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Knut Zimmer

«Elektromobilität ist
 nur ein Teil der Lösung und hat auch Grenzen»

Der CEO des Lysser Automobilzulieferers Feintool hat ein herausforderndes Jahr hinter sich. In Zukunft werde es für Autos verschiedene technische Lösungen geben – sofern die tatsächliche Umweltbelastung berechnet werde.

Bild: zvg

Interview: Tobias Graden

 

Knut Zimmer, wie war das Jahr 2019 für Sie?

Knut Zimmer: Es war durchaus herausfordernd. Auf der einen Seite hatten wir – wie der Gesamtmarkt im Automobilbereich – Volumenrückgänge zu verzeichnen, auf der anderen Seite sahen wir auch eine nachlassende Investitionsbereitschaft in unseren Märkten. Gleichzeitig hatten wir aber auch Produktionsanläufe von neuen Teilen. Wir treiben unsere Innovationen massiv voran, sodass wir gute Nachrichten im nächsten Jahr haben werden. Das Jahr 2019 hat also alles gebracht: Volumenrückgänge und -zugänge, letzteres ist die angenehmere Herausforderung, auch für mich persönlich.
 

 

2019 war auch das Jahr, in dem die Herausforderung des Klimawandels endgültig ins breite Bewusstsein eingedrungen ist. Wie sehen Sie dies?

Die Gesellschaft und die Politik haben sich insbesondere in Europa stark damit beschäftigt, das Bewusstsein ist deutlich gestiegen. In anderen Regionen sehe ich das nicht so stark. Doch hierzulande werden ja sogar Aussagen zu einem Klimanotstand getroffen, davon halte ich nichts.

 

Warum nicht?

Ich würde nicht von einem Klimanotstand sprechen. Aber schon von einem klar etablierten Bewusstsein eines Klimawandels. Dieses Bewusstsein ist sicherlich notwendig. Allerdings halte ich das in Teilen auch für übertrieben, man fokussiert bisweilen allzu sehr darauf. Global gesehen ist die Diskussion nicht so stark ausgeprägt wie in Europa.

 

Halten Sie denn die «Fridays for Future»-Bewegung auch für übertrieben?

Nein, ich finde es grundsätzlich sehr positiv, wenn sich junge Leute engagieren für Ideen und ihre Positionen. Es ist absolut zu begrüssen, wenn man sich mit dem eigenen Leben und dem Umfeld auseinandersetzt. Aber: In Europa haben wir dieses Thema mittlerweile alltäglich vor Augen, global gesehen ist das jedoch anders. Wir sind fokussiert auf die Ökologie, andere Länder sind da noch nicht so intensiv dabei und beschäftigen sich eher mit ihrer Ökonomie.

 

Es ist nicht das Schlechteste, wenn wir uns damit beschäftigen – es geht darum, welche Welt unsere eigenen Kinder und Enkel vorfinden werden.

Absolut, ja. Das ist auch aus meiner Sicht ein richtiger Ansatz, wenngleich ich für meine Kinder und Enkel in einer globalisierten Welt mehr Chancen sehe als Risiken. Wenn ich das mit meiner eigenen Jugendzeit vergleiche, muss ich sagen: Die Chancen sind heute viel grösser, auch wenn wir derzeit in der Globalisierungsfrage auch Abgrenzungstendenzen sehen. Insgesamt handelt es sich aber doch um ein Zusammenwachsen der Nationen, und das ist zu begrüssen.

 

Der Strassenverkehr ist einer der grossen CO-Emittenten. Wie stark beschäftigt Sie dies als CEO eines Zulieferers der Automobilindustrie?

Wir haben schon vor einiger Zeit Weichenstellungen getroffen, als wir gesehen haben, dass sich die Ansätze für Mobilität verändern. Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigt: Was können wir gut? Und wie können wir das, was wir gut können, auch in anderen Mobilitätsansätzen umsetzen? Darum sind wir in den Bereich des Stanzens von Elektroblechen für Elektromotoren eingestiegen. Und wir beschäftigen uns schon lange mit der Verarbeitung von Blechen für Brennstoffzellen – ein Thema, das in den letzten zwölf Monaten deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Es gibt mittlerweile kein Fachsymposium mehr, an dem die Brennstoffzelle kein Thema ist. Wir treiben diese Innovationen mit hohen Investitionen intensiv voran – so auch die neue, energieoptimierte Feinschneidpressen-Generation FB-one, die nun in allen Baugrössen lieferbar ist und ihresgleichen sucht im Markt.

 

Als Zulieferer überblicken Sie lange Entwicklungszyklen – wohin geht die Reise der Autohersteller?

Das Auto, wie wir es noch vor fünf Jahren kannten, wird sich verändern. Batteriebetriebene Fahrzeuge werden ihren Platz mit einem bestimmten Marktanteil finden. Wie hoch dieser sein wird, wissen wir allerdings noch nicht, das wird sehr kontrovers diskutiert. Doch die CO-Vorgaben sind kurzfristig nur mit einer Erhöhung des Anteils der Elektroautos zu erreichen.

