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Detailhandel

«Eine Zwängerei, die gar niemand will»

Der Dachverband Handel Schweiz will Sonntagsverkäufe liberalisieren. Das Vorhaben kommt nicht nur bei den Gewerkschaften schlecht an – auch die Detailhändler sind von der Idee nicht angetan, wie eine Umfrage in Biel zeigt.

Symbolbild: Keystone
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Insgesamt 174 Stimmen
Ja, unbedingt. Das müssen wir Konsumenten und Touristen einfach bieten.
8%

Ja, denn sonst können immer weniger Läden mit dem Online-Handel mithalten.
9%

Nein, denn das Personal hat das Recht auf einen freien Sonntag.
36%

Nein, wir müssen nicht auch noch sonntags konsumieren.
47%

Manuela Schnyder

Hektik in den Strassen, Gedränge an den Ladeneingängen und vollgestopfte Cafés, wo zahlreiche Einkaufstaschen unter den Tischen verstaut liegen. So präsentiert sich Biels Innenstadt samstags, während jeweils sonntags Ruhe einkehrt. Das soll sich ändern, geht es nach dem Dachverband Handel Schweiz. Dieser will nämlich auch sonntags das ganze Jahr über sämtliche Läden öffnen lassen, nicht nur in Tourismuszonen. Das Shoppen passe zum modernen Freizeitverhalten, schreibt der Verband. Geschlossene Läden an Sonntagen seien ein Affront gegenüber den Touristen. Und arbeiten müssten ja auch andere Menschen an Sonntagen, wie etwa Angestellte des öffentlichen Verkehrs, in Spitälern oder in Apotheken. Dabei wird das Vorhaben nicht einmal vom Detailhandel begrüsst.

 

«Der Markt ist gesättigt»

Als Argument für eine 7-Tage-Shopping-Woche führt der Verband auch den Onlinehandel ins Feld, der rund um die Uhr funktioniert und den stationären Handel konkurrenziert. Man solle deshalb dem Einzelhandel die Chance geben, auch am Sonntag offen zu haben, sagt Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz.

Doch offenbar sind Sonntagsverkäufe für den Detailhandel gar nicht lukrativ, im Gegenteil. «Sonntagsverkäufe sind ein Nullsummenspiel», sagt etwa Kuno Cajacob, Geschäftsführer von Spörri Optik und Vorstandsmitglied des Nidaugassleist. Der Markt sei gesättigt und die Präsenzzeiten bereits jetzt hoch. Zusätzliche Öffnungszeiten würden daher nicht zwingend mehr Umsatz bringen, aber sicher mehr Aufwand. Mit Sonntagsverkäufen gegen den Online-Handel anzukämpfen, sei daher die falsche Strategie. Dazu komme, dass auf dem Arbeitsmarkt gar nicht Fachpersonal, konkret Augenoptiker, zu finden sei, die sonntags arbeiten wollten. Man begrüsse die beiden bewilligungsfreien Sonntagsverkäufe in der Vorweihnachtszeit, diese könne man im Team organisieren, doch ein genereller Sonntagsverkauf sei nicht reizvoll. Paul Müller, ebenfalls Vorstandsmitglied des Nidaudgassleists, ergänzt: In vielen Geschäften in Biels Innenstadt arbeiteten ein, zwei oder drei Angestellte. Das könnten sie personell gar nicht bewerkstelligen. «Also nein, das wollen wir sicher nicht.»

Personell mehr Kapazitäten haben die grossen Detailhändler wie Migros, Coop oder etwa Manor. Wie sich zeigt, sehen aber auch sie nicht viel Potenzial in Sonntagsverkäufen. Man beobachte derzeit kein grösseres Kundenbedürfnis nach verkaufsoffenen Sonntagen, vielmehr an längeren Öffnungszeiten samstags, sagt etwa Andrea Bauer, Sprecherin der Migros-Aare-Genossenschaft. Diesem Votum schliesst sich auch Coop-Sprecher Urs Meier an: «Wir sind grundsätzlich an liberalen Ladenöffnungszeiten interessiert, das gilt allerdings für Montag bis Samstag.»

Auch bei Loeb stehen Sonntagsverkäufe nicht im Fokus. Der Berner Detailhändler mit neuer Filiale in Biel plädiert ebenfalls «für längere Öffnungszeiten an Samstagabenden».

Zurückhaltend äussert sich Manor: Sonntagsöffnungen könnten an touristisch stark frequentierten Orten durchaus sinnvoll sein, sagt Mediensprecher Andreas Richter. Flexiblere Öffnungszeiten wünsche man sich aber vor allem an den Abenden, insbesondere für den Samstag.

 

«Attraktivere Innenstadt»

«Das ist eine Zwängerei, die gar niemand will», sagt derweil Serge Gnos von der Gewerkschaft Unia. Nicht nur Befragungen in der Bevölkerung zeigten, dass kein Bedürfnis nach offenen Läden an allen Sonntagen bestehe. Auch beim Verkaufspersonal komme eine solche Ausdehnung schlecht an, sagt Gnos und verweist auf eine von der Gewerkschaft durchgeführten Umfrage bei 300 Verkäuferinnen und Verkäufern. Bei 40 Prozent der Befragten seien die Öffnungszeiten schon jetzt am Abend verlängert worden. Bei 46 Prozent hatte das längere Arbeitszeiten zur Folge gehabt. Dass also eine Ausdehnung auf Sonntagsverkäufe mehr Stellen schaffen würden, das sei eine Illusion. Vielmehr müsste das Verkaufspersonal noch flexibler Arbeitsstunden leisten und würde noch mehr ausgelastet.

Begrüsst wird das Vorhaben des Dachverbands von der Tourismusbranche: «Offene Läden beleben die Innenstadt», sagt etwa Tourismusdirektor Oliver von Allmen. Das würde sie attraktiver machen, für die Gäste die am Wochenende Biel besuchten oder auch für Camper, als Schlechtwetterprogramm. An den Tankstellen und Bahnhöfen hätten die Läden schon heute offen, man könne das gerade so gut auf die Innenstadt ausdehnen.

Die Interessensgemeinschaft Innenstadt der Stadt Biel will sich zum Thema nicht äussern. Man befasse sich nicht mit den operativen Belangen des Bieler Detailhandels, dafür sei die Nidaugassleist zuständig, sagt Karin Rickenbacher. Und diese wiederum wünscht sich keine Sonntagsverkäufe. Damit dürfte das Thema in Biel vom Tisch sein.

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