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Biel

Die Uhr für den schrägen Gentleman

Mit André Clémençon tritt eine neue Bieler Uhrenmarke auf den Plan. Ihr gleichnamiger Gründer setzt auf 
eine Nischen-Zielgruppe: Tätowierte Männer mit Sinn für Stil.

Dezente Hinweise auf die Tattoo-Kultur: "Irezumi Fine Arts"... Bild: zvg

Tobias Graden

Was ist ein «weird gentleman»? Wer das wissen will, kann sich André Clémençon anschauen. Nadelstreifenanzug, getrimmter Bart, die Frisur eine Kombination aus Sidecut und Man Bun, grossvolumige Ringe an den Fingern, an den Händen und am Hals ranken Tattoos hervor, so dass man weiss: Dieser Mann ist am ganzen Körper tätowiert. Clémençon gibt sich also durchaus elegant, aber vom klassischen Standpunkt her betrachtet auf eine unkonventionelle Weise – «weird» bedeutet seltsam, schräg –, wobei die vielen Tattoos eine zentrale Rolle haben.

Tattoos haben André Clémençon schon immer interessiert. 1987, mit 22 Jahren, liess er sich das erste stechen. Etwas Kleines, ans Motiv erinnert er sich nicht mehr. Seither ist viel dazugekommen, in Studios in Biel, Paris, Berlin – «aber es ist nicht so, dass ich süchtig bin nach dem Tätowieren», sagt er, «ich bin nicht ein Motiv-Sammler, mir geht es um den Zusammenhang.» Die meisten seiner Tattoos sind denn auch im japanischen Irezumi-Stil gehalten. Bei dieser traditionellen Art des Tätowierens wird der Körper nicht selten zum Gesamtkunstwerk.

Karpfen mit Bedeutung

Was es bislang nicht gab für Männer wie André Clémençon, ist eine Uhrenmarke, die diese Ästhetik und die damit verbunden Werte verkörpert. Zwar verkauft das Label Ed Hardy auch Uhren mit Tattoo-Motiven, aber das sind eher günstige Modelle mit plakativen Bildern, die nicht verkörpern, was Clémençon unter Wertigkeit versteht. Also gründete der Bieler seine eigene Marke.

Im Juni trat er mit der nach ihm selber benannten Marke auf den Markt. Zwei Kollektionslinien sind seither erschienen: Die «Nautic Star Series» und die «Irezumi Fine Arts Series». Erstere zeigt auf dem Zifferblatt den fünfzackigen nautischen Stern, «das wohl meistgestochene Motiv», wie Clémençon sagt. Ursprünglich vor allem bei Seeleuten beliebt und dort als Symbol für das gesunde Heimkehren verstanden, steht der Stern als Tattoo heute auch dafür, den Sinn des Lebens zu finden.

Bei der zweiten Serie ziert ein Koi das Zifferblatt, das zentrale Symbol im Irezumi-Stil – Clémençon selber hat sich auch mehrere Kois tätowieren lassen. Der Karpfen hat eine vielschichtige Bedeutung. Er steht für Stärke, Ausdauer, Strebsamkeit, aber auch für Reichtum, Glück und Erfolg. Als Tattoo ist ein Koi vielseitige Spielwiese für den Künstler: «Der Koi hat viele Schuppen, der Tätowierer kann mit zahlreichen Graustufen arbeiten – das ist ein ganz schönes Motiv», sagt Clémençon.

Für Banker geeignet

Beiden Modellen ist gemein, dass man die Verbindung zur Tattoo-Welt erst auf den zweiten Blick sieht – in den Motiven, aber auch in der Dekoration des Zifferblatts und der Gravur der Schwungmasse. Das ist bewusst so gehalten: «Die Uhr soll ja nicht die Tattoos konkurrenzieren», sagt Clémençon. Clémençon schliesst zwar nicht aus, später auch Modelle mit Komplikationen anzubieten, die jetzigen aber sind technisch denkbar schlicht gehalten – sogar auf eine Datumsanzeige und den Sekundenzeiger wird verzichtet. Mit dem schlichten Erscheinungsbild der Uhr soll beispielsweise auch ein Tattoo-Liebhaber seine Haltung ausdrücken können, der als Banker arbeitet und sein Körper-Kunstwerk nicht augenscheinlich zeigen kann.

Die Uhren sind Swiss made gemäss der geltenden Regelung, die Terminage erfolgt in Tavannes. Sie sind mit Automatik-Werken von Sellita ausgestattet. Die Preise liegen zwischen 2690 und 4490 Franken – die Uhr mit dem Koi ist deutlich teurer, weil das Perlmutt-Zifferblatt handbemalt ist. Clémençon weiss, dass er preislich «selbstbewusst unterwegs» ist, wie er es nennt: «Eine gewisse Exklusivität streben wir bewusst an.» Er verweist auch auf die qualitativ hochwertigen Komponenten und die kleinen Stückzahlen.

Seine Gestaltungsideen in einer günstigen Uhr aus Asien zu verwirklichen, das wäre für ihn nicht in Frage gekommen. Er selber ist zwar bislang nicht in der Horlogerie tätig gewesen, sondern in der PR-Branche – doch seine Bindung zur Uhrenwelt in der Region ist durchaus stark: Grossvater und Vater arbeiteten in der Grenchner Nivada, letzterer als Produktionsleiter.

Das nächste Motiv kommt

Erhältlich sind die Uhren bislang im Onlineshop des Unternehmens. André Clémençon ist aber daran, passende Händler zu suchen. Das können Uhrenläden sein, aber auch hochwertige Tattoo-Boutiquen. Den Markennamen hat er auch für die USA schützen lassen, vorerst stehen aber die Märkte in der Schweiz und dann jene im europäischen Ausland im Vordergrund.

Zahlen nennt Clémençon keine, aber klar ist, dass seine Marke ein Nischenprodukt bleiben wird, und zwar bewusst. Der Marktaufbau ist für eine kleine, unabhängige Marke ein langwieriges Unterfangen, und André Clémençon richtet sich an eine «kleine, eng gefasste Zielgruppe» – die zudem nur Männer umfasst. Mit einem Tattoo-Künstler entwickelt er derzeit das Motiv für das nächste Modell.

Und an seinem Körper, ist dort das Werk vollendet? Clémençon sagt: «Irgendein Plätzchen wird sich schon noch finden.»

Stichwörter: Uhren, Biel, Wirtschaft

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