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Swatch Group

Ein glänzendes Geschäft

Für eine Milliarde Dollar hat der Bieler Uhrenkonzern die Schmuck- und Uhrenmarke Harry Winston gekauft.

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LOTTI TEUSCHER

 

Was hat Königin Elisabeth II gemeinsam mit Madonna, Gwyneth Paltrow, Scarlett Johansson und Marilyn Monroe? Sie alle tragen den glänzenden Edelschmuck von Harry Winston. Der US-Hersteller von Schmuck und Uhren hat sich weltweit einen Namen gemacht; seit gestern gehört er der Swatch Group. 750 Millionen Dollar hat der Bieler Uhrenkonzern bezahlt, für weitere 250 Millionen Dollar wurden die Schulden übernommen. Dies ergibt summa summarum einen Betrag von einer Milliarde Dollar.

Dies tönt nach viel Geld, doch gemäss Gregory Pons, bekanntester Uhren-Journalist der Westschweiz, der auch für «Le Monde» und «Le Figaro» schreibt, hat Swatch Group ein sehr gutes Geschäft gemacht: «Dank Swatch Group sowie deren Infrastruktur wird Harry Winston sehr viel profitabler werden.»

Im Geschäftsjahr 2011 hat Harry Winston einen Ebit von 19 Millionen Dollar ausgewiesen; in den ersten neun Monaten 2012 waren es bereits 19,5 Millionen Dollar. Die Zahlen für das lukrative Weihnachtsgeschäft stehen noch aus. Tatsache ist aber, dass Harry Winston neue Boutiquen eröffnet hat, die helfen, den Umsatz zu steigern. Pons sagt, es sei realistisch, dass das US-Unternehmen dank Swatch Group bereits dieses Jahr einen Gewinn in der Höhe von 100 Millionen Dollar erreichen könnte.

 

Marge lässt sich steigern

Ganz so optimistisch ist Patrick Schwendimann, Analyst der Zürcher Kantonalbank, nicht. Doch auch er bescheinigt dem Bieler Konzern, ein gutes Geschäft gemacht zu haben: «Swatch Group kann dank der hohen Liquidität das Expansionstempo von Harry Winston forcieren.»

Hinzu kommt, dass die Margen des amerikanischen Uhren- und Schmuckherstellers vergleichsweise tief sind. In den letzten neun Monaten lag die Marge bei mageren 6,5 Prozent; Harry Winston hatte sich vor dem Kauf durch Swatch Group zum Ziel gesetzt, die Marge auf 10 bis 15 Prozent zu steigern. Schwendimann sagt, eine Marge von 20 Prozent sei für eine gut eingeführte Schmuckmarke «normal» und innerhalb von fünf Jahren zu erreichen.

Eine Knacknuss muss Swatch Group allerdings noch lösen: Sie muss zwei unterschiedliche Kulturen erfolgreich zusammenführen.

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JON METTLER

Swatch Group schielt auf Diamantenmarkt

Die Swatch Group kauft in den USA die Schmuck- und Uhrenmarke Harry Winston. Damit schliesst der Bieler Uhrenkonzern Lücken im obersten Preissegment - und verspricht sich Zugang zum lukrativen Diamantenmarkt.

Die Zufriedenheit bei Nayla Hayek ist gross. So gross, dass die Verwaltungsratspräsidentin der Swatch Group gestern aus dem legendären Lied von Marilyn Monroe zitierte: «Diamonds Are A Girl's Best Friend», zu Deutsch: Diamanten sind die besten Freunde eines Mädchens. Es war die feinsinnige Würdigung des neusten Deals, den die Swatch Group in Kanada getätigt hat: Nayla Hayek hat als Hauptverantwortliche des Aufsichtsgremiums eine Milliarde Dollar bewilligt, um die Harry Winston Diamond Corporation in Toronto zu übernehmen.

