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Coronamassnahmen

Ein Run in die Bieler Büros?

Die Homeoffice-Pflicht gilt nicht mehr. Seit gestern können damit wieder mehr Menschen in den Bieler Büros arbeiten, sogar ohne Maske.

Viele wollen auch weiterhin ein paar Tage zuhause arbeiten. Und die Unternehmen gewähren dies auch vielerorts. Bild: Keystone

Manuela Schnyder

Wer will, der kann seit gestern wieder ins Büro zu den Kolleginnen und Kollegen zurückkehren. Der Bundesrat hat eine weitere Lockerungsphase eingeläutet. Demnach fällt auch die Maskenpflicht, insofern der Abstand eingehalten werden kann. Doch wer will überhaupt noch täglich an den analogen Arbeitsplatz pendeln? «Viele unserer Mitarbeitenden möchten auch künftig an zwei bis drei Tagen von zu Hause aus arbeiten», sagt dazu etwa Anna Ehrensperger von der Axa. Man werde das, wo möglich, auch gewähren. Auf den Agenturen und Generalagenturen mit viel Kundenkontakt wie in Biel sind gestern wieder mehr Mitarbeitende vor Ort anzutreffen. Allerdings bleibt die Axa vorsichtig: Es dürfen weiterhin nicht mehr als 50 Prozent der Arbeitsplätze besetzt sein, so lautet die interne Vorgabe – und das trotz Aufhebung der Homeoffice-Pflicht: «Im besten Fall werden wir diese Vorgabe nach den Sommerferien noch etwas weiter lockern können, sofern es die epidemiologische Lage erlaubt.»

Die Versicherungen wie etwa auch Banken und andere Dienstleister hatten oder haben die meisten Beschäftigten im Home Office. Bei der Axa arbeiteten bis anhin rund 90 Prozent von zuhause. Und man will die Rückkehr der Belegschaft ins Büro offenbar nicht forcieren.

Mal im Büro, mal zuhause

Die in der Region tätige Axa ist nicht das einzige Unternehmen, das nicht gleich sämtliches Personal zurück an den Arbeitsplatz beordert. «Wir hatten schon vor der Pandemie unseren Mitarbeitern ermöglicht, bis zu 60 Prozent im Homeoffice zu arbeiten», sagt Kurt Köhli von der Raiffeisenbank Bielersee. Man werde dies auch künftig weiterführen. Laut Köhli sind viele Arbeiten digital möglich und viele Angestellten haben sich ans Homeoffice gewöhnt. Zudem könnten die Raumressourcen mit der Zeit reduziert werden, was sich positiv auf die Kosten auswirke, sagt er. So arbeiten seit gestern zwar etwas mehr Mitarbeitende im Büro, die Personalbesetzung liegt bei der Bank aber weiterhin bei 50 Prozent.

Am Homeoffice festhalten will auch der Bieler IT-Dienstleister Netrics AG: «Wir werden die Homeoffice-Regeln trotz Aufhebung der Homeoffice-Pflicht vorerst beibehalten», sagt Chef Pascal Schmid. Es gebe nur ganz wenige Tätigkeiten, welche eine physische Präsenz vor Ort nötig machten. Wann, wo, welche Mitarbeitenden im Büro oder im Homeoffice arbeiten würden, das hänge nicht zwingend von der Funktion des Einzelnen ab, sondern vielmehr wie und wo ein Team spezifische Aufgaben am effizientesten erledigt werden könnten, erklärt er. «Bei uns wird daher das Arbeiten von zuhause eine grosse Rolle spielen.»

Laut Schmid möchten aber vor allem seine Mitarbeitenden mit Familien die Möglichkeit haben, ab und zu einen Tag im Büro zu leisten: «Künftig wird sich daher ein hybrider Ansatz von Arbeiten zuhause und im Office durchsetzen», sagt Schmid. Vorsichtig ist auch die Bieler Harting AG: «Wir werden unsere Coronamassnahmen noch nicht lockern», sagt Firmenchefin Susanne Giehl. Während in der Produktion aufgrund der Tätigkeit die ganze Belegschaft vor Ort arbeitet, sind in der Verwaltung nach wie vor viele Mitarbeitenden zuhause: «Das Homeoffice hat sich bewährt und wir sehen, dass die Mitarbeitenden auch gerne weiterhin die Möglichkeit haben möchten, zumindest teilweise im Homeoffice zu arbeiten», sagt Giehl. Und warum solle man diese Möglichkeit, die sich nun etabliert habe und zudem das Risiko einer Ansteckung im Betrieb reduziere, abschaffen?

Gefährliche Sommerzeit

Das Industrieunternehmen will zudem weiterhin wöchentlich testen, ganz ohne Pflicht vonseiten des Bundes – und zwar sowohl die Angestellten wie auch Lieferanten und Kunden: «Jeden Montag testen Mitarbeitende der Apotheke Dr. Hysek aus Biel unsere Belegschaft. Zudem haben wir auch Impfungen für unsere Mitarbeitenden organisiert», sagt Giehl.

Per Ende Juli sind bei Harting 70 Prozent der Angestellten vollständig geimpft, fünf Prozent sind aufgrund einer Coronainfektion bereits immun. «Weitere 25 Prozent der Angestellten wollen oder können sich aktuell nicht impfen lassen. Und auch Geimpfte können sich anstecken und andere anstecken. Wir werden daher weiterhin testen und die Homeoffice-Empfehlung umsetzen», sagt Giehl.

Die Firmenchefin ist bezüglich der Ansteckungsgefahr nach wie vor alarmiert: «In den Ländern wie Israel sieht man, dass die Impfungen anscheinend nicht vor allen Varianten schützen. Das Risiko einer Ansteckung wird jetzt durch die Ferienreisen und Grossveranstaltungen erhöht.»

Dieses Risiko schätzen auch die Gewerkschaften noch hoch ein: «Das ist ein kühner Entscheid des Bundesrats», sagt dazu Johannes Wartenweiler vom Gewerkschaftsbund Biel-Lyss-Seeland (GBLS). Man könne nur hoffen, dass die Unternehmen nach wie vor die Schutzkonzepte umsetzten. Die Kontrollen des Kantons seien bekanntlich unzureichend.

Begrüsst wird der Entscheid derweil von den Arbeitgebern: «Wichtig ist, dass die Verpflichtung gefallen ist», sagt Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband.

So könnten die Unternehmen wieder selber unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes über die Homeoffice-Regeln entscheiden. Die Verpflichtung habe ohnehin nicht viel Wirkung gezeigt. Bei der Einführung hatten laut Greuter bereits viele Unternehmen von sich aus ihre Angestellten ins Homeoffice geschickt. Nur rund 200 000 Angestellte seien damals zusätzlich ins Homeoffice gegangen, sagt er. «Und jetzt halten sich viele Unternehmen weiterhin an die Homeoffice-Empfehlung, weshalb wir aktuell keinen grossen Rückgang beim Homeoffice erwarten.»

Stichwörter: Homeoffice, Pandemie, Büro, Biel

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