 

Ist dies schon die ganze Entwicklung?

Nein. Nachhaltig werden wir aus meiner Sicht dann werden, wenn wir viel technologieoffener diskutieren werden. Wir werden Entwicklungen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen für schwere und kleine Fahrzeuge sehen, für Shared-Mobility- und Privatfahrzeuge. Es wird unterschiedliche Technologien geben. Wir haben das schon vor über zehn Jahren so erkannt, als wir erste Hybrid-Teile mit einem Autohersteller zusammen entwickelt haben. Viele haben sich damals gewundert, doch heute beträgt der Anteil für hybride Anwendungen bei Neuaufträgen um die 50 Prozent. Dieses Angebot werden wir weiter fördern und ausbauen. Wir können zwar noch nicht sagen, was aus der Brennstoffzelle wirklich mal wird. Sie bietet aber eine technologische Chance für eine gute Antwort für bestimmte Anwendungen. Als Feintool sind wir also breit aufgestellt – über den modernen Diesel, Benziner, Hybride, Elektroantriebe bis zur Brennstoffzelle.

Wenn die CO-Vorgaben vorerst nur mit zusätzlichen Elektrofahrzeugen erreicht werden können, dann darum, weil der Trend in den letzten Jahren immer stärker zu grossen SUVs gegangen ist. Ist diesbezüglich in der Autoindustrie ein Umdenken hin zu mehr Vernunft festzustellen?

Die Antwort darauf möchte ich zweiteilen. Zunächst: In naher Zukunft gibt es gar keine Antwort als die Batterie-Elektrik. Das ist allerdings durch die regulatorischen Vorgaben bedingt. Batterieelektrische Fahrzeuge werden zu Null gerechnet. Alle wissen aber, dass das nicht stimmt. Man muss aus Chile Silizium holen, aus dem Kongo Kobalt und aus Indonesien Nickel, dann wird unter Umständen noch Kohlestrom in der Steckdose bereitgestellt – und all dies wird zu Null berechnet. Fair ist das nicht, aber nun mal so vorgegeben, und daraus leitet sich die Batterie als Lösung ab. Wir haben also noch die eine oder andere technologische Lösung als Antwort zu geben und in der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Doch aus Sorge um Strafzahlungen haben die Hersteller gesagt: Wir investieren das Geld lieber, als dass wir es verlieren. Daraus hat sich die nächstmögliche Lösung angeboten, die Batterie-Elektrik.

 

Und der zweite Teil der Antwort?

Wir leben in einer freien Welt. Jeder Marktteilnehmer soll individuell seine Entscheidungen treffen können, denn wir alle wollen uns nicht einschränken lassen. Finanzielle Anreize sollen Entscheidungen lenken, aber nicht SUV-Einschränkungen und Fahrverbote. Stattdessen müssen wir durch technologieoffene Sachdiskussionen eine ökologisch sinnvolle Mobilität fördern. Dabei geht es aber nicht nur ums Automobil, sondern um die sich verändernde Mobilität insgesamt. Wir brauchen etwa in Ballungszentren Mobilitätsformen, die auch wirklich Mobilität ermöglichen. Niemand hat etwas davon, wenn man nur im Stau steht und der öffentliche Nahverkehr nicht funktioniert oder zu teuer ist. Eine wirklich funktionierende Mobilität ist ein Wettbewerbsvorteil, und das Auto ist ein Teil davon – aber eben nur ein Teil.

 

Sie sind also nicht für Verbote oder Einschränkungen, aber durchaus für Vernunft.

Ja. Ich zum Beispiel habe mir dieses Jahr ein Halbtax-Abonnement gekauft.

 

Sehr gut!

Manche Termine, die ich habe, lassen sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zügig und gut erreichen. Ich würde das jetzt nicht gerade als Umdenken bezeichnen, aber man nimmt die Dinge anders wahr und denkt darüber nach und bewegt sich auch mal anders fort. Ich muss aber auch sagen: Als Teil eines globalen Unternehmens müssen wir uns auch über die Grenzen hinweg bewegen, um die einzelnen Märkte zu betreuen. Es ist also für uns auch weiterhin notwendig, mobil zu sein, und da können wir oftmals nicht mit der Bahn fahren oder mit dem Auto, sondern müssen ins Flugzeug steigen. Das ist dann leider so.

 

China galt die letzten Jahre als grosser Treiber der Elektromobilität. Nun scheint es aber umzudenken und auf die Brennstoffzelle zu setzen. Mit welcher Entwicklung ist zu rechnen?

