Sie sind hier

Abo

Umwelt

«Eine 24-Stunden-Gesellschaft braucht Rückzugsorte»

Wieso treibt uns Lärm in den Wahnsinn und lässt uns wiederum völlig kalt? Antworten liefert die Prona AG. Die Bieler Firma erstellt Lärmgutachten und begleitet Bauprojekte so, dass sie möglichst umweltfreundlich realisiert werden. Zwei Bereichsleiter erzählen.

Martin Beusch und Regula Heinzer, Bild: Peter Samuel Jaggi
  • Umfrage

Umfrage

Der 26. April ist der internationale Tag gegen Lärm. Ist Ihr Alltag von Lärm beeinträchtigt?





Esthy Rüdiger

Es piept aus dem Bus, die Türen schliessen sich. Er fährt dröhnend los. Weitere Autos rauschen vorbei, einige Kinder versuchen mit ihrem Geschrei den Verkehr zu übertönen, als sie darauf warten, die Bieler Kanalgasse zu überqueren. Vor der Migros herrscht reger Betrieb, ein Trio musiziert beim Eingang: Schläge auf das Cajón, eine Handorgel im Stakkato und johlender Gesang. Es ist kein Ort, an dem man eine Firma für Umwelt, Arbeitssicherheit und Bauphysik erwarten würde, die sich unter anderem auf Lärmschutz spezialisiert hat.

Genau das aber ist der Punkt: Lärm gibt es überall. Wie störend wir ihn empfinden, ist hingegen sehr individuell. Sei es die Nachbarin, die in der oberen Wohnung abends mit den Stöckelschuhen über das Parkett klackert und auch sonst eher unfreundlich ist, weshalb es einen umso mehr nervt. Oder aber das Kind in der angrenzenden Wohnung, das die ersten – nicht astreinen – Töne auf der Flöte übt, man toleriert dies aber gerne, es ist doch eine so aufgestellte Familie.

 

Nachhaltig mit Lärm umgehen

Dann aber gibt es Fälle, in denen tatsächlich eine «schädliche und lästige Lärmeinwirkung» vorliegt. Das kann etwa ein Pub sein, das direkt unter Mietwohnungen betrieben wird und dessen laute Musik und feuchtfröhlichen Gäste stets bis in die Morgenstunden zu hören sind.

Ab wann genau etwas «schädlich und lästig» ist, hat der jeweilige Gesetzgeber mit Grenzwerten für einzelne Lärmarten festgelegt. Und hier kommt die Bieler Firma Prona zum Zug: Das Unternehmen hat sich auf die Planung und Realisierung von Objekten spezialisiert, bei der insbesondere der Umweltschutz berücksichtigt wird (siehe Infobox). Vergangenes Jahr feierte sie ihr 25-jähriges Bestehen.

Dies ist kein Zufall: Die Arbeit von Prona basiert auf dem Umweltschutzgesetz – und dieses trat 1985 in Kraft. Seither hat sich das Unternehmen eine breit abgestützte Kundengruppe erarbeitet, von Privaten über Unternehmen bis hin zur öffentlichen Hand. Die häufigsten Aufträge im Bereich Lärmschutz betreffen Strassenlärmsanierungen. Prona begleitet seine Auftraggeber sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung und Qualitätssicherung. Das Ziel: möglichst nachhaltig und dennoch sinnvoll realisierte Projekte, die den Anforderungen des jeweiligen Gesetzgebers entsprechen.

 

«Lärm wird unterschätzt»

«Lärm wird beim Bauen meist unterschätzt», sagt Martin Beusch, Fachbereichsleiter Akustik und Lärm bei Prona. Dies führt dazu, dass die Lärmemissionen bei der Planung meist nicht berücksichtigt werden und später den Betroffenen zusetzt. «Rückwirkende Massnahmen sind nicht nur aufwendiger, sondern auch um einiges kostspieliger», so Beusch. Hinzu komme, dass Lärmeinsprachen nach dem Bau eines Projekts oft recht gegeben werde.

Entscheidend ist für Prona aber nicht nur der Lärm von aussen, sondern auch die Akustik innerhalb eines Gebäudes. Problemfälle können etwa falsch eingebaute Bauteile sein oder ungedämmte Installationsrohre. Das Problem muss jedoch nicht immer offensichtlich sein.

Laut Regula Heinzer, Fachbereichsleiterin Bauphysik, spielt eine angenehme Akustik im Raum oftmals unbewusst mit. «Ist ein Restaurant zwar schön eingerichtet und ist das Essen gut, aber die Akustik unangenehm, fühlt man sich nicht wohl.» Das zeige sich etwa darin, dass der Pegel rasch auf eine unangenehme Lautstärke ansteigt.

