Sie sind hier

Abo

Pharma

Eine Walliserin führt nun die grösste Berner Fabrik

Livia Artuso hat in Visp die Produktion des Moderna-Impfstoffs aufgebaut. Jetzt führt sie in Bern die CSL Behring – und ist hier wieder mit einem Ausbau beschäftigt.

Eine neue Topmanagerin auf dem Platz Bern: Livia Artuso, Biochemikerin und Fan des FC Sion. Bild: Adrian Moser

Adrian Hopf-Sulc

Für eine steile Karriere sollte man regelmässig den Arbeitgeber wechseln. An diesen Leitsatz hat sich Livia Artuso nicht gehalten. Die letzten 21 Jahre hat die ETH-Biochemikerin in Visp bei Lonza gearbeitet. Und am 1. Januar ist sie nun zur Leiterin des Berner Standorts der Pharmaherstellerin CSL Behring aufgestiegen.

Natürlich hat Livia Artuso nicht 21 Jahre lang in der gleichen Position gearbeitet. Sie war am Aufbau verschiedener biotechnischer Produktionsanlagen beteiligt. In diesen züchtet der Schweizer Chemiekonzern unter anderem Bakterien- oder Hefestämme, mit deren Hilfe verschiedene Proteine für die Pharmaindustrie hergestellt werden. Zuletzt verantwortete sie in Visp die mikrobielle Biopharma-Produktion mit rund 350 Mitarbeitenden. «Und ich war massgeblich an der Produktion der Covid-19-Impfung von Moderna in Visp beteiligt.»

 

Freiburg als Kompromiss

«Wie alle Walliser bin auch ich stark ans Wallis gebunden», sagt Artuso. Sie wuchs in Crans-Montana auf, wo ihre Eltern in der Hotellerie arbeiteten. Bisher fühlte sich die 49-Jährige in ihrem Heimatkanton wohl. Doch dann kam die Anfrage für den Chefposten bei der CSL Behring im nicht allzu fernen Bern – und Artuso sagte zu.

Doch täglich durch den Lötschberg pendeln will sie nicht. «Ich muss näher am Werk sein», sagt sie im Gespräch. Als Kompromiss haben Artuso und ihr Lebenspartner entschieden, in den französischsprachigen Teil des Kantons Freiburg zu ziehen.

Mit dem Werk im Wankdorf leitet Artuso die grösste Fabrik in der Region Bern und auch einen der grössten Industriebetriebe im ganzen Kanton. Etwa 1000 Angestellte der CSL Behring sind ihr direkt unterstellt. Rund 750 weitere Mitarbeitende arbeiten ebenfalls in der von Artuso geführten Firma in Bern, sind organisatorisch aber woanders in der Gruppe angehängt. Der börsenkotierte CSL-Konzern ist global aufgestellt: Hauptsitz in Melbourne, grosse Niederlassungen in den USA, Deutschland, China – und eben in Bern.

In Bern stellt der Konzern aus menschlichem Blutplasma verschiedene Medikamente her, vor allem gegen Immunschwächekrankheiten. Livia Artuso übernimmt einen florierenden Betrieb: Die Fabrik im Wankdorf wurde wegen der globalen Nachfrage nach den CSL-Produkten in den letzten Jahren mehrmals ausgebaut.

Und das nächste Wachstumsprojekt ist bereits aufgegleist: Für 200 Millionen Franken plant die CSL Behring am Standort im Wankdorf eine neue Produktionsanlage für ein neues Medikament für Herzinfarktpatienten. Dafür sollen 50 neue Stellen geschaffen werden. In der früheren Papierfabrik Sihl zwischen Wölflistrasse und Bahnlinie richtet das Unternehmen derzeit einen neuen Logistikstandort ein. Und daneben befinden sich noch Baulandreserven, auf welche die CSL Behring in Zukunft einmal zurückgreifen könnte.

 

Eine angelsächsische Kultur

Artusos Vorgänger Martin Schären lässt sich nach nur etwas mehr als zwei Jahren im Amt frühpensionieren. Der Berner war insgesamt über 20 Jahre lang für das Unternehmen tätig, vier Jahre davon in Australien.

Bringt Livia Artuso nun eine neue Betriebskultur in den Berner Standort des angelsächsisch geprägten Konzerns? «Auch die Lonza ist heute ein globalisierter Konzern», wirft Artuso ein – entsprechend habe sie in ihren ersten Wochen keinen Kulturschock erfahren. «Ich bringe eine neue Sicht auf die Dinge ein, vielleicht haben wir bei der Lonza ­einige Dinge anders gemacht.» Aber vor allem müsse sie die CSL Behring nun kennenlernen.

Gefragt nach ihrem Führungsstil sagt die neue Standortchefin, sie verfüge über eine «hohe Sozialkompetenz», arbeite gern im Team und suche den Konsens. «Wenn es die Situation erfordert, stehe ich in der Verantwortung und entscheide.» Artuso ist mit drei Sprachen aufgewachsen: Französisch, Deutsch und Italienisch.

Als Walliserin ist sie natürlich eine Anhängerin des FC Sion. Das bringt sie auf ihrem neuen Posten gewissermassen in einen Interessenkonflikt. Denn die CSL Behring ist seit 2020 Hauptsponsorin des Wankdorfstadions, der Heimstätte der Young Boys. ­Livia Artuso lacht: «Beim Fussball bin ich etwas gespalten, freue mich aber, zukünftig auch mit YB zu feiern.»

Nachrichten zu Wirtschaft »