Monroes Zwischenruf

Dem kanadischen Unternehmen gehört die Uhren- und Schmuckmarke Harry Winston in New York, welche nun in den Besitz der Swatch Group übergeht. Firmengründer Harry Winston wird in Marilyn Monroes Song, den sie im Hollywoodfilm «Gentlemen Prefer Blondes» zum Besten gibt, durch einen Zwischenruf namentlich genannt. 750 Millionen Dollar fliessen in den Kaufpreis. Mit den übrigen 250 Millionen Dollar begleicht die Swatch Group Schulden.

Die Marke ergänze das Prestigesegment der Swatch Group bestens, begründete Nayla Hayek den Kaufentscheid. Damit wechseln weltweit 535 Mitarbeiter und die Produktionsstätte in Genf zum weltgrössten Uhrenkonzern mit Hauptsitz in Biel. Harry Winston betreibt auf der ganzen Welt über 20 eigene Salons. In Europa ist die Kette mit Verkaufsstellen in Paris und London vertreten. Die Marke erwirtschaftete im Jahr 2011 einen Umsatz von knapp 412 Millionen Dollar.

Swatch-Group-Chef Nick Hayek rechnet damit, dass Harry Winston in vier bis fünf Jahren eine Milliarde Franken Umsatz und 250 Millionen Franken Gewinn zum Gesamtergebnis der Uhrengruppe beitragen wird. Dies sagte der Bruder von Nayla Hayek gestern gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Swatch Group erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 8,1 Milliarden Franken. Zur Gruppe gehören Uhrenmarken wie Breguet, Omega, Longines, Tissot, Rado und Swatch (siehe Grafik oben).

Von der Übernahme ausgenommen ist das Geschäft mit der Diamantenförderung, das ebenfalls Teil der Harry Winston Diamond Corporation ist. Diese Aktivitäten erhalten mit Dominion Diamond Corporation einen neuen Namen und werden weiterhin von Toronto aus betrieben. Die Dominion Diamond Corporation hält 40 Prozent an der Diavik-Diamantenmine in Kanada.

Mit dem Verkauf des Uhren- und Schmuckbereichs kehre das Unternehmen zum eigentlichen Kerngeschäft zurück, sagte Firmenchef und Verwaltungsratspräsident Robert Gannicott: «Mit der Verkaufssumme sind wir gut aufgestellt für vorgelagerte Geschäftsgelegenheiten in einem Umfeld, wo Geld eine strategische Ressource darstellt, währenddem wir die Beziehung zum nachgelagerten Diamantengeschäft erhalten und ausbauen können.»

«Kontakt direkt ab Quelle»

Das umfirmierte Unternehmen werde eine fortdauernde Beziehung zur Swatch Group unterhalten, indem es die Uhrengruppe mit geschliffenen Diamanten beliefern werde, kündigte die Dominion Diamond Corporation weiter an. Zudem gaben die Kanadier bekannt, zusammen mit der Swatch Group die Möglichkeiten eines gemeinsamen Diamantengeschäfts prüfen zu wollen.

Die Swatch Group könnte sich so Zugang zu einem lukrativen Markt verschaffen, dessen weltweites Volumen auf 150 bis 200 Milliarden Dollar geschätzt wird. Fertige Schmuckprodukte machen davon nur gerade zehn Prozent aus. «Die Swatch Group ist einer der grössten Diamantenbezüger. Einen Kontakt direkt ab Quelle zu haben, ist deshalb so etwas wie eine Selbstverständlichkeit», sagte dazu Konzernsprecherin Béatrice Howald. Für die Swatch Group und ihre Kunden sei es zudem wichtig zu wissen, dass die Diamanten sauber seien, da sie aus Kanada stammen.

