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Homeoffice

Es drohen nicht direkt Bussen

Seit gestern gilt landesweit eine Homeofficepflicht und die Einhaltung wird von den Kantonen überwacht. «Das ist keine massive Verschärfung der Massnahmen», erklärt eine Bieler Rechtsanwältin.

Was einem Empfehlung war, ist seit gestern Pflicht: Vielerorts ist das Homeoffice allerdings schon länger breit eingeführt. Bild: Keystone

Manuela Schnyder

Unternehmen, die die Vorgaben des Bundesrats zum Homeoffice verletzen, denen drohen keine Sanktionen, zumindest nicht direkt: «Die Verordnung sieht keine Bussen für Arbeitgeber vor, die sich nicht an die Homeoffice-Pflicht halten», sagt Marc Gebhard von der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion des Kantons Bern. Damit entschärft er die Diskussion um hohe Strafen für Unternehmen, die bei den kantonal durchgeführten Kontrollen durchfallen. «Die kantonalen Arbeitsinspektorate werden den Sachverhalt im Einzelfall abklären und nötigenfalls die Arbeit im Homeoffice verfügen», sagt Gebhard weiter.

Erst dann bestehe die Möglichkeit, Arbeitgeber, die sich verweigern, den Pflichten nachzukommen, strafrechtlich zu belangen, erklärt Cécile Wendling, Rechtsanwältin bei der Bieler Anwaltskanzlei Bigler Kaufmann Wendling Rechtsanwälte. So haben die Kantone gar keine rechtliche Grundlage, direkt Bussen auszusprechen: Die Covid-19-Verordnung besondere Lage lege in Artikel 13 fest, welche Tatbestände mit Busse bedroht sind. «Die Nichteinhaltung der Homeoffice-Pflicht wird davon nicht erfasst.»

 

Homeoffice bereits Usus

So hat der Bundesrat letzten Mittwoch überall dort Homeoffice angeordnet, wo dies «aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismässigem Aufwand» umsetzbar ist. Wie Wendling weiter erklärt, lässt der Bundesrat mit dem Begriff des verhältnismässigen Aufwands den Arbeitgebern bewusst Spielraum. Erforderlich sei somit eine Einzelfallbeurteilung in Bezug auf das konkrete Arbeitsverhältnis. So müsse beispielsweise in den Bereichen IT mit Blick auf Datenzugriff und Datensicherheit im Einzelfall abgewogen werden, ob die grundlegenden infrastrukturellen und räumlichen Bedingungen Zuhause gewährleistet werden könnten, während etwa Homeoffice im normalen Dienstleistungsbereich mit durchschnittlicher Technisierung als zumutbar anzusehen sei. Auf den ersten Blick sieht Wendling bei der Homeofficepflicht damit keine massive Verschärfung der bisher geltenden dringenden Empfehlung zum Homeoffice.

Angst vor den Kontrollen haben die Unternehmen in der Region ohnehin nicht: «Es ist davon auszugehen, dass für mittlere Unternehmen ab 20 Leute die Homeofficepflicht unproblematisch ist», sagt Fabian Engel, Präsident des Handels- und Industrievereins Sektion Biel-Seeland. Seit März 2020 sei sehr rasch auf Homeoffice gesetzt worden. Eher bei kleineren Unternehmen wie etwa in Handwerkerbetrieben, wo Mitarbeiter gleichzeitig Büroarbeiten wie auch beispielsweise im Lager oder in der Werkstatt arbeiten, sei Homeoffice nicht gleich gut umsetzen, sagt Engel. Und auch Gilbert Hürsch, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Biel-Seeland sagt: «Viele Unternehmen, gerade Dienstleister haben schon lange auf Homeoffice umgestellt und auch während den Lockerungen in abgeschwächter Form beigehalten.» Mit grossen Mehrkosten rechnet Hürsch deshalb nicht, da die meisten Unternehmen bereits seit längerer Zeit technisch dafür ausgerüstet sind.

So hat etwa auch Ulrich Roth, Inhaber der Roth Immobilien, entsprechend investiert: «Um die Zahl der Wohnungsbesichtigungen zu reduzieren, haben wir die Wohnungen gefilmt, das war mit viel Aufwand verbunden», sagt Roth. Derweil haben alle Mitarbeiter, die wegen Wohnungsübergaben nicht zwingend im Büro arbeiten müssen, zuhause ihr Equipment stehen, haben Zugang zum Server und sind sich die Arbeit auf Distanz mithilfe digitaler Plattformen und Zugang zu Unternehmensprogrammen längst gewöhnt.

Das gilt etwa auch für rund zwei Drittel der Belegschaft von Precipart: «Wir haben ja bereits im Frühling nach Ausbruch der Pandemie Homeoffice eingeführt», sagt etwa Geschäftsführer Andreas Wenger. Und dasselbe sagt auch Susanne Giehl: «Wir haben bereits seit dem Frühjahr sehr viele Mitarbeitende im Homeoffice und werden nun noch weiter die Anwesenheiten irgend möglich reduzieren.» So hat die Gewerkschaft wenig Beschwerden von Mitgliedern, denen Homeoffice verwehrt wird: «Dort wo Homeoffice möglich ist, wird das mehrheitlich auch gemacht», sagt Ivano Marraffino, Regiosekretär der Unia Biel-Seeland-Solothurn.

 

Entschädigung freiwillig

So schicken die hiesigen Arbeitgeber ihre Angestellten in die Heimarbeit, wenn sie nicht gerade in der Logistik oder in der Produktion zwingend vor Ort arbeiten müssen. In vielen Fällen beteiligt sich der Arbeitgeber auch an den Kosten, die im Homeoffice anfallen, obwohl der Bundesrat die Arbeitgeber in der aktueller Verordnung von einer Auslagenentschädigung explizit befreit hat: «Wenn unsere Mitarbeiter ausgewiesene Kosten haben, dann entschädigen wir das», sagt etwa Ulrich Roth. Auch die Firma Harting beteiligt sich an der Kostenübernahme, ohne konkrete Beispiele zu nennen, während Precipart namentlich auch einen Teil der Internet- und Handykosten übernimmt und Verbrauchsmaterial entschädigt. In der aktuellen Verordnung müssen die Arbeitgeber keine Auslagenentschädigung entrichten, mit der Begründung, dass die Massnahme nur «vorübergehenden Charakter» aufweist. «Ab welcher Dauer die Homeoffice-Pflicht als Massnahme nicht mehr als vorübergehend angeschaut werden wird, müsste wohl diskutiert werden», sagt dazu Rechtsanwältin Wendling. Denn ansonsten muss sich der Arbeitgeber an den Auslagen des Arbeitnehmers für Internet, Telefon, Strom, sonstige Nebenkosten und sogar an der Zimmermiete gemäss Obligationenrecht grundsätzlich beteiligen, wenn dem Arbeitnehmer kein oder kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Das sei vom Bundesgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2019 so entschieden worden. Dasselbe gilt demnach bei den Kosten für die Einrichtung des Homeoffice, also beispielsweise Bürostuhl, Bildschirm oder Tastatur. Eine Abwälzung dieser Kosten an die Arbeitnehmer sei, anders als bei den Auslagen, nur zulässig, wenn dies vorgängig vertraglich vereinbart wurde.

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