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Porträt

Ein "Terrier" nimmt sich die UBS-Spitze vor

Der 78-jährige Anlegerschützer Pieter Lakeman hat das Geldwäscheverfahren gegen Ralph Hamers losgetreten. Niederländische Firmen zerrt er seit Jahrzehnten vor Gericht.

Brachte im Alleingang eine Bank zu Fall. Anwalt Pieter Lakeman. Bild: Keystone

Jorgos Brouzos

Es ist vielleicht sein bislang grösster Coup: Pieter Lakeman ist der Mann, der das Strafverfahren gegen den neuen UBS-Chef Ralph Hamers ins Rollen brachte. Dabei hat der Anlegerschützer aus den Niederlanden schon einige Konzerne in Bedrängnis gebracht. Nun bekommt es also die UBS mit ihm zu tun, die grösste Bank der Schweiz.
Deren Chef, Ralph Hamers, war 2018 an der Spitze der niederländischen Grossbank ING, als sie wegen Mängel in der Geldwäschereiabwehr eine Strafe über 775 Millionen Euro bezahlen musste. Für den Schaden wurde jedoch kein Manager zur Rechenschaft gezogen. Das ging Lakeman gegen den Strich. Er hat daher die Einigung der Staatsanwaltschaft mit ING angefochten. Und zum Erstaunen vieler Fachleute hatte er Erfolg. Das Gericht wies die Staatsanwaltschaft an, gegen Hamers zu ermitteln.

Jemand ist verantwortlich
Wer mit Lakeman spricht, merkt schnell, dass es ihm nicht um Hamers persönlich geht. Er versteht einfach nicht, warum in einer Firma niemand dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie eine hohe Strafe bezahlt. Der oberste Chef soll dann dafür geradestehen – und das ist im Fall von ING eben Hamers.
Lakeman wählt seine Worte mit Bedacht. Er ist kein Polterer. Aber er perfektionierte in den vergangenen Jahren das Spiel mit den Medien und nutzt die Öffentlichkeit, wann immer es ihm etwas bringt. So erklärt er im Gespräch in einfachen Worten, welches die nächsten Schritte des Verfahrens sind und wieso dieses für ihn ein Erfolg ist. Von seinen 78 Jahren ist dabei wenig zu spüren. Die Aussagen sind druckreif.

Seinen Werdegang als Aktionärsschützer hat er einem Zufall zu verdanken. Zuerst studierte er Physik, dann Wirtschaft und machte sich danach selbstständig. Bald schon merkte er, dass es viele Firmen mit der Buchhaltung nicht so genau nahmen. Er kaufte sich Aktien und analysierte die Jahresberichte. Dabei stiess er auf viele Fehler, die er den Firmen ankreidete.


Niederländische Journalisten bezeichnen ihn daher als «Laus im Pelz» der niederländischen Wirtschaft oder einfach als «Terrier». Dem Finanzportal «Executive Finance» sagte er einst: Es sei nicht die Gier, die einen Manager zu Betrügereien veranlasse, sondern die Eitelkeit. «Er will mehr verdienen als sein Nachbar.» Auch seien die Firmenchefs heute nicht mehr oder weniger gierig als früher. Frustriert scheint er nicht zu sein. Er sei kein Idealist, der die Welt zu einem besseren Ort machen wolle. Denn Idealisten würden viel zu schnell ausbrennen. Er lässt einfach nicht locker und greift seit mehr als 40  Jahren fehlbare Firmen an.


Lakemans Stiftung Sobi hat bereits zahlreiche Prozesse geführt. Sie nimmt für Kleinaktionäre und andere Kunden Firmen unter die Lupe. Findet sie Fehler, strebt sie ein Verfahren an. Meist geht es um den Vorwurf, dass die Firmen ihre Gewinne zu hoch ausweisen, damit die Manager hohe Boni kassieren können.
Vielen Niederländern wurde Lakeman 2009 bekannt. Damals bekam der Unternehmer Dirk Scheringa Lakemans Wirken zu spüren. Scheringa hatte die Bank DSB gegründet. Sie lockte viele Kunden mit tiefen Hypothekarzinsen an, indem die Kunden eine Hypothek, kombiniert mit einer Lebensversicherung, abschliessen konnten. Wollten sie zu einer anderen Bank wechseln, mussten sie eine hohe Ablösesumme für beide Produkte bezahlen. Das konnte sich kaum jemand leisten.


Lakeman rief daher im Herbst 2009 live in einer TV-Sendung die Kunden dazu auf, alle ihre Spargelder abzuziehen. Denn wenn die Bank pleitegehen würde, würden sie besser dastehen. Dem kamen sie in Scharen nach. Schon nach wenigen Tagen waren Hunderte Millionen Euro abgezogen. Drei Wochen nach Lakemans Aufruf war die DSB-Bank pleite. Lakeman sprach Jahre später von seinem grössten Erfolg. In der Fernsehsendung «NH Nieuws» sagte er, dass er darüber nachdenke, am Jahrestag der DSB-Pleite eine Party zu machen.
 

Kritik vom Finanzminister
Für den Aufruf zum Bankensturm erntete Lakeman damals viel Kritik – etwa vom niederländischen Finanzminister Wouter Bos. Der bezeichnete die Aktion als «unverantwortlich». Der Jurist Daan Doorenbos sagte 2009 der Zeitung «de Volkskrant», dass sich Lakeman mit seinem Aufruf strafbar gemacht haben könnte. Dies, weil er die Bank in der Öffentlichkeit mit falschen Angaben schlechtgemacht habe. Angezeigt wurde Lakeman aber nicht. Später wurde ihm vorgeworfen, dass er der Stiftung der DSB-Opfer ein Honorar von 300 Euro in der Stunde verrechnete. Das dürfte sich für sie aber gelohnt haben. Er konnte für sie immerhin eine Entschädigung von rund 300 Millionen Euro erstreiten. Die Fehde mit Scheringa ging einige Jahre später weiter, als dieser 2016 mit einer neuen Firma an die Börse wollte.
Auch mit Doorenbos gibt es nun für Lakeman ein Wiedersehen. Der Anwalt vertritt in den Niederlanden UBS-Chef Ralph Hamers. Ein Amsterdamer Anwalt sagt: «Es ist wirklich eine vertrackte Situation, aber wenn jemand Hamers helfen kann, dann Doorenbos.» Er wäre wohl nicht der Erste, der sich in Lakeman getäuscht hat.

Stichwörter: UBS, Bank, Chef, Finanzen, Wirtschaft, Schweiz

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