dortigen Vermögen mit dem Wertverlust des Rubels um mehr als ein Drittel eingebrochen», fasst er zusammen. «Jetzt geht es um Schadensbegrenzung.»

Das Unternehmen versucht nun, die Aufträge seiner Kunden zu stornieren, und hofft auf Kulanz. Die Zahlungen über andere Kanäle wie etwa dem von Russland aufgebauten Interbankensystem oder über die kleineren russischen Banken abzuwickeln, die von den Sanktionen ausgenommen sind, sieht er wenig realistisch. «Die Bürokratie ist in Russland sehr hoch, das würde Monate dauern», sagt er. Vielmehr war er in den letzten Tagen ohnehin damit beschäftigt, seine Service- und Verkaufsleute in der Ukraine in Sicherheit zu bringen: «Das haben wir geschafft. Die Menschen sind jedoch sehr verängstigt, die jungen Männer können nicht ausreisen, weil sie zur Wehrpflicht eingezogen werden.»

 

Enge Handelsbeziehungen

In Russland versuchen die Menschen derweil, ihr Geld noch in etwas Werthaltigeres als den Rubel zu investieren, in Möbel und Elektronikgeräte zum Beispiel. «Es ist unverständlich. Die beiden Verkaufs- und Service-Teams haben oft zusammen Schulungen besucht, die Beziehungen sind sehr gut. Es tut den russischen Leuten denn auch unglaublich leid. Sie können den Krieg auch nicht verstehen», sagt Liechti, der sein Geschäft nun für Jahre zerstört sieht.

Es ist vor allem die hiesige Maschinenindustrie, die von den Exportbeschränkungen betroffen ist. Unter den Verwerfungen auf dem russischen Finanzmarkt leiden jedoch alle Firmen, die mit Russland Geschäftsbeziehungen haben. Sehr enge Beziehungen mit Russland pflegt beispielsweise die Ziemer Group in Port. Die Herstellerin von Lasergeräten für die Augenchirurgie hat über die letzten zehn Jahre die Zusammenarbeit mit russischen Spitälern und Wissenschaftlern intensiviert: «Wir stehen praktisch täglich mit unseren russischen Partnern in Kontakt und besuchen uns gegenseitig monatlich für Schulungen und zum Austausch», sagt Inhaber und Geschäftsführer Frank Ziemer. Mittlerweile trägt der Absatzmarkt bis zu sieben Prozent zum Umsatz bei.

Die Lieferungen der Lasergeräte und der Sterilprodukte, die es für die Geräte braucht, kommen weiterhin in Russland an, wie Ziemer sagt. Doch auch in diesem Sektor wiegen die Probleme beim Zahlungsverkehr schwer. Das Unternehmen vertreibt seine Produkte über Distributoren, die beispielsweise in Moskau ihren Sitz haben und die Güter dann an dortige Spitäler weiterverkaufen: «Die Händler sind nun intensiv daran zu prüfen, über welche Kanäle sie die Rechnungen in Zukunft begleichen können. Wie gut das geht, werden wir noch sehen», sagt er.

Doch auch wenn die Händler die Transfers abwickeln können: Der Wertzerfall des Rubels macht westliche Güter um ein Vielfaches teurer. «Wir suchen derzeit nach Lösungen, zum Beispiel mit längeren Zahlungsfristen und höheren Kreditlimiten. Wir setzen alles daran, die Versorgung sicherzustellen und die Handelsbeziehungen aufrecht zu erhalten», sagt Ziemer. Es sei etwa auch nach wie vor geplant, die Schulungen für die Installation und die Bedienung der Lasergeräte in Moskau wie auch in Port abzuhalten – trotz des gesperrten Luftraums und den damit verbundenen höheren Reise- und Transportkosten. Man fliegt nun den Umweg über Asien: «Auf Dauer wird es wohl viel schwieriger werden, um den Markt in Russland zu bedienen.»

Historisch bedingt stark in Osteuropa exponiert ist auch die Lengnauer Uhrenherstellerin Atlantic Watch. Zu 70 Prozent liefert das Unternehmen nach Polen, Rumänien, Ukraine und Russland. Die Bestellungen für die Ukraine wurden letzte Woche annulliert. «Für uns ist die Situation katastrophal», sagt Geschäftsführer Fredi Bickel. Auch in Polen und in Rumänien sei die Nachfrage eingebrochen: «Angesichts der Flüchtlingsströme haben die Menschen dort jetzt klar andere Prioritäten, als Uhren zu kaufen.» Es sei derzeit sehr schwierig zu sagen, wie es weitergehe. Obwohl Uhren zum Export nach Russland zugelassen sein dürften, blickt auch er angesichts des gekappten Zahlungsverkehrs, der annullierten Flüge und der damit verbundenen schwierigen Transportwege mit viel Sorge in die Zukunft.

Die Bieler Unternehmen bedauern die Entwicklungen in den Regionen: «Wir haben einen sehr angenehmen Umgang mit russischen Partnern. Sie können die militärischen Handlungen in der Ukraine übrigens auch nicht verstehen», sagt etwa René Stössel. Frank Ziemer findet die Sanktionen denn auch zu hart: «Diese treffen die russische Bevölkerung, die ja nichts dafür kann», sagt er.

Stichwörter: Wirtschaft, Ukraine, Geld

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