Sie sind hier

Abo

Wochenkommentar

Ein Sieg
 der Nüchternheit

Manchmal sind die Abstimmungsverlierer ungewollt ehrlich und decken nachträglich selber die Mängel ihres Anliegens auf. So geschehen gestern, als der Vater der sogenannten Selbstbestimmungsinitiative, SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt, die klare Niederlage an der Urne einzuordnen versuchte.

Tobias Graden, Teamleiter Kultur und Wirtschaft

Die Gegner der Initiative hätten es eben viel leichter gehabt, sagte er gegenüber Radio SRF. Es sei für diese ein Vorteil gewesen, dass sie eine Vielzahl von Argumenten präsentiert hätten. Habe jemand eines dieser vielen Argumente gut gefunden, so sei er gegen die Initiative gewesen, so Vogt – während die Initianten «relativ abstrakt» hätten begründen müssen, warum das Stimmrecht bedroht sei.

Für Verwirrung haben allerdings auch die SBI-Befürworter selber gesorgt – mit ihrer uneinheitlichen Kampagne, bei der nie klar wurde, welches denn nun die Kernbotschaft sein sollte. Zuerst gab man sich staatstragend-handzahm und zeigte ohne Verweis auf die Urheberschaft sympathische Menschen, die für ein «Ja zur direkten Demokratie» warben. Mit den breit gestreuten Inseraten, in denen SVP-Übervater Christoph Blocher seine Frauen und Mannen ansprach, begann sich der Nebel zu lichten. Und schliesslich, wenige Tage vor dem Abstimmungssonntag, packte das «Egerkinger Komitee» nicht bloss den Zweihänder, sondern die Panzerfaust aus und warb mit Minarett und türkischen Richtern um mögliche letzte Unentschlossene – so sachfremd wie absurd, ein offensichtlicher Akt der Verzweiflung.

Die Konfusion aber war in der Initiative selber angelegt, und die Befürworter waren offensichtlich nicht willens, sie zu entkräften. Welche Staatsverträge hätten denn wie genau die direkte Demokratie gefährdet? Wollte man die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen oder nicht? Auch der an sich korrekte Hinweis darauf, dass andere Staaten selbstverständlich ihr Recht vor Völkerrecht stellten, verfing nicht: Wäre es den Initianten nämlich tatsächlich um die Würde der Verfassung gegangen, so hätten sie nicht verschwiegen, dass in jenen Staaten eine Verfassungsgerichtsbarkeit existiert und eine selbige für die Schweiz gefordert.

So aber zeigte sich die überwiegende Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung überaus nüchtern, mit der bestehenden Situation zufrieden und ohne Lust auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Die satte Ablehnung entlarvte die SBI schliesslich als das, was sie war: ein allzu durchsichtiges und darum glücklicherweise chancenloses Mobilisierungsvehikel der Rechtspopulisten.

tgraden@bielertagblatt.ch

Nachrichten zu Wirtschaft »