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Nidau

Die Zukunft von Atelier 93 ist gesichert

Die Stiftung Battenberg übernimmt den Standort Nidau des Vereins Atelier 93. Direktor Markus Gerber sieht nicht zuletzt im Laden Potenzial.

Markus Gerber, Direktor der Stiftung Battenberg.  zvg

Tobias Graden

Nidau hat im Bereich Arbeitsmarktintegration eine besondere Bedeutung für die Schweiz. Bereits 1993 entstand hier eines der ersten Ateliers für Arbeitsmarktintegration überhaupt, es war der erste Standort und namensgebend für den späteren Verein Atelier 93. Dieser führte im Jahr 2012 die Organisationen des aufgelösten Schweizerischen Verbands für Heimarbeit zusammen und hat seinen Sitz im zürcherischen Dietikon.
Doch die Zeiten haben sichlängst geändert. Programme zur Arbeitsmarktintegration haben sich etabliert, und sie sind in aller Regel kantonal organisiert. Der Verein Atelier 93 aber führte nicht zuletzt Bundesprogramme des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) aus, die jedoch nicht mehr weitergeführt werden. Also entschied sich der interkantonal tätige Verein Ende letzten Jahres, den Standort Nidau auch aus Kostengründen aufzugeben.

Willkommene Ergänzung
Die Nidauer Verantwortlichen nahmen daraufhin Kontakt mit der Stiftung Battenberg auf. In bestimmten Bereichen bestand bereits eine Zusammenarbeit, und nach Gesprächen mit allen Seiten kam man gemeinsam zum Schluss: Die weiter laufenden Programme für Auftraggebende in der Sozialhilfe sind wichtig, die Nachfrage ist – derzeit auch der Coronakrise geschuldet – steigend, und die Tätigkeiten von Atelier 93 in Nidau ergänzen jene der Stiftung Battenberg und passen zum Stiftungszweck. «Der Stiftungsrat hat darum nach einer fundierten Überprüfung entschieden, dass wir den Standort Nidau von Atelier 93 übernehmen», sagt Battenberg-Direktor Markus Gerber.
Atelier 93 ergänzt die Stiftung Battenberg insbesondere in zwei Bereichen: Die Tätigkeiten im Bereich Logistik und den Second-hand-Kleiderladen mit Namen Loop. «Dieser Laden hat Potenzial», sagt Gerber, «denn es gilt: ‹Alt ist das neue Neu›, wir können also anknüpfen an einen aktuellen Trend.» Das Angebot des Ladens speist sich aus der Kleidersammlung, welche Atelier 93 in der Region regelmässig durchführt. Alleine gegen 15000 Säcke werden jeweils in Biel verteilt. Die besten eingegangenen Stücke werden bearbeitet und finden im Laden neue Besitzer, der Rest wird weiterverarbeitet und -verkauft.

Nahtloser Übergang
Die Modalitäten konnten in sehr kurzer Zeit geregelt werden, und die Übernahme ermöglicht einen reibungslosen Weiterbetrieb in Nidau. Am 30. März wurde der Übernahmevertrag unterzeichnet. Per Ende Mai wurden die bisherigen Arbeitsverhältnisse aufgelöst, ab 1. Juni haben die fünf Mitarbeitenden um Programmleiterin Irene Dill des Ateliers 93 laufende Arbeitsverträge mit der Stiftung Battenberg, hinzu kommen ein Lehrling im Logistikbereich sowie ein Arbeitsplatz im zweiten Arbeitsmarkt. Gesichert sind aber auch die 30 Jahresarbeitsplätze vorwiegend für Menschen, die Sozialhilfe beziehen. Es betrifft dies 50 bis 60 Personen, die Teilzeit tätig sind und betreut werden.

Herausfordernde Coronazeit
Doch nicht nur die Übernahme hat Battenberg-Direktor Markus Gerber und die 120 Mitarbeitenden gefordert. Die Coronapandemie stellte auch für die Aktivitäten der Stiftung eine besondere Herausforderung dar. «Wir führen einen systemrelevanten Auftrag aus», sagt Gerber, und dies muss auch in Pandemiezeiten gewährleistet sein. Gerber führte darum unmittelbar nach Ausrufung des ersten Lockdowns einen Krisenstab ein und stellte die tägliche Erreichbarkeit der Führungsebene von 6 bis 22 Uhr und an den Wochenenden sicher. Für den gesamten Betrieb wurde ein Schutzkonzept eingeführt. «Wir mussten unseren Betrieb neu denken», sagt Gerber.
Einfach war das nicht, wenn man bedenkt, dass in den Einrichtungen der Stiftung Battenberg insgesamt 350 Personen «mit besonderen Bedürfnissen im Prozess sind», wie Gerber das ausdrückt. Sie teilen sich auf in 100 Lehrverhältnisse, 50 Jahresplätze in Programmen der Arbeitslosenversicherung, 110 Jahresplätze für berufliche Massnahmen der IV und für Sozialhilfebeziehende sowie 90 Mitarbeitende mit Arbeitsplätzen im zweiten Arbeitsmarkt. Zudem beziehen 70 Menschen Dienstleistungen des betreuten Wohnens. Zu Beginn des Lockdowns mussten also manche Menschen zu ihrem Schutz in einen kurzen bewilligten «Urlaub» geschickt, die Betreuung aber gleichwohl sichergestellt werden.

Schwarze Null
Ertragsseitig hatte das Coronajahr zwei gegenteilige Effekte: Die Stiftung musste die öffentliche Restauration schliessen, Seminare fielen aus, Catering-Aufträge wurden storniert, aber auch die Aufträge aus der Wirtschaft gingen zurück – hier ist die Stiftung Battenberg direkt konjunkturabhängig. Anderseits traten krisenbedingt mehr Menschen in die Programme ein. Schliesslich resultierte – auch dank eines strikten Kostenmanagements, wie Gerber betont – eine zufriedenstellende schwarze Null. Ohnehin: «Bei uns als Non-Profit-Organisation stehen nicht die Gewinnzahlen im Vordergrund», sagt Markus Gerber, «sondern die Menschen.»
 

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