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Biel

Ein weiterer Schritt zur Stadt der Innovation

Die Swisscom spannt eng mit dem Bieler Innovationsunternehmen Creaholic zusammen. Letzteres verdoppelt damit seine Belegschaft. Doch der Schritt über die beiden Firmen hinaus von Bedeutung.

Die neue Creaholic-Führung: Christina Taylor, André Klopfen-stein, Marcel Aeschlimann (v.l.). zvg

Tobias Graden

«Human Centered Design»: Gibt man diesen Begriff bei Google ein, erscheint ein Link zur Swisscom an dritter Stelle von fast zehn Millionen Treffern. Das zeigt einerseits, dass das Schweizer Telekom-Unternehmen weiss, wie man sich bei Google gut positioniert. Anderseits verdeutlicht es die Rolle der Swisscom in diesem Bereich der Innovationsentwicklung. «Die Swisscom ist darin eine Pionierin in Europa», lobt Marcel Aeschlimann, geschäftsführender Partner beim Bieler Innovationsunternehmen Creaholic.
«Human Centered Design», abgekürzt HCD, bezeichnet eine Innovationsmethode, bei der die Kunden im Mittelpunkt stehen. Rasch wird aus einer Idee ein Prototyp gebaut, dieser an Kunden getestet, deren Rückmeldungen, Bedürfnisse und Wünsche werden aufgenommen und so das Produkt schnell weiterentwickelt. Ihren Ursprung hat die HCD-Methode im Silicon Valley, wo Swisscom einen Ableger unterhält. Seit zwei Jahren bietet sie die entsprechenden Dienstleistungen auch Dritten an. Ein Beispiel für ein Produkt, das mit dieser Methode entwickelt wurde, ist Swisscom TV, das Fernsehangebot von Swisscom. Auch die Swisscom-Shops sind mit Hilfe von HCDentwickelt worden. Künftig arbeiten Creaholic und die Swisscom eng zusammen – und machen damit Biel zu einem Zentrum der Innovationsentwicklung in «Human Centered Design».

Creaholic in «La Werkstadt»
Entstanden ist die Idee der Zusammenarbeit im privaten persönlichen Gespräch zwischen Marcel Aeschlimann und dem Swisscom-CEO Urs Schaeppi. Die beiden kennen sich, Schaeppi ist Leubringer, beide Unternehmen sind zudem im Aktionariat der Innocampus AG vertreten. Mit dabei war Christina Taylor, Gründerin und Leiterin von Human Centered Design bei Swisscom. Man sprach über die Zukunft der Innovation, rasch entspann sich die Idee eines engen Zusammengehens. Weitere Beteiligte wurden eingespannt, ein halbes Jahr dauerten die Vorbereitungsarbeiten, gestern erfolgte dann die offizielle Kommunikation.
Die Eckpunkte des Zusammengehens sind folgende:
•Creaholic übernimmt 25 Mitarbeitende des Bereichs Human Centered Design von Swisscom.
•Christina Taylor wird Managing-Partnerin von Creaholic.
•Creaholic-Mitgründer Elmar Mock wird Ehrenpräsident des Verwaltungsrats.
•Die Swisscom beteiligt sich mit fünf Prozent an der Creaholic.
•Creaholic übernimmt die operative Führung von «La Werkstadt», des im letzten Herbst Innovationshauses von Swisscom an der Bieler Bahnhofstrasse. Dieses  bleibt aber unter der Marke Swisscom, dem Telekomkonzern obliegt die strategische Führung.
•Creaholic arbeitet im Bereich Telekommunikation künftig exklusiv für Swisscom.
•Christian Petit, Konzernleitungsmitglied der Swisscom, wird Mitglied des Creaholic-Verwaltungsrats.

Elmar Mock: noch zwei Jahre
Damit entsteht in der Innovationsbranche in Biel ein Anbieter mit Komplettangebot. «Unser Fokus lag bislang vor allem in den Bereichen Technologie und Design», sagt Marcel Aeschlimmann, «während die Swisscom eher auf Business und Design fokussiert war.» Anders gesagt: Ging es Creaholic (vereinfacht ausgedrückt) vor allem darum, neue Produkte zu entwickeln, so konzentrierte sich die Swisscom eher darauf, neue Geschäftsmodelle zu erarbeiten. Die Übernahme ermöglicht es Creaholic nun, ihren Kunden umfassendere Innovationsdienstleistungen als bisher anzubieten.
Der Wechsel von 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Swisscom zu Creaholic bedeutet für diese eine Verdoppelung des Personalbestandes. Gleichwohl hält das Unternehmen am bisherigen Sitz in der ehemaligen Seifenfabrik Schnyder an der Zentralstrasse 115 fest. Möglich ist dies, weil zwei Creaholic-Spin-offs neue Räume im selben Gebäude beziehen. Dabei handelt es handelt sich um die Joulia SAund die Smixin AG. Beide sind – wie andere Firmen auch – aus der Entwicklungstätigkeit von Creaholic hervorgegangen.
Die 5-Prozent-Beteiligung dagegen hat laut Aeschlimann zwar «eher symbolischen Charakter», soll aber das langfristig ausgerichtete gemeinsame Engagement verdeutlichen.
Ein schrittweises Zurücktreten bedeutet die Vereinbarung für Creaholic-Mitgründer Elmar Mock. Neu wird Marcel Aeschlimann Verwaltungsratspräsident sein. Er betont, dass dieses Vorgehen gemeinsam abgestimmt und im Interesse aller Seiten sei. Zudem werde Mock (der Miterfinder der Swatch), für mindestens zwei Jahre weiter bei Creaholic arbeiten.

«Biel wird gestärkt»
Die Swisscom begründet das Zusammengehen laut Mediensprecherin Sabrina Hubacher so: «Wir haben realisiert, dass HCDgerade extern ein sehr grosses Potenzial hat, das wir alleine nicht ausreichend bearbeiten können.» Swisscom könne sich nun intern auf Prozess-Innovation fokussieren, über Creaholic aber jederzeit «auf Top-Experten zu Innovation und HCDzugreifen». Auch sei es nun möglich, aufgebautes Know-how «mit anderen Firmen zu teilen und dies auch zu monetarisieren».
Auf den ersten Blick könnte die Zusammenarbeit, die ab dem 1. Mai in Kraft tritt, als schlechter Deal für Swisscom aussehen, ist es doch üblicherweise so, dass jene Firma zahlt, die von der anderen eine Abteilung übernimmt. Doch hier sprechen beide Seiten von einer Win-Win-Situation. «Swisscom bezieht über einen definierten Zeitraum fest vereinbarte Leistungen», sagt Sprecherin Hubacher, die besonders bei der Entwicklung disruptiver Lösungen zur Anwendung kämen. Marcel Aeschlimann sagt, das Innovationshaus Creaholic werde «wesentlich gestärkt».
Dies gilt aber auch für den Standort. «Biel wird als Innovationsstandort gestärkt», sagt Aeschlimann, «die Leute, die wir übernehmen, kommen auch aus Zürich oder Lausanne, das ist gebündeltes Know-how.» Für die Swisscom war auch die Nähe zum geplanten Campus Technik wichtig. «Wir erhoffen uns einen spannenden Austausch mit Studenten und Forschenden», sagt Hubacher. Aeschlimann sagt schlicht:«Es ist die Traumlösung für alle.»
 

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