Ich glaube nicht, dass es gerade ein Umdenken ist. Man sieht eben, dass Batterieantriebe nur ein Teil der Lösung sind und dass sie auch Grenzen haben. Am Beispiel von China sehen wir, dass mit der Reduktion oder dem Wegfall von Fördermitteln der Absatz für solche Konzepte einbricht. Untersuchungen – etwa in Norwegen – zeigen, dass die Leute sich dann für ein Elektroauto entscheiden, wenn es preislich attraktiv ist; wenn sie also das Fahrzeug selber günstig bekommen und dann auch die Energie bis zum Auto subventioniert wird. Das Monetäre ist der Anreiz, die Ökologie wird sozusagen mitgenommen. Doch wenn die Preise steigen, reagiert der Markt sehr sensibel. Wir werden also in China, aber auch anderswo technologieoffene Antworten finden für verschiedene Fahrzeuge. Die Vielfalt der Technologien wird zunehmen, nicht nur für die diversen Fahrzeugtypen, sondern auch für die Märkte und die Regionen. Und diese Technologien werden bezahlbar sein. Denn noch sind viele der angebotenen Fahrzeuge für die meisten Kunden unbezahlbar.

 

Was bedeutet dies für den Elektroantrieb?

Das batterieelektrische Fahrzeug wird sich weiter verbreiten. Es wird sich nicht alleine durchsetzen, aber einen sinnvollen Anteil haben. Doch wir werden zunehmend andere sinnvolle Konzepte sehen – wenn wir fair rechnen. Denn das ist ja der fürs Klima wichtige Punkt: Dass die Vorgaben so gestaltet werden, dass sie letztlich klimawirksam sind.

 

Wir erleben derzeit auch konjunkturell unsichere Zeiten, wenn man etwa die US-Handelspolitik oder den kommenden Brexit bedenkt. Mit welcher Entwicklung rechnen sie für die Automobilbranche und damit für Feintool in nächster Zeit?

Politische Aussagen möchte ich nicht treffen. Wir registrieren aber, dass Unsicherheiten insgesamt zu Kaufzurückhaltung führen. Und diese führen zu einem geringeren Absatz an Autos und damit auch zu weniger Produktion, weniger Bestellungen für Teile und weniger Investitionen. Unsicherheiten sind immer schädlich für die Märkte, insbesondere für globalisierte Märkte. Der Brexit kommt – wir kennen zwar noch nicht alle Details, aber wir wissen nun, dass er kommt. Insofern bringt das auch wieder etwas Entspannung, es fallen Unsicherheiten weg. Welche Konsequenzen er dann für die EU und für Grossbritannien selber haben wird, das kann ich nicht abschätzen.

 

In der Automobilbranche ist eine zunehmende Konzentration zu beobachten, erst gerade ist bekannt geworden, dass sich PSA und Fiat/Chrysler zusammenschliessen wollen. Welche Auswirkungen hat diese Fusion auf 
Feintool?

Da wir mit einigen Produkten stärker bei PSA und mit anderen stärker bei Fiat Chrysler Automobiles vertreten sind, erachten wir den Zusammenschluss als Chance für Feintool.

 

Was tun Sie persönlich, um Ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern?

Wenn wir im Unternehmen über die Regionen hinweg zusammenarbeiten müssen, versuchen wir so oft wie möglich moderne Kommunikationsmittel zu nutzen, statt herumzureisen. Aber insgesamt leben wir von der Mobilität, und eine veränderte Mobilität ist für uns eine grosse Chance. Wir sind beispielsweise über andere Zulieferer mittlerweile auch im Tesla drin. Die Sensibilität für meinen persönlichen ökologischen Fussabdruck ist also gestiegen, aber ich kann ihn nur in Grenzen auch wirklich beeinflussen.

 

Versuchen Sie es denn?

Wenn man mobil sein will, muss man für die einzelnen Strecken das Optimum finden. Das bleibt eine Herausforderung für uns alle. Die Welt der Mobilität nimmt ja eher weiter zu. Wir alle werden mobiler, als wir dies in der Vergangenheit waren. Und von uns als Feintool wird gefordert, dass wir mobil sind, dass wir in den Märkten agieren, in denen unsere Kunden sind – und das wird weiter anhalten. Die Reduktion meines Fussabdrucks hat also ihre Grenzen, bleibt aber in meinem Bewusstsein.

 

Zur Person

  • geboren 1963 in Stuttgart
  • Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart
  • nach mehreren Stationen als Leiter Controlling und kaufmännischer Leiter ab 2000 Geschäftsführer der Herzing + Schroth GmbH u. Co. KG, diese wurde 2012 von Feintool übernommen
  • 2012 bis 2017 Leiter Business Unit System Parts Forming Europe (der vormaligen Herzing + Schroth)
  • seit 1. August 2017 Leiter Business Unit System Parts Europe
  • seit 1. Januar 2018 CEO der Feintool-Gruppe, Leiter Segment System Parts und Leiter Business Unit System Parts Europe
  • verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Lebt in der Nähe von Frankfurt und in Biel
  • Freizeit: Familie, Reisen in fremde Länder und Kulturen, Mountainbike tg

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