Der Uhrenkonzern versucht seit Jahren, Fuss im weltweiten Schmuckgeschäft zu fassen, das von Rivale Cartier beherrscht wird. Den ersten Schritt unternahm die Swatch Group im Jahr 2000 mit der Gründung der Tochtergesellschaft Dress Your Body (DYB). DYB stellt für Uhrenmarken der Swatch Group Schmuckprodukte her. Im Jahr 2007 schloss der Uhrenkonzern eine strategische Allianz mit dem US-Juwelier Tiffany & Co. Diese auf lange Frist ausgerichtete Zusammenarbeit wurde aber inzwischen eingestellt.

Nun liegen die Bieler mit Tiffany & Co. in einem handfesten Streit, den beide Seiten vor Gericht austragen. Swatch wirft dem Partner vor, die Entwicklung des Geschäfts mit Tiffany-Uhren systematisch blockiert und verzögert zu haben. Die Swatch Group verlangt darum in einer Schadenersatzforderung 3,8 Milliarden Franken. Tiffany & Co. reagierte mit einer Gegenklage und will von der Swatch Group 541,9 Millionen Franken.

Was die Analysten sagen

So überrascht es kaum, dass Finanzanalysten der Übernahme von Harry Winston applaudierten: «Die Akquisition ist unseres Erachtens strategisch ein ausgezeichneter Schachzug und verbessert das langfristige Wachstumspotenzial der Swatch Group», schrieb Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank gestern in seinem Morgenbericht (siehe auch Zweittext unten).

Die Übernahme stärke die Position der Swatch Group im internationalen Schmuckmarkt, wo das Unternehmen bisher relativ schwach vertreten gewesen sei, hielt Helvea-Analyst Michael Heider fest. «Dennoch lässt sich die Firma den Zutritt in den Premium-Schmuckmarkt relativ viel kosten.»

Mit dem Kauf von Harry Winston unternehme die Swatch Group eine neue Anstrengung, um den Schmuckmarkt zu pushen. «Auf den ersten Blick eine strategische Investition, die Sinn macht», so Patrick Hasenböhler von der Privatbank Sarasin.

Und René Weber von der Bank Vontobel sagte: «Die Übernahme der Luxusmarke Harry Winston passt ausgezeichnet zur Swatch Group, da sie die Lücke bei den Schmuckuhren im gehobenen Preissegment schliesst und eine sehr bekannte Juweliermarke in den Konzern eingliedert.»

Swatch-Aktie im Hoch

Auch die Anleger nahmen die Pläne der Swatch Group begeistert auf. Die Inhaberaktie kletterte gestern Morgen auf ein Allzeithoch von 516 Franken und schloss bei 513 Franken. Gegenüber dem Schlusskurs des Vortages entspricht dies einer Zunahme von 4,2 Prozent.

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LOTTI TEUSCHER

Eine Gruppe, zwei Kulturen

Dass der Kauf von Harry Winston für Swatch Group ein finanzieller Glücksgriff ist, daran zweifelt Uhren-Journalist Gregory Pons keine Sekunde.

Die wahre Frage aber laute: «Hat Swatch Group Leute, die sich in der Schmuckbranche auskennen?» Die Antwort gibt Pons gleich selber: «Nein. Swatch Group ist eine industriell geprägte Gruppe, Harry Winston ist geprägt von Schmuckwaren.» Das Zusammentreffen dieser beiden Gruppen sei eine Gefahr für die Übernahme.

Ponds wirft deshalb eine weitere Frage auf: «Wird Swatch Group kompetente Leute einstellen, um das Schmuck- und Uhrenunternehmen in die Gruppe zu integrieren?» Wenn nicht, drohe ein Schachmatt. Aus Zeitgründen konnte Swatch Group gestern zu diesen Fragen keine Stellung nehmen.

Weniger dramatisch beurteilt Philippe Borner die Situation, Direktor der Bank Bonhôte in Biel: «Schmuck und Uhren passen zusammen, dies auch deshalb, weil manche Uhren wahre Schmuckstücke sind.» Schmuck und Uhren seien Luxusgüter im oberen Segment mit gesunden Wachstumsraten. Dies zeigte gestern auch ein Blick auf die Börse: Nachdem der Bieler Konzern den Kauf von Harry Winston bekanntgegeben hatte, stieg der Kurs der Swatch-Group-Aktien deutlich.