Letzteres ist auch bei Kitas und Schulen ein häufiges Problem. Dabei könnte dieses mit zeitigem Beizug von Experten bei der Planung verhindert werden. Damit die Akustik stimmt, ist die Geometrie des Raumes wichtig («quadratisch beispielsweise ist sehr ungünstig»), noch entscheidender ist laut Heinzer aber das Material: Es soll den Nachhall dämpfen, den Klang aber gleichzeitig nicht zu stark absorbieren.

 

Teurere Quartiere für Biel?

Es sei gut, dass Leute am Tag gegen den Lärm, der morgen begangen wird, vermehrt sensibilisiert werden, so Beusch. «Wir bewegen uns immer mehr in Richtung 24-Stunden-Gesellschaft», sagt Beusch. «Rückzugsorte werden umso wichtiger.» Vielen werde es in der Stadt zu laut, sie ziehen deshalb aufs Land. «Dann pendeln sie in die Stadt und verursachen neuen Lärm», beschreibt Martin Beusch das Dilemma. Ausserdem sei es einigen auf dem Land auch zu laut: Kuhglocken, Kirchenglocken und Landwirtschafts-Maschinen verursachen lediglich eine andere Geräuschkulisse. Wichtiger wäre in städtebaulicher Hinsicht deshalb, für Ruheorte innerhalb der Stadt zu sorgen. «Neue Projekte wie 
Agglolac und die Esplanade bergen dafür viel Potenzial.»

Entscheidend sei zudem, wie sich die Mobilität weiterentwickelt. Wie sich etwa die Umfahrung auf Biel auswirken könnte, zeigen laut Beusch einige Quartiere in Zürich: «Der Wohnraum um die einstige Hauptverkehrsachse durch Zürich war enorm günstig. Als sie durch die Westumfahrung entlastet wurde, hat dies sämtliche Liegenschaften aufgewertet.» Sie seien renoviert und teuer vermietet oder verkauft worden. «Eine solche Verlagerung könnte hier in den nächsten Jahren auch erfolgen», sagt Martin Beusch. Die Stossrichtung, verdichtet zu bauen, könnte Unternehmen wie Prona künftig in die Karten spielen. Schliesslich müssen immer mehr Faktoren und Normwerte berücksichtigt werden, sodass «auf gut Glück bauen», wie es heute teils der Fall ist, gar nicht mehr möglich ist. Man komme künftig wohl nicht mehr darum herum, von Beginn an Akustiker beizuziehen.

 

Verursacher bezahlt Kosten

Beigezogen werden sie häufig eher zu spät, wie Regula Heinzer erzählt. «Oftmals kommen wir erst dazu, wenn das Lärmproblem schon länger besteht und nur noch teure und aufwendige Lösungen möglich sind.» In jedem Fall brauche es einen Auftraggeber, der die Kosten für das Lärmgutachten (Lärm von aussen) oder den Schallschutznachweis (Lärm innerhalb eines Gebäudes) übernimmt.

Liegt ein solches vor, hat das Umweltschutzgesetz klar geregelt, wer die Kosten trägt: der Verursacher des Lärms. Im Falle des lauten Pubs, das die Bewohner der darüberliegenden Räume stört, muss also der Pubbetreiber bezahlen – selbst wenn er nicht Inhaber der Liegenschaft ist. Zumindest dann, wenn laut Gutachten tatsächlich eine Lärmbelästigung vorliegt.

Die Erfahrung nämlich zeige, dass die Normwerte teilweise weit von der subjektiven Wahrnehmung abweichen: Einmal, da hätten sie Messungen durchgeführt, als die betroffenen Personen «psychisch bereits völlig fertig waren» wegen des Lärms, erzählt Martin Beusch. «Sie hatte sich über Jahre hineingesteigert. Wir konnten jedoch keine zu hohen Werte feststellen.» Hingegen habe es auch den Fall eines Ehepaars gegeben, das sein Schlafzimmer gewechselt hat, als die Kinder ausgezogen waren – das alte war lautem Strassenverkehr ausgesetzt. Bald schon seien sie aber wieder zurückgezogen. Ohne die gewohnte Geräuschkulisse konnten sie nämlich nicht gut schlafen. Auf psychologischer Ebene könne man sich also an Lärmbelastung gewöhnen, sagt Martin Beusch. «Aktuelle Studien zeigen aber, dass jahrelange Lärmbelastung zu gesundheitlichen Problemen führen kann.»

 

Zum Unternehmen

  • Die Prona AG wurde 1985 in Biel gegründet, Geschäftsführer ist Christian Stampfli.
  • Nebst dem ursprünglichen Hauptsitz in Biel ist der Standort Yverdon-les-Bains seit 2002 der Hauptsitz für die Westschweiz.
  • Sie ist eine der wenigen bilinguen Umwelt-Ingenieurfirmen der Schweiz
  • Sie zählt 50 Mitarbeitende und ist an sechs Standorten in der Schweiz vertreten.
  • Das Unternehmen ist ISO-zertifiziert für Umwelt, Qualität, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. reu
Stichwörter: Umwelt, Lärm, Gesellschaft

Nachrichten zu Wirtschaft »