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Coronakrise

«Ein Baustopp wäre der Horror»

Stornierte Hausbesuche, kein Nachschub an Material oder fehlendes Personal: Die regionalen Sanitäre, Elektriker oder Schreiner stehen wegen des Virus vor unterschiedlichen Problemen.

So darf maximal 15 Minuten gearbeitet werden, ansonsten wird die Baustelle geschlossen. Bild: Anne Camille Vaucher

Manuela Schnyder

Wenn die Heizung kaputt ist oder der Spülkasten nicht mehr funktioniert – für Notfälle rücken die regionalen Handwerker auch zu Coronazeiten aus: «Wir haben das Glück, dass ein Schaden bei sanitären Anlagen meistens ein Notfall ist», sagt Daniel Wüthrich, Geschäftsführer der Pärli AG.

Beim Spezialisten für Heizungs- und Sanitärinstallationen hat sich das Auftragsbuch zwar auch geleert, gegenüber anderen Handwerksbetrieben ist es aber noch vergleichsweise voll: «Wir können nur noch etwa 20 Prozent der Arbeiten im privaten Bereich machen», sagt zum Beispiel Erich Weber, Geschäftsführer der Bieler Maler- und Gipsereigenossenschaft (MGG). Es sei ja auch verständlich, dass die Leute jetzt nicht die Maler im Haus haben wollen, um die Küche oder das Schlafzimmer zu streichen, sagt Weber.

Und auch der Schreiner verzichtet auf Hausbesuche: «Erstens sind sie nicht erwünscht und zweitens wollen wir unsere Mitarbeiter schützen», sagt Daniel Hermle, Inhaber der FTP Fenster + Türen GmbH.

Zumindest auf den Baustellen können die Handwerker derzeit noch etwas Geld verdienen – während die Gewerkschaften weiterhin einen Baustopp fordern: «Das wäre der Horror», sagt der Maler- und Gipsermeister Erich Weber. «Dann müssten wir den Betrieb schliessen.» Und auch Daniel Wüthrich meint, dass dies sicher vielen Handwerksbetrieben das Genick brechen würde. Zumal die vom Bund gesprochenen Massnahmen, wie etwa die verbürgten Kredite, zur Überbrückung gut sind, im Endeffekt aber das Problem nicht lösen: «Das verlagert die Verpflichtungen um zwei, drei Monate in die Zukunft, weg sind sie damit nicht –  weg sind die Erträge.»

Rechnungen stapeln sich

Noch können sich die Handwerkerfirmen mit ihren Reserven über Wasser halten. Derzeit versuche man, vorhandene Überzeiten abzubauen und Gesuche für Kurzarbeitsentschädigungen zu stellen, sagt Christian Gloor, Präsident des Regionalverbands Suissetec Bern.

Doch es sind nicht nur die Löhne, die bezahlt werden müssen, sondern auch Mieten und Lieferantenrechnungen, die bei vielen Betrieben etwa gleich hoch sind wie die Lohnsumme: Er habe gerade Fenster geliefert bekommen, sagt Daniel Hermle von der FTP Seelandschreinerei. Diese Rechnung liege nun auf dem Tisch, dabei könne er die Fenster gar nicht montieren, weil der Auftrag storniert wurde. Die Schreiner trifft es offenbar besonders hart: In der Werkstatt habe er für das Personal nur noch drei bis vier Wochen Arbeit. Und nicht nur die Heimbesuche könne er nicht machen, auch die ganzen Offerten fielen weg. Das werde auch das Frühjahrsgeschäft stark belasten. Vorsorglich sei er auf der Bank gewesen und habe einen Kredit beantragt. Zudem sind zwei seiner Mitarbeiter mit Symptomen zuhause, für sie hat er Kurzarbeit beantragt.

«Die Reserven sollten noch mindestens drei Monate ausreichen, um die anderen Kosten zu decken», sagt derweil Daniel Wüthrich von der Pärli AG. Der Unternehmer sieht sich aber mit weiteren Problemen konfrontiert: «Weil die Grenzen zu sind, wird uns bald das Material ausgehen.» Spiegelschränke, Wärmepumpen oder WC-Möbel bezieht das Unternehmen zum Teil aus Norditalien. Die Lager seien leer, man versuche nun, Vorbestellungen zu machen. Und auch personell würde man wohl an die Grenzen stossen, wenn die Zahlen der Infizierten weiter so stark zunehmen.

Auch die Bieler Maler- und Gipsergenossenschaft mit 35 Mitarbeiter ist finanziell gut aufgestellt: Die Reserven reichten noch mindestens ein halbes Jahr, sagt Erich Weber. Doch auch er gibt zu bedenken: «Wir wissen nicht, wie gross die Einbussen sein werden, weil auch das Offertwesen stillsteht.» Das werde sich im Spätsommer zeigen. Auch bei ihm sind derzeit fünf Mitarbeiter zuhause in Quarantäne.

Es braucht neue Fristen

Derweil fordern die Gewerkschaften und Arbeitnehmende, sämtliche Baustellen schliessen zu lassen, weil die Abstands- und Hygieneregeln noch immer nicht eingehalten würden.

«Das ist nicht ganz fair», sagt dazu Manfred Ulmann, Präsident des Kantonal-Bernischen Verbands der Elektroinstallationsfirmen (KBVE). Der Bundesrat habe die Regeln letzten Freitag präsentiert und am Montag seien die Gewerkschafter bereits auf Platz gewesen, kritisiert er.

Auf den Baustellen brauche es aber eine gewisse Anlaufszeit, um die Massnahmen umzusetzen, vor allem im Bereich der Hygiene. Es brauche zum Beispiel mehr Wasseranschlüsse und mehr Toilettenkapazitäten. Und vieles müsse von den Bauleitern und den verschiedenen Parteien zuerst koordiniert werden.

Ulmann spricht hier vor allem vom Innenausbau, wo die Abstandsregeln besonders schwierig einzuhalten sind. So arbeiten normalerweise Elektriker und Sanitäre gemeinsam auf engem Raum, wenn sie ein neues Bad installieren. Solche Arbeiten müssten nun gestaffelt erfolgen, was dann auf den Fertigstellungstermin Auswirkungen habe. Und diese wiederum müssten mit

den Architekten besprochen werden. Denn auch die Architekten seien an gewisse Fristen gebunden, wie beispielsweise Wohnungseinzugstermine. Bis Ende Woche müssten die Massnahmen greifen.

Und trotzdem bleiben viele Arbeiten zu zweit mit weniger als zwei Metern Abstand nicht zu umgehen, wie die Unternehmer einräumen: Zum Beispiel bei Sanitären, die schwere Boiler tragen müssen oder Schreinern, die mit grossen Fensterelementen arbeiten.

In anderen Bereichen muss mit Gewohnheiten gebrochen werden: Nicht mehr gemeinsam den Lift benützen oder in Pausen und Besprechungen auseinanderstehen: «Wir müssen nun auch schriftlich bestätigen, dass wir über das Virus informiert sind und die Vorsichtsmassnahmen einhalten», sagt ein Elektriker. Dass einige Baustellen, bei welchen die Umsetzung nicht möglich sei, geschlossen werden müssen, das lasse sich wahrscheinlich nicht vermeiden, sagt auch Christian Gloor von Suissetec.

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