Zwei Kulturen zusammenzuführen, sagt Borner, sei bei jeder Übernahme ein Problem: «Selbst dann, wenn beide Unternehmen industriell geprägt sind.» Die Herausforderung werde nun sein, wichtige Mitarbeiter bei der Stange zu halten.

Wenig Hoffnung macht sich Borner hingegen darauf, dass dank dem Kauf von Harry Winston in der Schweiz neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zwar werden die Uhren von Harry Winston in Genf produziert. Dass hingegen zumindest ein Teil der Schmuckherstellung in die Schweiz verlagert wird, macht laut Borner wenig Sinn: «Im Juwelier-Geschäft ist das Label ‹Swiss made› nicht zentral.»

Für Patrik Schwendimann, Analyst der Zürcher Kantonalbank, steht fest, dass Swatch Group die Marke Harry Winston weiterbringen wird. Die Chancen stünden auch gut, die beiden Unternehmen erfolgreich zusammenzuführen. Natürlich würden hinter jeder Firma Menschen stehen, und es sei üblich, dass sich der eine oder der andere in der neuen Gruppe nicht zurechtfinde, sagt Schwendimann: «Den Lead hat aber Swatch Group, und die ist nicht nur ein starker Partner, sondern auch sensibel genug, um zu wissen, dass es mit Harry Winston um eine eigene Marke geht.»

Als Vorteil wird sich laut Schwendimann auswirken, dass Harry Winston das Wachstum nun nicht mehr über Kredite finanzieren muss. Denn Swatch Group verfügt über genügend Eigenmittel.

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Schillernde Figur
• Der amerikanische Firmengründer Harry Winston machte sich vor knapp 100 Jahren als Diamantenhändler und Schmuckdesigner einen Namen.
• Das erste Geld verdiente der Sohn eines Juweliers laut einer Legende 1908 als Zwölfjähriger. Er entdeckte einen Ring in einem Second-Hand-Laden und bezahlte 25 Cent dafür. Zwei Tage später verkaufte er ihn für 800 Dollar weiter.
• In den 1920er Jahren kombinierte Harry Winston Diamanten mit Platinfassungen und revolutionierte das bis dahin klassische Schmuckdesign.
• Winston war bekannt dafür, dass er wertvollste Edelsteine einfach so in der Jacke mit sich herumtrug. Ein Coup gelang ihm mit dem Kauf der berühmten Schmucksammlung von Arabella Huntington, Frau des gleichnamigen Eisenbahnmagnaten. Sie galt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als reichste Frau der Welt.
• Danach erwarb Winston mehrere legendäre Edelsteine: Der berühmteste ist der «Hope»-Diamant, den er im Jahr 1949 kaufte. Es ist ein blaues Juwel mit 45,52 Karat. Der im 17. Jahrhundert in Indien gefundene Stein gehörte einst dem französischen König Ludwig XIV. und Marie Antoinette. 1958 schenkte die Firma das Kleinod dem Smithsonian Museum in Washington, wo es jährlich von 7 Millionen Menschen besichtigt wird.
• Harry Winston starb 1978 im Alter von 82 Jahren. Den Erben Winstons brachte das Diamantenimperium nicht viel Glück. Die Familie war nach seinem Tod zerstritten.
• Heute gehört die Harry-Winston-Gruppe zu den wenigen Unternehmen in der Branche, die die ganze Wertschöpfungskette im Diamantengeschäft abdeckt, vom Abbau über die Verarbeitung bis hin zum Handel. Zum Imperium gehören über 20 Luxusgeschäfte an bester Lage, unter anderem in New York, Paris, Peking und London. Kunden sind die britische Königin Elizabeth II, Madonna, Gwyneth Paltrow und Scarlett Johansson. rag
 

 

 

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